Pressearchiv zu Baganz

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POLITIK

„Der Kandidat steht nicht zur Disposition”

Rückendeckung, aber kein Freibrief: CDU-Parteivorsitzender Andreas Schmidt will wissen, was Stefan Zowislo weiß.

Von Detlef Schönen

Quelle: NRZ Mülheim vom 16. Februar 2009

Der CDU-Vorsitzende Andreas Schmidt hat sich gestern hinter seinen OB-Kandidaten Stefan Zowislo gestellt. „Der Kandidat steht nicht zur Disposition", sagte Schmidt auf Anfrage der NRZ. Einen Freibrief mochte der Bundestagsabgeordnete Zowislo allerdings auch nicht ausstellen. Schmidt sagte, er habe vorab keine Kenntnis darüber gehabt, dass Zowislo den Ex-OB Jens Baganz als Wirtschafts-Staatssekretär in Düsseldorf für untragbar erklärt und eine Aufklä¬rung aller Vorgänge um die einstige Beraterin Ute Jasper fordert. Der Parteichef will heute Gespräche in dieser Angelegenheit führen. Dabei müsse Zowislo auch sagen, auf welche Fakten er sich stützt und ob weitere zu erwarten sind.

In eine ähnliche Richtung zielt auch die MBI. Die wandte sich gestern direkt an Zowislo und legte einen Fragenkatalog vor. Weil der bis zum Rücktritt von Baganz im November 2002 ein enger Mitarbeiter gewesen sei, könne doch sicher erklä¬ren, warum er erstens nicht früher tätig geworden ist und was er selbst von der Vergabe der Beraterverträge wisse. Immerhin, so beklagen es Hans-Georg Hötger und Lothar Reinhard, habe die MBI seit 2002 allein vor einer Mauer des Schweigens gestanden.

Auch der OB-Kandidat der FDP, Christan Mangen, glaubt, dass Zowislo mehr über die Baganz-Zeit weiß als er bisher gesagt hat. Dennoch sei das Thema als Wahlkampf-Munition ungeeignet, findet Mangen. Er befürchtet, dass »eine Schlammschlacht" losbrechen könnte. Mangen forderte mehr Besonnenheit und hält die Einleitung juristischer Schritte durch OB Mühlenfeld für voreilig. — SEITE 3


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KOMMENTAR

Keil in die CDU

Für Stadtdirektor Dr. Frank Steinfort (CDU) - damals Interimschef im Rathaus - stand im Januar 2003 fest: "Kein Schaden für die Stadt, kein Anhalt für strafbares Handeln". Die Staatsanwaltschaft schloss die "Akte Baganz". ...

Von Frank Meßing

Quelle: WAZ Mülheim vom 16. Februar 2009

... Beide teilten nicht die Zweifel des Rechnungsprüfungsamtes daran, dass die Stadtspitze ohne Ausschreibung Beratungsaufträge an die Kanzlei von Dr. Ute Jasper vergab, zu der der damalige OB im Laufe der Zeit eine außereheliche Beziehung aufbaute. Mit breiter Mehrheit erteilte der Rat Baganz nach dessen Rücktritt die Entlastung.

Nun schwingt sich der "Königsmacher" Zowislo auf, Baganz Korruption vorzuwerfen und kündigt Beweise an. Mit seiner Strategie treibt er zuallererst einen tiefen Keil in seine eigene Partei - die Union: Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wird nicht amüsiert sein, dass er Ratschläge aus Mülheim bekommt, seinen Staatssekretär zu feuern. CDU-Chef Andreas Schmidt wird bei der anstehenden Bundestagswahl belastet. Und Jörg Dehm, der ehemalige Baganz-Referent, der wie Ulrich Ernst laut Zowislo Dinge unter den Teppich gekehrt haben soll, tritt als OB-Kandidat in Hagen an. Er muss nun um seine Erfolgsaussichten fürchten.


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CDU-OB-Kandidat erhebt Korruptionsvorwürfe gegen Baganz

Zowislo soll alle Karten auf den Tisch legen

Der CDU-Oberbürgermeister-Kandidat Stefan Zowislo fordert die Abberufung seines Parteikollegen und NRW-Wirtschaftsstaatssekretärs Dr. Jens Baganz und löst damit eine heftige politische Debatte aus.

