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Wenn Haushaltslöcher im Nirwana ausgeglichen werden ….

Wie bitteschön „verwendet“ man einen Jahresfehlbetrag?

Ratssitzung in Mülheim/Ruhr am 18.12.13
TOP 8.1 lautet:
„Feststellung des Jahresabschlusses der Stadt Mülheim an der Ruhr zum 31.12.2012 sowie Entscheidungen über die Verwendung des Jahresfehlbetrages und die Entlastung der Oberbürgermeisterin – Vorlage: V 13/0879-01″

Klingt einfach nett, wenn auch irgendwie widersinnig, oder? Was kauft man z.B. von einem Haushaltsloch von 82,5 Mio. € aus 2012? Was wäre, wenn der Rat dagegen stimmen würde, das Finanzloch „durch Inanspruchnahme der Allgemeinen Rücklage zu decken“, wie vorgesehen. Käme dann wie in Nideggen der Sparkomissar des Landes und würde ohne den Rat die Haushaltsführung bestimmen? Doch egal.

Um die schwer durchschaubare Haushaltslogik etwas zu beleuchten und zur Erklärung, warum die reiche Stadt Mülheim, Heimatstadt der Ministerpräsidentin Kraft, trotz sehr robuster Wirtschaft und stets der niedrigsten Arbeitslosigkeit im Revier mit inzwischen 1,5 Milliarden Schulden bereits die vierthöchste Pro-Kopf-Verschuldung in NRW aufweist, mehr als Duisburg und viel mehr als Gelsenkirchen oder Bottrop, im folgenden zur Mölmschen Haushaltskatastrophe und deren regelrechter Explosion seit ca. 2007:

Mit der Einführung von NKF (Neues kommunales Finanzmanagement) als Bilanzierungsmethode anstatt der vorherigen Kameralistik erstellte der Mülheimer Kämmerer in 2007 auch eine sog. Eröffnungsbilanz, in der alle, aber wirklich alle Werte der Stadt einfließen sollten. Dabei gab es natürlich für jeden Kämmerer die Möglichkeit, viele Dinge höher oder niedriger zu bewerten. Im Falle von Mülheim war die Bilanzsumme deutlich höher als eigentlich notwendig oder vertretbar. Doch das hatte folgenden „Vorteil“ zumindest aus Sicht der Stadtspitze und ihrer Pläne.

Aus der Eröffnungsbilanz ergaben sich auch die Höhe der angeblichen Rücklagen. Diese waren unterteilt in Ausgleichsrücklage (ca. 75 Mio.) und in Allgemeine Rücklage (ca. 768 Mio.). Klingt gut und erinnert Privatmenschen daran, was sie für Notfälle als schnell mobilisierbare Mittel auf der hohen Kante haben als reale Ausgleichsrücklage. Allgemeine Rücklagen würden eher Immobilien, Versicherungen u.ä. darstellen, was halt nicht so schnell mobilisierbar wäre, aber z.B. bei der Bank als Sicherheit angegeben werden kann.

Bei den Kommunen aber ging es nicht darum, ob und wie Rücklagen überhaupt mobilisierbar sind. Dennoch durften sie nach NKF-Einführung neue Schulden einfach mit der Ausgleichsrücklage verrechnen, um für die Finanzaufsicht des RP einen „ausgeglichenen Haushalt“ zu haben, wenn auch nur auf dem Papier. Haushaltssicherungsmaßnahmen und Genehmigung von Investitionsmaßnahmen durch den RP entfielen dann. So konnten dann Frau Mühlenfeld und die Ruhrbania-Mehrheit alle ihre vielen Großprojekte, insbe-sondere für das Pres-tigeprojekt Banania ungestört in Auftrag geben, solange diese die fiktive Ausgleichsrücklage von 75 Mio. € nicht überstiegen. Deshalb wählte man zusätzlich Umwegfinanzierungen über PPP oder PPP-ähnliche Konstruktionen u.a. für Medienhaus, Feuerwehr, stadtgeschichtliches Museum, Rathaus, Hafenbecken, z.T. auch Verkehrsumbau usw., um zumindest bis zum Wahljahr 2009 einen „ausgeglichenen“ Haushalt zu haben bzw. vorgaukeln zu können.

Das (Rest-)Rathaus z.B. wurde auf die Wohnungsbautochter SWB übertragen, so dass die 50 Mio. für die Sanierung nicht im Haushalt 2009 geführt werden mussten, was die fiktiven „Ausgleichsrücklagen“ bereits überstiegen hätte. 2008 „verbrauchte“ Mülheim ca. 22 Mio. „Rücklage“, für das Wahljahr 2009 waren 45 Mio. geplant, also „ausgeglicher Haushalt“, weil insgesamt noch 53 Mio. in der „Rücklage.“. Als bereits Mitte 2009 erkennbar war, dass das Haushaltsloch mind. 70 Mio. betragen würde, taten OB und Kämmerer vor den Wahlen einfach so, als wüssten sie von nichts und Mülheims Haushalt wäre ok, weil ausgeglichen. Real war das Haushaltsloch dann über 80 Mio., doch OB und Parteien waren wiedergewählt und die meisten gewünschten Projekte waren fertiggestellt oder begonnen.

