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BUND aktuell        Juli 2000

Stellungsnahme der BUND Kreisgruppe Mülheim an der Ruhr zum Sammler Hexbachtal

Vor über 20 Jahren war der Kampf um das Hexbachtal schon einmal entbrannt. Damals ging es um eine Autobahn durch das idyllische Hexbachtal an der Grenze zwischen Essen und Mülheim an der Ruhr. Jetzt werden die Bürger von Dümpten und Schönebeck durch Pressemeldungen und massive Abholzungen aufgeschreckt. Die Stadtwerke Essen planen Kanalsanierung und mindestens zwei Regenrückhaltebecken.

Die BUND Kreisgruppe Mülheim an der Ruhr hat den Eindruck, hier soll eine technische Minimallösung auf Kosten natürlicher, intakter und schützenswerter Lebensräume durchgezogen werden. Der Bau des Kanals, der Anschlüsse und der Regenrückhaltebecken stellen einen nachhaltigen Eingriff in die Bachaue des Hexbaches dar. Auch wenn auf Mülheimer Gebiet nur geringfügig gebaut wird, sind erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Auenbereich und seine ökologische Leistungsfähigkeit zu erwarten.

Die Sanierungspflicht der Stadtwerke für den Kanal wird grundsätzlich nicht bezweifelt. Bedenken bestehen jedoch, die technischen Probleme bei Hochwasserereignissen in hochsensiblen Naturschutz- und Erholungsräumen durch störende und ökologisch fragwürdige Rückhaltebecken zu lösen. Intakte Auen sind durchaus in der Lage, Hochwasserspitzen durch die Auengleyböden aufzunehmen. Erst der verstärkt beschleunigte und künstliche Abfluß durch Bodenversiegelung und Kanalisierung der letzten Jahrzehnte hat Probleme erzeugt.

Diese sollen jetzt, typisch nach Art der Gewässerbauingenieure, in einer "end-of-pipe" Lösung zu Lasten von Natur und Landschaft nach dem Prinzip "billiger Jakob" gelöst werden. Überzeugender ist die Lösung des Problems am Ort seiner Entstehung. Versickerungsflächen gibt es auf den Hellweg-Hochflächen genug. Die ständige Wartung der Kunstbecken über die Zufahrten ist eine zusätzliche und überflüssige Störung im empfindlichen Auenbereich. Nach dem "Stand der Technik" werden die Becken wegen Unfallgefahr eingezäunt: eine weitere Störung des Landschaftsbilds. Die Emschergenossenschaft, im Bereich Regenwasserversickerung führend in NRW, hätte hier eine prächtige Aufgabe zu lösen. Erfahrungen hat sie reichlich, und von den Stadtwerken bis zur Kronprinzenstraße sollte es nicht weit sein.

Unsere Meinung: Kostendrückerei zu Lasten intakter Auenbereiche entspricht nicht mehr dem "Stand der Technik", insbesondere im Bereich des Regionalen Grünzug "B" des Emscher Landschaftsparks, der sich hohen Anforderungen an den Umgang mit den letzten Resten intakter Landschaftsteile verpflichtet hat. Insofern ist die Begründung der Maßnahme unter Bezug auf den naturnahen Ausbau von Läppkes Mühlenbach nahezu grotesk. Offenbar sind für die Stadt Essen die IBA-Jahre längst vorbei und das ganze Gerede vom ökologischen Umbau der Emscher-Region gründlich vergessen.

Gewässerausbau und Rückhaltebecken verhindern die natürliche und typische Auendynamik nachhaltig und schränken die Leistungsfähigkeit der Bachaue entscheidend ein. Der geplante Ersatz von Wald auf einer gänzlich entlegenen Fläche in Essen - Überruhr entspricht nicht dem Grundsatz der räumlichen Nähe von Ersatzmaßnahmen sondern der zufällig gegebenen Flächenverfügbarkeit der Essener Stadtwerke. Mit einer solchen Beliebigkeit bei der Auswahl von Kompensationsmaßnahmen darf sich die Stadt Essen nicht zufrieden geben.

Der Beirat bei der ULB Essen hat inzwischen die Planung abgelehnt, Verbände und Initiativen in Mülheim an der Ruhr und Oberhausen werden die Zerstörung des Hexbachtals entschlossen bekämpfen. Der BUND Kreisgruppe Mülheim an der Ruhr wird dabei tatkräftig mitwirken.

Der Arbeitskreis §29 des BUND Kreisgruppe Mülheim an der Ruhr hat sich inzwischen etwas mit dem Landschaftspflegerischen Begleitplan des Grünflächenamtes der Stadt Essen beschäftigen können. Leider hat er ihn nur auf Umwegen und weder durch die Verwaltung noch durch eine der etablierten Parteien zur Verfügung gestellt bekommen. Auch dies wirft ein bezeichnendes Licht auf den Umgang von Politik und Verwaltung mit ihren Bürgern und den Verbänden in diesem Verfahren, - in Essen und in Mülheim an der Ruhr. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit können wir bisher nur folgendes anmerken, Eine genauere Analyse werden wir demnächst vorlegen:

1.Grundsätzlich macht das Papier gar keinen so schlechten optischen Eindruck. Es ist gut im Layout, verfügt über ein Literaturverzeichnis und hat schöne Karten. Leider lassen sich die namenlos gebliebenen Autoren allzu sehr durch technische und betriebswirtschaftliche Vorgaben - insbesondere bei der Variantendiskussion und bei den Vermeidungsmaßnahmen - leiten. Eine ernstzunehmende Diskussion möglicher Varianten findet jedoch gar nicht statt, es werden lediglich einige unrealistische Horrorszenarien vorgestellt, um dann die letzte Lösung als tragbaren Kompromiß aus dem Hut zu zaubern. Vor allem die finanziellen Aspekte dürfen bei der Variantendiskussion zunächst überhaupt keine Rolle spielen. Beispiel: der Staukanal für 3.5 Mio DM aufgerechnet gegen wieviel m² vernichteter § 62- Biotope?