Von Frank Meßing

Quelle: WAZ Mülheim vom 16. Februar 2009




Zowislo, Baganz

Der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen SPD, Michael Groschek, forderte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) auf, dafür zu sorgen, dass sich Baganz "in seiner Regierung aktiv an der Aufklärung" beteilige und die "ganze Wahrheit" gestehe. Der ehemalige Mülheimer Oberbürgermeister müsse "alle Karten auf den Tisch legen, bevor sein Parteifreund Zowislo ihn entlarvt."

Die Mülheimer Bürger Initiativen, die auf ihrer Homepage ein ganzes Baganz-Dossier angelegt haben ( http://www.mbi-mh.de/  ), richten einen detaillierten Fragenkatalog an Zowislo: "Da Sie in der Baganz-Zeit in Mülheim zu seinen engsten Mitarbeitern zählten, wissen Sie sicherlich Genaueres", vermuten MBI-Vorsitzender Hans-Georg Hötger und Fraktionschef Lothar Reinhard.

Die beiden MBI-Politiker wollem vom CDU-OB-Kandidaten wissen, wer die "korruptionsspezifischen Anhaltspunkte" seinerzeit "vertuscht" habe und warum Zowislo die Verdachtsmomente nicht früher aufgeklärt habe. Und sie stellen die Frage: "Was wissen Sie von Spenden durch Trienekens an Mülheimer Parteien, Personen oder Vereine im Vorfeld der Privatisierung von Müllabfuhr und Straßenreinigung ohne Vergabeverfahren?"

Der FDP-OB-Kandidat Christian Mangen ist der Auffassung, dass Zowislo "sein Wissen schon viel früher bekannt geben müssen". Das Thema Baganz zum Wahlkampf zu nutzen, hält er für falsch. Mangen: "Ich werde mich jedenfalls an Schlammschlachten nicht beteiligen. Auch Frau Mühlenfeld solte ersteinmal besonnen reagieren und nicht sofort nach juristischen Mitteln rufen. Ich wünsche mir einen sachlichen Wahlkampf, befürchte aber jetzt, dass mit Dreck nur so umsich geworfen wird."

Als CDU-Kreisgeschäftsführer hatte Zowislo Baganz 1999 zum Wahlsieg verholfen. Er galt als enger Vertrauter des Oberbürgermeisters. Zowislo wurde Leiter des Kommunikationsamtes und später Geschäftsführer der MST. Heute arbeitet er als Marketingchef der WAZ-Medienpruppe.


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Update 1: Mülheimer Explosionen erschüttern CDU-Chef Rüttgers

Gestern hat der Mülheimer CDU-Oberbürgermeisterkandidat Stefan Zowislo für Aufregung gesorgt. Er hat angekündigt, die Wahrheit über den Rücktritt von Jens Baganz zu enthüllen. Dabei spielt eine Frage eine große Rolle: Warum tut er das?

Von David Schraven

Quelle: ruhrbarone vom 14. Februar 2009




Baganz steht rechts

Ich habe mit Stefan Zowislo gesprochen. Er sagt, er will für einen sauberen Umgang in der Stadt stehen. Er will sich dafür einsetzen, dass es ehrlich und offen zugeht. Und wenn er das erreichen will, müsse er eben bei sich selber anfangen. „Natürlich müsste ich mir die Frage stellen lassen, wie meine Rolle im Baganz-Fall aussah. Deswegen habe ich mich entschlossen, diese Frage selber zu stellen.“ Das sagt Stefan Zowislo. Bevor er die Probleme in der Stadt angehen kann, will er seine eigenen Probleme angehen.

Bis jetzt ist schon einiges bekannt aus dem Fall Baganz. Konsequenzen gab es bis auf den Rücktritt des damaligen Oberbürgermeisters nicht.

Im Kern hatte Baganz seiner Geliebten Aufträge zugeschanzt und sich mit ihr in Hotels getroffen, während seine Frau mit den Kindern zu Hause saß. Es ging um den Verkauf von städtischem Eigentum: zum Beispiel der Deal mit dem RWE um die Wasserwerke RWW oder den Teilverkauf der Müllheimer Entsorgungsbetriebe an Trienekens. Immer dabei Baganz und seine Geliebte.

Nach seinem Rücktritt sah es zunächst aus, als wollten SPD und Grüne wissen, was genau vorgegangen war. Doch die Aufklärung war tatsächlich mau. Bis heute wird der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes zum Fall B. geheim gehalten. Nur soviel ist sicher: Die Prüfer fanden „korruptionsspezifische Indikatoren”. Und sie empfahlen eine Strafanzeige.

