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Verschärfte Demokratiekrise auf allen Ebenen? Bspl. Mülheim

Am 19. Juli war in der WAZ auf der Titelseite zu lesen „Ansehen der Politiker extrem niedrig“, weil bereits über drei Viertel der Befragten u.a. davon überzeugt sind, „dass Lobbyisten zu viel Einfluss haben und wünschen sich eine Abstimmung nicht entlang von Parteilinien, sondern nach dem Gewissen…“ Im WAZ-Kommentar auf S. 2 „Bürger kanzeln Politiker ab“ erkennt auch die WAZ, dass der „Parteienstaat“ deutlich kriselt, dass „… Kungelrunden, Parteikarrieristen und Parteisoldaten .. nur abgedroschene Worthülsen im Talk-Show-Potpourri“ produzieren.

Genauso bedrohlich wie die gefährliche Dauer-Eurokrise ist parallel der rapide Zerfall der Demokratie auch in Deutschland. Das Erschreckende dabei ist die Leichtfertigkeit, mit der die gewählten Volksvertreter dies befördern. Der kometenhafte, flächendeckende Aufstieg der Piraten selbst ohne Programm und nur noch 25% Wahlbeteiligung zur OB-Stichwahl in Duisburg – anstatt des überfälligen Neubeginns nach der jämmerlichen Sauerland-Episode – sind bereits deutlich.
Die beabsichtigte und mit Zweidrittel-Mehrheit sogar beschlossene Selbstentmachtung des Berliner Parlaments für ESM (Europäischer Rettungsschirm) und Fiskalpakt zugunsten eines Direktoriums aus einer Handvoll Technokraten würde die Demokratie gänzlich aushöhlen. Das Verfassungsgericht soll nun am 12. Sept. entscheiden, ob der Bundestag sich derart selbst der wesentlichen Befugnisse des Haushalts entledigen darf. Doch
es sind nicht nur solche ganz großen (Fehl-)Entscheidungen, die das Vertrauen der Bevölkerung erschüttern.

Wie sieht es denn vor Ort aus? Ist die Parteiendemokratie an der Basis, etwa in den Städten, stabiler und besser angesehen? Nehmen wir das Beispiel Mülheim, wo Hannelore Kraft im Mai einen überwältigenden Wahlerfolg erzielte. Nur: Weder vor Ort, noch in NRW wurde wirklich um Inhalte oder Richtungen gestritten. Die wichtigen Fragen zur Bewältigung der kriselnden Zukunft blieben ausgeklammert. Zum MBI-Fragenkatalog zur LTW schickten SPD und CDU nicht einmal eine Empfangsbestätigung. Der ganze Fragenkatalog hier

Doch egal, denn um die lokale Demokratie in der Heimatstadt der NRW-Ministerpräsidentin ist es noch schlechter gestellt als auf Landes- und Bundesebene, was sich u.a. in wiederholtem „Beratungsbedarf“ zur dauernden Verschiebung von Entscheidungen (Etat-Beratungen, ÖPNV-Zukunft, Parkkonzept, swap-Schadensersatzforderungen uswusw.), weiteren informellen Mauschelrunden, dilettantischer Stadtplanung, Baustellenchaos oder in blindem, teuren Aktionismus (charrette-Verfahren, Gutachten, dauerndes „Bespielen“ der toten Innenstadt uswusf.) äußert. Dazu Filz und Korruption, den auch die Lokalmedien kaum noch leugnen können. Die Zerfallserscheinungen haben verschiedene Bereiche der Stadt längst erreicht mit zunehmenden alltäglichen Konflikten wie die bedrohliche Aggressivität gegen Landschaftswächter, Radler gegen Fußgänger, Schule gegen Schule uswusf…. Das Bedenklichste aber ist, dass in weiten Teilen der Bevölkerung das Vertrauen futsch ist, dass Verwaltung und Politik im Sinne des Allgemeinwohls agieren.

Beispielhaft die letzte Ratssitzung (mehr s.u.), die in recht erschreckendem Maße demonstrierte, wie die gewählte Volksvertretung das ihr laut Verfassung zustehende Primat der Politik de facto nicht mehr ausübt (wie zu swap-Verlusten und zum Flughafen-Gutachten, s.u.)) oder gar freiwillig darauf verzichtet wie zur Mitsprache bei den medl-Gaspreisen (s.u.) oder entscheidungsunfähig ist wie zur überfälligen Ruhrbania-Begrenzung (s.u.). Dass die Interessen der Bürger und zumindest ein grundlegendes Verständnis von Recht und Unrecht (bzw. der grundgesetzlich verbotenen staatlichen Willkür) überhaupt nicht mehr im Fokus stehen, zeigt der erbärmliche Umgang mit der Frage der Rückzahlung ausgeurteilter unrechtmäßiger Gebühren (s.u.).
Dass in der katastrophalen Haushaltslage der Stadt Mülheim immer noch kein Etatentwurf für 2013 vorliegt oder zumindest ein Vorentwurf, störte dagegen den Rat überhaupt nicht nicht. Man zankte sich lieber um den SPD/FDP-Antrag, eine völlig aussichtslose Verfassungsklage gegen das Land zu führen, weil Mülheim nicht in das Programm „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ aufgenommen wurde, was aber bereits seit Monaten eigentlich klar war wegen der jahrelang geschönten Bilanzen der Stadt Mülheim.

