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MBI-Presseerklärungen dazu
Link zu der Dokumentation der Mülheimer NS-Zeit auf den VVN-Seiten Mülheim/Ruhr, den 19.07.01: Anfrage an den Kulturausschuss vom 28.08.2001 Tagesordnung: Öffentlich
Städtische Internetpräsentation im Kulturbereich/Stadtarchiv zum Thema "Zwangsarbeiter"
Die Verwaltung möge folgende Fragen beantworten:
- Wer zeichnet für die Abfassung und Internet-Präsentation des Textes zum Thema "Zwangsarbeit in Mülheim" auf den städtischen Internetseiten (www.muelheim-ruhr.de) unter dem Bereich
Kultur/Stadtarchiv verantwortlich?
- Hält die Verwaltung den dort präsentierten Text angesichts der bisherigen öffentlichen Diskussion, der gemeinsamen Resolution des Rates der Stadt sowie dem allgemeinen Stand der historischen
Behandlung dieses Themas für angemessen und für ausreichend sensibel angesichts der weltweiten Abrufmöglichkeit mittels Internet?
- Welche angemessenere Präsentation könnte die Verwaltung kurzfristig im Internet zu diesem Thema vorschlagen?
Begründung: Seit kurzem (Juni) ist auf den städtischen Internetseiten, nach Aussagen der örtlichen Presse aufgrund des großen und auch überregionalen Interesses an diesem
Thema, ein entsprechender Text unter dem Titel "Zwangsarbeit in Mülheim" veröffentlicht worden. Tatsächlich entspricht der Präsentationsort, insbesondere aber der Textinhalt in keiner Weise der
behaupteten Wichtigkeit und der notwendigen Sensibilität im Umgang mit diesem historischen Kapitel.
- Der Textstandort "Zwangsarbeit in Mülheim" liegt unter "Kultur" und danach "Stadtarchiv" versteckt und ist nur zufällig oder nach intensivem Suchen auffindbar.
- Im Text werden scheinbar sachlich und "wertfrei" ausführlich Begründungen zur "Notwendigkeit" von Zwangsarbeit angeführt ("...akuter Mangel an
Arbeitskräften...,...Aufrechterhaltung der Produktion...,...beschäftigten ...im großen Umfang Zwangsarbeiter, um ihre Aufgaben weiterhin erfüllen zu können..., ...kaum ein Betrieb war ohne
Zwangsarbeiter funktionsfähig...), der schon von der Nazi-Propaganda gerne angeführte Einsatz "...zunächst auf freiwilliger Basis durch Anwerbung..."
, wird nicht hinterfragt übernommen.
- Im weiteren Verlauf des Textes finden sich zwar Informationen über Anzahl und Lagerunterkünfte von Zwangsarbeitern, jedoch wird mit keinem einzigen Wort auf die insbesondere in den Großbetrieben
praktizierten unmenschlichen Arbeitsbedingungen und die dazugehörigen unsäglichen Lebensumstände in den jeweiligen Lagern eingegangen. Lediglich eine unspezifische Aufzählung ganz unterschiedlicher
Lager und Arbeits-Einsatzorte ist zu finden.
- Ähnlich substanzlos und unsensibel werden die in Mülheim zu Tode gekommenen Zwangsarbeiter behandelt. Der Text handelt weder von unzureichenden Schutzbedingungen der Zwangsarbeiter bei
Bombenangriffen, noch von der Beeinträchtigung der Gesundheit z. B. durch körperliche Mißhandlung, von übermäßigen Arbeitsanforderungen, unzureichender Ernährung und miserablen hygienischen
Verhältnissen, ebensowenig von den drakonischen Strafen, einschließlich Todesstrafe, mitunter auch bei geringfügigen Vergehen. Vielmehr wird lapidar vermerkt: "Verstorben sind in Mülheim in
den Kriegsjahren 837 Ausländer, wobei die Todesursachen unterschiedliche waren (alliierte Bombenangriffe, Epedemien u. a.)".
- Im abschließenden Textabschnitt wird die Aufarbeitung dieses Kapitels Mülheimer Geschichte durch Zusammenarbeit mit Firmenarchiven erwähnt, ein ABM-Projekt zum Thema angekündigt, ergänzt durch ein
laufendes Zeitzeugen-Befragungsprojekt und eine angedachte Publikation des Geschichtsvereins auf Grundlage der Aufzeichnungen von Frau Helbach. Trotz dieser sicherlich löblichen Ansätze wird
vergessen oder zumindest mit keinem Wort erwähnt, dass bereits eine Gruppe interessierter Mülheimer Bürger vor ca. 15 Jahren das Kapitel "Zwangsarbeiter in Mülheim" innerhalb einer
Dokumentation und einer noch existierenden Ausstellung zum Thema "Widerstand und Verfolgung in Mülheim" ausführlich behandelt hat. Die dort festgehaltenen bisherigen Erkenntnisse zu diesem
Thema hätten durchaus auch vom Stadtarchiv zu einer angemesseneren Behandlung und Internet-Präsentation dieses Themas, inclusive zahlreicher Dokumente und Aussagen der o. g. Frau Helbach genutzt
werden können.
Insgesamt vermittelt der o. g. Text oberflächlich betrachtet den Eindruck eines aktuellen Sachstandsberichtes zum Tema "Zwangsarbeiter in Mülheim" sowie der offiziellen
Bemühungen um historische und besonders konkrete Aufklärung über betroffene Personen im Zusammenhang mit den Zahlungen aus dem Solidaritätsfonds. Der einseitige Rekurs auf "ökonomische Zwänge der
Kriegswirtschaft", die interessenlose und verfälschende Behandlung der Todesopfer und die völlige Ignorierung der Betroffenensituation entsprechen aber weder der aktuellen politischen und
wissenschaftlichen Umgehensweise mit diesem historischen Kapitel, noch wird hier öffentlich der Eindruck erweckt, dass die Stadt Mülheim sonderlich interessiert an dem Schicksal der Betroffenen und der
Aufklärung hierüber sei. Vielmehr entsteht der Eindruck der geschäftsmäßigen Abwicklung eines Themas, das der Stadt von außen aufgezwungen wurde, als hätte es eine Resolution des Rates hierzu nie
gegeben. L. Reinhard, MBI-Ratsvertreter und D. Luthmann, MBI-Mitglied im Kulturausschuss
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