Das war’s. Die städtische Spitze lehnte eine Anzeige ab, wusch sich die Hände und Ende. Die Staatsanwaltschaft Duisburg stellte alle Ermittlungen ein - unter anderem, weil die Stadt keine Strafanzeige gestellt hatte.

Baganz selbst bestreitet auch heute noch jede Untat. Alles nur Gerede, das sich selbst entlarvt und nichts zu bedeuten hat. Genauso weist er die Anschuldigungen von Zowislo zurück.

Dabei kann man damit rechnen, dass sich der heutige Mülheimer Oberbürgermeister auskennt. Als Baganz noch Stadtchef von Mülheim war, war Zowislo als sein enger Vertrauter an vielen Entscheidungen beteiligt.

Und als Ex-Insider wundert sich Zowislo nicht, dass Baganz und die heutige Stadtspitze keine Probleme sehen: Die Leute, die selbst an der Nummer beteiligt waren, wollten sich halt nicht selbst vor Gericht bringen. Ganz vorne mit dabei neben Baganz:

  • der CDU-Mann Frank Steinfort, Stadtdirektor und Rechtsdezernent, damals enger Mitarbeiter von Baganz,
  • Ulrich Ernst (SPD), damals ein Mann der Stunde in Baganaz Umfeld, oft mit dabei, wenn es um Entscheidungen ging, dann Bürochef (in Mülheim großspurig Stadtkanzleichef genannt) von Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) und heute Sozialdezernent der Gemeinde
  • Jörg Dehm, damals persönlicher Referent von Baganz und heute Kämmerer in Dinslaken.

Diese Kombo hat noch nicht aufgegeben. Seit gestern prüft Steinfort im Auftrag der Stadt, ob er gegen Zowislo juristische Schritte einleiten kann – welche auch immer.

Diese Spur will ich jetzt nicht vertiefen. Ich will etwas anderes fragen.

  • Warum kann sich Zowislo diesen nie gesehenen Affront überhaupt erlauben?
  • Warum traut er sich, einen amtierenden Staatssekretär aus der eigenen Partei anzugreifen, zumal bekannt ist, wie wütend CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers über Querschläger in der eigenen Partei werden kann.

Wenn Leute aus der CDU-Führung in Düsseldorf heute in Mülheim nach Antwort auf diese Fragen suchen, werden sie das hier finden.

Jens Baganz hat die Erde an der Ruhr verbrannt.

Ich bin mir sicher, kein CDU-Mann aus der ersten Mülheimer Reihe wird ein gutes Wort an Baganz lassen. Es geht zum einen um möglicherweise kriminelle Hintergründe.

Dann geht es aber auch um die persönliche Integrität des Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium. Und was man hört, ist nicht freundlich.

In seiner Zeit als Oberbürgermeister lebte Baganz als evangelischer Presbyter mit Frau und zwei Kindern in einer geräumigen Villa. Bieder könnte man sagen. Andere meinten, die Familie habe den Kennedys von der Ruhr geglichen.

Damals sollten 49 Prozent der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft verkauft werden. Ein Abnehmer stand bereit. Die mittlerweile berüchtigte Trienekens AG aus Viersen übernahm am 30. September 2000 genau 49 Prozent an der MEG.

Nach einem Bericht des Mülheimer Rechnungsprüfungsamtes war das ein dubioser Deal, ganz im Filzmuster der rheinländischen Müllskandale von Köln und anderswo.

Der Reihe nach: Laut Bericht hat die Stadt Mülheim die Düsseldorfer Anwaltskanzlei Heuking, Kühn und Partner mit der rechtlichen Beratung bei dem Müllgeschäft beauftragt. Allerdings, so die Rechnungsprüfer, habe es keine Ausschreibung für den Beratervertrag gegeben. Weiter bemängeln die Prüfer, dass nicht einmal ein Vertrag über die Beratung „vorgelegt“ werden konnte.

Vertreten wurde die Kanzlei im Trienekens-Geschäft unter anderem von der Anwältin Ute Jaspers.

Frau Jaspers vertrat die Stadt laut Prüfbericht auch am 15. Juni 2000 vor der Vergabekammer der Bezirksregierung als „Verfahrensbevollmächtigte der Stadt“.

Pikant dabei: Jaspers wurde in etwa dieser Zeit die Geliebte des damaligen Mülheimer Oberbürgermeisters Baganz, wie sich Vertraute des Pärchens erinnern.