Noch aber wollte man u.a. auch Ruhrbania-Baulos 2 (Abriss overflies und Umbau des Brückenkopfes Nordbrücke), Stadionumbau für den VfB Speldorf und das stadtgeschichtl. Museum unter Dach und Fach bekommen, ohne dass der RP dazwischen funken könnte. So wurde die Verabschiedung des Haushalts 2010, der nicht mehr genehmigungsfähig sein konnte, bis in den Okt. 2010 verschoben und der RP prüfte erst in 2011, stellte nachträglich Nothaushalt fest und drückte ansonsten die Äuglein zu.

Dann änderte der neue Innenminister die Bestimmungen für genehmigungsfähige Haushalte, so dass die Kommunen nicht mehr in 4, sondern erst in 10 Jahren auf dem Papier einen Haushaltsausgleich vorweisen müssen. Die Mülheimer Haushalte 2013 und jetzt 2014 tun das auch und gaukeln Haushaltsausgleich vor, obwohl die reale Verschuldung in den letzten Jahren regelrecht explodierte, insbesondere die kurzfristigen Kassenkredite „zur Liquiditätssicherung“, die nur für 2013 in der kleinen Großstadt Mülheim bereits bei mind. 760 Mio. € liegen (2004 waren es 148 Mio., 2002 63 Mio. und in den 90er Jahren bis auf 1 Ausnahme immer 0 DM). Im kürzlichen Schuldenreport von Ernst&Young liegt Mülheim nicht zufällig mit einer Schuldensteigerung von 89%(!) nur von 2010 bis 2012 in NRW einsam an der Spitze, weit vor Bonn mit 49% Schuldenzuwachs (vornehmlich wegen des irrwitzigen World-Trade-Center-Abenteuers dort).

Fazit:
Bereits 2009 waren in Mülheim die gesamten, ohnehin „nur“ fiktiven 75 Mio. „Ausgleichsrücklage“ aus der Eröffnungsbilanz 2007 gegen Neuschulden „verrechnet“ und seither wurden von der ebenso fiktiven „Allgemeinen Rücklage“ weit über 400 Mio. Euro zum Schön- bzw. Wegrechnen der Neuschulden „in Anspruch genommen“. 2014 sind von den 2007 berechneten 768 Mio. „Allgemeine Rücklage“ nur noch wenig mehr als 300 Mio. in der Bilanz und auf dem Papier. Wenn die allgemeine Rücklage ganz „aufgezehrt“ ist, ist eine Kommune dann auch bilanziell überschuldet, also bankrott.

Wenn nun die eigentlich vorgeschriebene Neubewertung der RWE-Aktien durchgeführt würde, was in der RWE-Stadt Mülheim bis zu 4 oder gar 500 Mio. € weniger „Eigenkapital“ bedeuten kann, so reicht das auch auf dem Papier eigentlich nur noch für einen Insolvenzantrag! Was das z.B. für Zinsen oder Haushalt wirklich bedeuten wird, weiß keiner. Auch wenn Mülheim anders als Detroit keinen Konkurs direkt anmelden müsste, wird die bilanzielle Überschuldung kaum folgenlos sein.

Soweit zum leicht widersprüchlichen Begriff „Verwendung von Fehlbeträgen“, worüber der Rat „entscheiden“ soll.

Oder um es mit deutschem Liedgut auszudrücken:
Ein Loch ist im Haushalt, oh Dagmar, ein Loch

Dann stopf es, oh Bonan, mach`s zu
Womit denn, oh Dagmar, womit?
Mit neuen Schulden, oh Bonan, was sonst?
Uswusf……………

P.S.:
Die einzig wirklich mobilisierbaren Rücklagen der Stadt Mülheim waren und sind die knapp 10 Millionen RWE-Aktien. Durch deren Verkauf hätte man vor Jahren die Schulden tilgen und den Haushalt auch real ausgeglichen machen können. Auch dann hätte das jährliche Delta zwischen Einnahmen und Ausgaben durch Sanierungsmaßnahmen beseitigt werden müssen, um nicht kurz später in die gleiche Verschuldungsfalle zu geraten. Doch der Verkauf der RWE-Aktien war und ist in Mülheim ein absolutes Tabu, schließlich hat die OB einen Sitz im erlauchten RWE-Aufsichtsrat!

Zur Mülheimer Haushaltskatastrophe auch

Mehr zum Fluch der RWE-Abhängigkeit

  • 2006: “Mülheim oder das große Schweigen” – WDR-Feature zu den unglaublichen Privatisierungsgeschichten unter Baganz (mehr zu Dr. J.B. hier) und Mühlenfeld als pdf-Datei hier
  • August 10: RWE-Stadt Mülheim/Ruhr: “Ein Dorf der Mächtigen und Klugen?” hier
  • Juni 11: Der Fluch der RWE-Hörigkeit hier
  • Aug. 11: Der Fluch der RWE-Abhängigkeit und Bananenrepublik NRW? hier
  • März 12: Der Fluch mit den RWE-Aktien hier
  • Mai 13: Wie das Ruhrgebiet so tickt und warum das so nicht mehr lange gutgeht ….. hier
  • Juli 13: Mülheim bald überschuldet wegen der vielen RWE-Aktien? hier
  • Juli 13: Teure Bergbaufolgen für RWE, Eon&Co und die Mülheim-Connection hier
  • Nov. 13: Neubewertung RWE-Aktien Pflicht? Droht der endgültige Absturz der Mülheimer Finanzen? hier