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NRW-Haushaltslogik als nicht-euklidische Mathematik?

Der nicht-euklidische1 Haushalt
Oder:
Die gar seltsame Mathematik der Haushaltssicherung

Die Kreativität der NRW-Landesregierung und der Kämmereien vieler Kommunen zum Thema Haushaltssicherung geht offenbar gegen  unendlich. Schon vor Jahren haben sich alle von elementaren Grundregeln verabschiedet. „Ausgeglichen“ ist ein Haushalt dann, wenn keine Verluste gemacht werden, also die Ausgaben die Einnahmen nicht übersteigen. So kennt man das, und ein nicht ausgeglichener Haushalt ist seit jeher ein Ding, das nicht sein darf und er ist daher nicht genehmigungsfähig. Eigentlich, doch …..

Als nun seinerzeit immer mehr Städte nach dieser Definition in Schwierigkeiten kamen, hat die Landesregierung diese Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt, indem sie schlicht und einfach die Definition geändert hat. So wurde verfügt, dass auch ein gewisser Teil des Eigenkapitals mit verbraucht werden darf, sozusagen wird das angehäufte Eigenkapital mit vereinnahmt. Dazu muss es nur in „Ausgleichsrücklage“ umbenannt werden und schon ist die Haushaltslücke keine Lücke mehr, sondern der Haushalt ist ausgeglichen, jedenfalls im getrübten Auge der Kommunalaufsicht. Das wurde auch von den Kämmerern dankend angenommen, so ist doch gleich alles viel einfacher. Jedoch, wer hätte das gedacht, nach einigen Jahren fand auch dieses überaus weise erdachte Verfahren ein jähes Ende. Die Ausgleichsrücklage war aufgebraucht! Aber auch das hatte die Landesregierung in ihrer Weitsicht bedacht: auch ein bestimmter Prozentsatz der Allgemeinen Rücklage, so die Bezeichnung für den Rest des Eigenkapitals, durfte noch mit verbraucht werden, ohne dass der Regierungspräsident die Genehmigung des Haushalts verweigert hätte, wenn auch mit fürchterlich strengen Ermahnungen.

haushaltszauberbonanInzwischen waren die Entwickler im Finanzministerium aber nicht untätig geblieben und hatten einen neuen, viel besseren Algorithmus entdeckt: das HSK-Verfahren (highly simple Kameralistiks, manchmal auch „Haushaltssicherungskonzept“ genannt). Der funktioniert ganz einfach: bei einem gegebenen Defizit im Ausgangsjahr wird eingespart (bzw. weil es einfacher geht, die Steuern erhöht). Dann ist das Defizit im Jahr darauf geringer. Das ist aber noch nicht alles: der besondere Trick bei diesem Algorithmus besteht nämlich darin, dass die eingesparte Summe auch im nächsten und übernächsten und …….also eben immer weiter vom jeweiligen Defizit abgezogen wird und wenn man Glück hat, so wie viele Städte vorher und ab 2021 auch Mülheim, kommt man dabei irgendwann auf Null und – der Haushalt ist wieder ausgeglichen!
Also nochmal als Beispiel: wir starten mit einem Defizit von 50 Mio. im Jahr. Davon werden für die folgenden Jahre zuerst fünf, dann 15 usw. und ab dem fünften Jahr dann 50 Mio. jährlich eingespart. Unglücklicherweise wurde für die kommenden Jahre schon zu Anfang (was daraus wird … man schaue sich mal BER an!) eine Ausweitung der Ausgaben und ein entsprechend höheres Defizit prognostiziert, sagen wir, nach 5 Jahren 90 Mio. €. Das macht aber nichts, im ersten Spar-Jahr kommt man ja auf 50-5=45 Mio. Defizit, im zweiten auf 45-15=30 und schließlich im 5. Jahr auf 30-50=20 Mio. Überschuss!

Hurra, wir sind gerettet …. aber halt, wird sich
der Leser sagen, das ist doch irgendwie falsch!

Die 50 Mio. Einsparung bezogen sich doch auf die Ausgaben am Anfang, also haben wir im 5. Jahr die prognostizierten 90 Mio. Defizit minus 50 Mio. Einsparung, also immer noch jährlich 40 Mio. Defizit! Das ist bedauerlicherweise auch immer noch die Einstellung bei den kreditgebenden Banken, die für diese mathematische Weiterentwicklung kein Verständnis aufbringen und die neu hinzukommenden Kassenkredite einfach zu den schon laufenden hinzuzählen, und das immer weiter, inzwischen in der kleinen Großstadt Mülheim schon über 1 Mrd. €. Sogar im städtischen Haushalt gibt es, außer der Dokumentation der Kassenkredite, die ja nur auf das mangelnde Verständnis der Banken zurückzuführen sind, noch eine Tabelle, in der ganz „normal“ die Defizite immer wieder vom schon längst negativen Eigenkapital abgezogen werden. Aber auch diese deutlich sichtbare Katastrophe stört niemanden, weil das Eigenkapital ja negativ und damit sowieso schon außerhalb des Definitionsbereichs für normale Haushalte ist, und hier gelten dann ja wahrscheinlich auch andere Gesetze.
Unlängst fabulierte ein Politiker dazu: „wenn wir negatives Eigenkapital haben, ist das dann doch wieder Kameralistik wie früher, nicht mehr nach den Regeln des NKF2, oder nicht???“. Recht hat er, bei der kameralistischen Haushaltsführung konnte man noch Verluste (oder z.B. auch den Verfall der öffentlichen Gebäude) anhäufen, ohne dass das gleich so schrecklich aussah. Nur das mit den Kassenkrediten, das gab es damals auch schon.

SterntalerSo kann denn jedes Jahr das Defizit ausgeglichen werden und sich trotzdem ungestört vermehren, neuerdings sogar noch abgefedert durch Gelder aus dem Stärkungspakt, die natürlich nur derjenige bekommt, wer auch tüchtig einspart, natürlich nur nach HSK-Regeln, nicht wirklich. Sollte aber auch das irgendwann an Grenzen stoßen, weil die Ausgaben ja unbeirrt davon weiter steigen, bietet sich doch folgende Lösung an: man weist einige neue Stellen aus, spart diese in einigen Jahren wieder ein, damit erhöht sich dann die Einsparsumme wieder und man darf dann noch höhere Defizite im Jahr damit verrechnen. Einfach genial.

1)        bei der nicht euklidischen Geometrie (Wikipedia) werden einige uns selbstverständlich erscheinende Grundannahmen verändert und daraus läßt sich ein völlig neues, in sich schlüssiges System entwickeln

2)       NKF= Neues Kommunales Finanzmanagement, das vor einigen Jahren eingeführt wurde und eigentlich ein normales Rechnungswesen mit Bilanzierung gleich dem in Unternehmen sein sollte

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