Auch gut. Aber es geht mieser. Man würde erwarten, dass die Stadt ihre Rechtsberater Heuking, Kühn und Partner bezahlt.

Doch genau das passierte nicht.

Vielmehr beglich Trienekens die Beratungskosten der Stadt. Dazu rechnete der Müllmanager nach einer Kostennote vom 29. September 2000, die im Besitz der Stadt ist, 316.922 Euro direkt mit der Kanzlei der Baganz-Geliebten ab.

Im Klartext: Müllmann Trienekens bezahlt die Baganz-Geliebte, damit diese ihren Geliebten dabei berät, wie er städtische Betriebe an Trienekens verkauft. Und obendrauf sitzt die betrogene Frau mit den Kindern zu Hause und ahnt nichts.

Integer geht anders.

Als die Nummer bekannt wurde, verließ Baganz seine Familie. Nach kurzer Schamfrist zog er mit seiner Geliebten in eine geräumige Villa mit Rheinblick und Treppengiebel. Ganz tief versteckt hinter den anonymen Mauern des Düsseldorfer Reichenvorortes Wittlaer.

Die verlassene Frau mit den Kindern zog in eine Mülheimer Etagenwohnung. Baganz sorgte nicht besonders gut für sie.

Stattdessen gab es Streit vor Gericht. Der in einer Rheinvilla lebende Baganz forderte von seiner Ex-Frau Unterhalt. Angeblich insgesamt 2000 Euro. Sich selbst rechnete Baganz in diesem Streit fast mittellos. Die Luxuswohnung habe schließlich seien Geliebte gemietet. Das ganze wurde öffentlich.

Einem großen Skandal entging der damals schon als Staatssekretär vereidigte Baganz trotzdem um Haaresbreite. Die Bild-Zeitung hatte einen dicken Patzer gemacht und geschrieben, der Unterhalt wäre jeden Monat zu zahlen. Das war Unsinn, es ging nur um einen Betrag. Juristen stoppten die Veröffentlichungen.

Die Ex-Frau von Baganz leidet. Sie wurde in ihrer Etagenwohnung gedemütigt. Von ihrem damaligen Mann, der mit seiner Geliebten in einer Villa lebte.

Aber damit ist nicht Schluss. Baganz ärgert seine Ex-Frau weiter, auch heute noch. Oft geht es um Kleinigkeiten, wie man hört.

Fast jedes CDU-Mitglied in Mülheim weiß das.

Das ist der Grund, warum die CDU-Spitze in NRW bei ihre Nachfragen hören wird, dass Baganz in Mülheim keine Freunde hat. Und Stefan Zowislo handeln kann, wie er handelt. Es geht ihm, wie gesagt, um politische Integrität.

Ein Mitglied des CDU-Landesvorstands hat mir mal gesagt: "Es war Irrsinn, Baganz in die Regierung zu holen." Und der damalige CDU-Fraktionschef in Mülheim, Paul Heidrich meinte: „Ich hätte dringend davon abgeraten, ihn zu berufen.“

Aber offensichtlich wurde niemand in Mülheim gefragt, was von Baganz zu halten sei.

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) muss jetzt die Folgen ertragen oder handeln.


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POLITIK

Zowislo spricht von Korruption

Was passierte vor über sechs Jahren im Rathaus? OB-Kandidat fordert den Rücktritt seines Parteifreundes Jens Baganz.

Von Detlef Schönen

Quelle: NRZ Mülheim vom 14. Februar 2009

Bild: nrz  
 

Es war als Paukenschlag gedacht und es hatte die gewünschte Wirkung: „Die Person des heutigen Staatssekretärs im nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium, Dr. Jens Baganz, belastet bis heute die politische Kultur der Stadt Mülheim an der Ruhr.” So steht es in einer Presseerklärung, die der OB-Kandidat Stefan Zowislo am Freitag Nachmittag verbreitete und dass er wie Baganz der CDU angehört, ist nicht die einzige Sprengkraft, die das Papier hat. Baganz' Wirken, seine Privatisierungs-Offensive, sein Liebesverhältnis zu einer Beraterin, sein Rücktritt 2002 und „korruptionsspezifische Hintergründe” - all das sei nie wirklich aufgearbeitet worden, auch nicht von OB Dagmar Mühlenfeld (SPD): „Nun”, sagte Zowislo, „bleibt dies mir überlassen.”