Es ist nicht verwunderlich, dass das Vertrauen der Bevölkerung in eine solche Politik stark gelitten hat. Da hilft es auch wenig, wenn die lokalen Medien, die alle inkl. Anzeigenblätter und Lokalradio zum WAZ-Konzern gehören, alle folgende MBI-Anträge verschwieg, ebenso wie der Umgang mit ihnen im Rat.

Zum Glück sind die Zerfallsprozesse nicht in allen Kommunen derart weit fortgeschritten wie in Mülheim. Man kann nur hoffen, dass sich dort mehr gewählte Demokraten darauf besinnen, wen sie eigentlich vertreten – auch wenn die Zeiten schwieriger werden könnten, wenn aus der Eurokrise eine Wirtschaftskrise werden sollte. Wer sich die Vorgänge in Dortmund oder Duisburg vor Augen führt, muss allerdings befürchten, dass nicht wenige Kommunen der Vorreiterstadt Mülheim folgen könnten.

Am 5. Juli war Ratssitzung der Stadt Mülheim, nach 3 Jahren erstmals wieder im für 47 Mio. sanierten Restrathaus. Auf der TO standen u.a. 5 MBI-Anträge, die entweder von der TO gestimmt wurden oder von unterschiedlichen Ratsmehrheiten abgelehnt wurden.

1.)    Der MBI-Antrag, die Berufung gegen das Urteil zur Akteneinsicht der WAZ zum swap-Skandal zurückzuziehen, wurde nur von Grünen und Linken unterstützt. Peinlich. Mehr hier

2.)    Der MBI-Antrag zu “Swaps und anderen spekulativen Geschäften der Stadt” ein generelles Spekulationsverbot für die Stadt und Schadensersatzklagen gegen alle Verantwortlichen zu beschließen, wurde von SPD, CDU, FDP und Grünen von der Tagesordnung gestimmt. Mehr hier. Damit geht das würdelose „Spiel auf Zeit“ um Aufarbeitung (inkl. Vertuschung) und Schadensersatz zu den unverantwortlichen Zockereien mit swaps noch solange weiter, bis alles in Vergessenheit gerät bzw. geraten soll. Aussitzen nannte man das zu Kohls Zeiten.

3.)    Der MBI-Antrag zur “Beendigung der Planung für die Ruhrbania-Baufelder zwischen Eisenbahnbrücke und Friedrich-Wilhelm-Hütte“ wurde nur noch von WirLinke unterstützt, während die Grünen sich dieses Mal in Stimmenthaltung übten (im Wirtschaftsausschuss dafür und im Planungsausschuss dagegen). Mehr hier

4.)    Der MBI-Antrag, dass der Rat entscheiden müsse, ob der medl-Aufsichtsrat auch zukünftig über Gas-und Strompreise mitentscheiden dürfe und solle, führte wenigstens zu einer Tischvorlage der Verwaltung, dies zu beschließen und den Gesellschaftervertrag mit dem RWE dahingehend zu ändern. Immerhin, denn das sollte ohne Rat und klammheimlich passieren! Mehr hier.
Theoretisch hätte der Rat dies ja auch mehrheitlich ablehnen können, z.B. wenn die Stadtverordneten sich erinnert hätten, wer sie gewählt hat und wem sie mehr verpflichtet sein müssten: den Mülheimer Bürgern oder dem Wohl von medl/RWE. Doch SPD, CDU und FDP stimmten für die vollständige Selbst-Entmachtung der Kommunalpolitik bzgl. der Preisgestaltung bei Gas und Strom in der zu 51% kommunalen medl. Zwingende Gründe und Argumente gibt es dafür nicht, dass die gewählten Vertreter der Bevölkerung bei dieser grundlegenden Frage und Problematik die Bevölkerung nicht mehr vertreten wollen . Umso schlimmer, denn nun ist selbst der theoretische Einfluss der Demokratie vor Ort weg. Wozu überhaupt noch kommunale Aufsichtsräte? Soll das RWE doch gleich alleine entscheiden! Für zehntausende Mieter z.B. von SWB (eine 50,1%ige medl-Tochter) und MWB gibt es keine Möglichkeit, den Versorger zu wechseln, wenn die medl demnächst die Preise wieder überhöht!

5.)    Der MBI-Antrag auf “Rückzahlung unrechtmäßig erhobener Beiträge auch an Nicht-Kläger für die Kanalbaumaßnahme Haydnweg” sollte auf SPD-Antrag hin von der Tagesordnung gestimmt werden, doch (Überraschung!) eine Mehrheit stimmte dagegen inkl. CDU. Als der Antrag dann behandelt wurde, stimmten alle außer MBI dagegen. Gebührenwillkür ist wohl für die Volksvertreter genausowenig ein Thema wie Gebührengerechtigkeit. Erschreckend. Mehr zu der kafkaesken Mölmschen Gebührenwillkür hier

Außerdem ging es u.a. um den Antrag der Grünen, das Gutachten zum Flughafen dem Aufsichtsrat und den Fraktionen ganz und ggfs. bereits in Rohfassung zur Verfügung zu stellen. Nun sollen Vertreter verschiedener Fraktionen Akteneinsicht bekommen. Die Verwaltung behauptete, die OB könne durch keinen Ratsbeschluss dazu gezwungen werden. Wie und wann sie das Gutachten vorlege, sei einzig ihre Entscheidung. Na denn. Die Grünen verzichteten dann auch auf eine Abstimmung, weil die CDU sofort auf die Verwaltungslinie umschwenkte.

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