2.Die Datengrundlage, auf die sich der LPB stützt, ist völlig veraltet, unvollständig und teilweise nicht nachvollziehbar. Wesentliche Aussagen beziehen sich auf Untersuchungen von Ant 1978 und Brahe 1977 (KVR: damals Autobahnbau!). Wir haben nichts gegen die Erwähnung „historischer“ Daten. Zur Beurteilung der aktuellen Situation sind sie jedoch ungeeignet. Bei einem Eingriff dieses Umfangs sind eigene und qualifizierte Feldaufnahmen durchzuführen, die pauschale Auswertung des STÖB der Stadt Essen ist wirklich kein hinreichendes Grundlagenmaterial zur Beurteilung der Eingriffstiefe, zumal die Daten extrem aggregiert sind. Das führt dann z.B. dazu, das die Autoren zwar feststellen, der Bestand an seltenen Sauergräsern sei hoch (= Carex vulpina NRW Rote Liste 2 stark gefährdet, - dies würde eigentlich eine Baumaßnahme von vornherein verbieten, zumal wenn nur mit Baukosten argumentiert wird) dies jedoch nirgendwo gewichten oder bewerten. Anschließend wird als zweite Art Carex remota, eine relativ häufige Art unseres Landschaftsraum mit zu den seltenen Arten gezählt. Hier drängen sich leider Zweifel an der fachlichen Qualität der „Gutachter“ auf, Vegetationsbestände zu ermitteln und sachgerecht zu interpretieren.

3.Wir vermissen die sonst in LPBs gebräuchlichen Fachtermini, insbesondere fällt auf, daß kaum wissenschaftliche Pflanzennamen und Namen von Pflanzengesellschaften verwendet werden, zudem ist bei der Datenlage und -beschreibung im Text nicht ersichtlich, von wem die einzelnen Daten stammen. Abgesehen davon, daß für diesen gewaltigen Eingriff die Heranziehung von nur vier pflanzensoziologischen Aufnahmen für ein so großes Gebiet sich jeglicher Kommentierung entzieht. Die in den Tabellen benutzte Terminologie drängt den Verdacht auf, daß die Autoren kaum wissen, was sie da aus den Daten von Ant (1978) abgeschrieben haben. Insgesamt macht die Bearbeitung des Kapitels 1.3 Naturhaushalt eher den Eindruck, als habe man die eher zufällig vorliegenden Daten für den Bereich zusammengeschrieben, ohne eine qualifizierte Gewichtung vornehmen zu können. Die beigefügten LÖBF Kartierungsbögen sind viel zu pauschal, um Grundlage für die Eingriffsermittlung zu sein. Eigene Erhebungen spielen offenbar keine Rolle bei der Beurteilung des Eingriffs. Da aber die zuvor erhobenen Daten ohne Kenntnis der jetzt aktuellen Fragestellung gewonnen wurden, sind die globalen Daten eher belanglos. Sie werden keinem konkreten Standort zugeordnet.

4.Die Status-quo Bewertung der Biotoptypen erfolgt nach Adam, Nohl und Valentin (1986) -natürlich zu niedrig-, die Kompensationsberechung nach Ludwig 1991. Die Vermengung zweier unterschiedlicher Verfahren ist methodisch völlig indiskutabel.

5.Über die Verrechnung des Eingriffs ins Ökokonto der Stadtwerke haben wir heftig gelacht!

6.Der geplante Eingriff stellt eine wesentliche und gravierende Veränderung des Ökosystems Bachaue Hexbachtal dar. Die Störung ist nachhaltig und überflüssig. Eine Befreiung allein nach § 69 und §62 Landschaftsgesetz NRW reicht nicht aus, um einen solchen Eingriff rechtlich zu begründen.

7.Der vorliegende LPB erfüllt nicht annähernd die Anforderungen an prüffähige Planunterlagen. Wir fordern die Behandlung dieses wesentlichen Eingriffs in das Fließgewässer und seiner Aue nach dem Wasserhaushaltsgesetz NRW § 31! Dies wird ein dringend gebotenes Planfeststellungsverfahren (inklusive einer Umweltverträglichkeitsprüfung - UVP) unter Abwägung aller Interessen und Möglichkeiten zur Folge haben. Da Gefahr nicht im Verzuge ist, ist ein erneuter Einstieg in die Lösung des Problems geboten. Die Parteien und die Verwaltungen in den Städten Mülheim an der Ruhr und Essen und die vorgesetzten Behörden werden dringend aufgefordert, die Interessen der Bevölkerung und der Natur gegen die Interessen der Stadtwerke Essen sorgfältig abzuwägen.

8.Es wäre also falsch, mit Schadensminimierung ( Becken nach Mülheim? -vielleicht nur eins? etc.) den Eindruck zu erwecken, als ginge es ohne Rückhaltebecken in der Aue gar nicht. Im sowieso schon stark beeinträchtigten Regionalen Grünzug „B“ darf so nicht mit den letzten besonders geschützten Biotopen nach §62 LG, zum Teil sogar FFH - möglichen Lebensräumen (Filipendulion, Salicion albae usw.) - umgegangen werden! Daher sind auch die Interkommunale Arbeitsgemeinschaft des Grünzugs „B“ und die IBA aufgefordert, diesem Angriff auf den Freiraum und die Lebensraumqualität im Hexbachtal entschieden entgegenzutreten.

BUND Kreisgruppe Mülheim an der Ruhr im Juli 2000