Es dauerte nur Stunden, bis die ersten geharnischten Reaktionen eintrafen. Zowislo sei Baganz' „linke und rechte Hand” gewesen und als Aufklärer ungeeignet, schäumten SPD-Parteichef Frank Esser und Fraktionschef Dieter Wiechering und erklärten „den Fall Baganz zum Fall Zowislo”. Der habe Informationen „wie kein anderer in der Stadt”.

Rasch war auch die Stadtverwaltung mit rechtlichen Schritten gegen Zowislo zur Stelle. Von Verunglimpfung ist die Rede und davon, dass nach Baganz' Rücktritt „Verwaltung und Politik „umfangreiche Aufklärungsarbeit” geleistet hätten. Ergebnis: kein Ergebnis. Alle Ermittlungen wurden eingestellt, „keine Frage blieb ungestellt”. Und überhaupt sei es nicht richtig, dass der heutige Sozialdezernent Ulrich Ernst (SPD) als Baganz' Referent später daran beteiligt gewesen sei, alle Verdachtsmomente unter den Teppich zu kehren.

Zowislo selbst versteht die Aufregung nicht ganz. Seit er von der CDU auf den Schild gehoben wurde, habe er überall gesagt, dass „die Geschichte Baganz aufgeklärt werden müsse”. Er werde daher in Kürze weitere Auskünfte geben.

In denen dürfte es weniger um neue Fakten als um die neue Deutung bekannter Fakten gehen. Etliches ist bekannt und unstrittig:

Knapp 600 000 Euro Honorar erhielt die Kanzlei der Juristin Ute Jasper von Mai 2000 bis November 2002 von der Stadt.

Beratungsgegenstand waren Privatisierungsfragen, zum Beispiel der Verkauf der Anteile am RWW und der Teilverkauf der MEG an Trienekens.

Im November 2002 trat Baganz zurück. Offizielle Begründung des Familienvaters: Seine außereheliche Beziehung zu Jasper, die wegen der Schwangerschaft der Juristin kaum noch zu verbergen war.

Richtig ist auch: Danach wurde geprüft. SPD und Grüne wollten wissen, was genau vorgegangen war. Allerdings erwarte er nicht, dass Unregelmäßigkeiten gefunden würden, sagte Wiechering damals gleich dazu. Eine Einschätzung, die er vor einem Jahr in der NRZ bedauerte: Heute würde er „manches anders machen”. Immerhin, Wiechering kennt, wie wenige andere, den bis heute geheimen Bericht des Rechnungsprüfungsamtes. Der hatte Anfang 2003 ausgemacht, was Zowislo fast wortgetreu zitierte: „korruptionsspezifische Indikatoren”. Die Prüfer empfahlen eine Strafanzeige, weil das Auftrags- mit dem Liebesverhältnis nicht geendet hatte. Der Bericht ging damals handverlesenen Politikern, höchst ungewöhnlich, nur angereichert durch eine Stellungnahme der Verwaltungsspitze zu, die ihren Kontrolleuren „juristische Kompetenz” absprach und sich selbst rechtmäßiges Handeln bescheinigte.

Kein Wunder, bereits am 5. Dezember 2002, zwei Wochen nach Baganz' Rücktritt und lange vor den Rechnungsprüfern, kam die Verwaltungsspitze in einer nichtöffentlichen Vorlage an den Stadtrat zu dem Schluss, dass sich die Korrektheit des Vorgehens „erwartungsgemäß bestätigt hat”. Unterzeichnet: „Dr. Frank Steinfort”, CDU-Mitglied, Stadtdirektor und Rechtsdezernent - und seit gestern damit beauftragt, gegen Zowislo juristische Schritte einzuleiten.

Tatsächlich hatte die Staatsanwaltschaft 2003 alle Ermittlungen eingestellt, auch, weil die Strafanzeige der Stadt nie einging. Die Bezirksregierung erkannte „keine aufsichtsrechtliche Relevanz” und der Rat entlastete Baganz schließlich für seine Amtszeit.

Zowislo hält das alles für wenig aussagekräftig, weil außer Baganz alle handelnden Personen weiter im Amt waren und „über sich selbst zu Tisch gesesssen haben”. In Person meint er Baganz' persönlichen Referenten Jörg Dehm, heute Kämmerer in Dinslaken, aber auch Ernst, ab 2003 Mühlenfelds Kanzleichef und heute Sozialdezernent, den er mit Dehm im „Referenten-Duo” sieht. Diese Funktion hatte Ernst bei Baganz nie, gleichwohl zählte der SPD-Mann ab 2001 zum Führungskreis von Baganz; „von Fall zu Fall” dazugeholt, wie Ernst einmal gegenüber der NRZ sagte.

Zowislo selbst war als ehemaliger Parteigeschäftsführer bis März 2001 dicht an Baganz' Seite, bevor er Geschäftsführer der MST und 2004 Marketingchef der WAZ-Mediengruppe wurde.

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Tranzparenz im Rathaus

Sechsstellige Beratertantiemen, für die keine erkennbare Gegenleistung erfolgte, Kunde-Geschenke an Vorstände, um die Einschätzung der Kreditwürdigkeit positiv zu beeinflussen - die Sparkassen-Affären in Köln und Düsseldorf haben den Landtag alarmiert. CDU und FDP wollen ein Anti-Klüngelgesetz auf den Weg bringen. Bei öffentlichen Unternehmen - wie etwa Sparkassen - sowie Gesellschaften, in denen beispielsweise die Stadt die Mehrheitsanteile besitzt, sollen die Vergütungen der Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte veröffentlicht werden. Das Ziel: mehr Transparenz und Kontrolle.

In diese Richtung zielten auch Anfragen der MBI in der Ratssitzung am Donnerstag, in der sie nach Maßnahmen bei städtischen Beteiligungen und Gesellschaften in Sachen Korruptionsvorbeugung und Transparenz nachfragte. In seiner Antwort wies Stadtkämmerer Uwe Bonan daraufhin, dass beispielsweise die Einhaltung des 4-Augen-Prinzips sowie entsprechende Schulungen In den Unternehmen eine Prävention sicherstellten. Außerdem würden im Rahmen der Jahresabschlussprüfung unabhängige Wirtschaftsprüfer eingeschaltet. Zur Transparenz gehöre, dass über alle wesentlichen Beteiligungsangelegenheiten der Rat entscheide. Zudem besäße das Stadtparlament ein umfassendes Informationsrecht. (hell)

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„Das war's, Jungs“

OB Jens Baganz trat im November 2002 nach Baby-Affäre zurück. Staatsanwalt: Kein Korruptionsverdacht

Von Frank Meßing

Quelle: WAZ Mülheim vom 14. Februar 2009

Noch am 15. November 2002 hatte Dr. Jens Baganz angekündigt, er trete für eine zweite Amtszeit als Oberbürgermeister an. Sieben Tage später erklärte er seinen Rücktritt.

Der CDU-Politiker begründete seine Entscheidung mit der privaten Beziehung zu der Gutachterin Dr. Ute Jasper, die ein Kind von ihm erwartete. „Diese Beziehung konnte den Anschein erwecken, als wenn sie die Ursache für die Beauftragung der Rechtsanwältin gewesen wäre. Da allein dieser Anschein zur Diskussion in Politik und Öffentlichkeit führen konnte, war mir ein weiterer Verbleib im Amt nicht mehr möglich”, begründete Baganz seinen Rücktritt.

Mit den Worten „Das war's Jungs”, verließ der OB die Krisenrunde mit seinen Parteifreunden Andreas Schmidt, Jörg Dehm und Stefan Zowislo. Die Zweifel, ob hinter dem Amtsverzicht nicht mehr stecken könnte, hielten sich – bis heute. Denn immerhin fielen in Baganz' Regentschaft so wegweisende Entscheidungen wie die Teilprivatisierung der Müllabfuhr und der Verkauf der städtischen RWW-Anteile an RWE. Millionen- Transaktionen, die Jasper begleitete und die politisch umstritten waren.

„Es darf kein Quäntchen Misstrauen zurückbleiben”, forderte FDP-Fraktionschefin Brigitte Mangen. Alle Fraktionen und Verwaltungschef Frank Steinfort (CDU) schlossen sich an. Der Rat beauftragte das Rechnungsprüfungsamt, die Vergabe der 50 Gutachter-Aufträge – zwölf davon an Jasper – während der Baganz-Ära zu überprüfen.

Zunächst gab es Anfang Dezember einen Bericht des Rechtsamts. Das Ergebnis: Der Stadt sei durch die Auftragsvergaben kein Schaden entstanden. Mitte Januar 2003 las das Rechnungsprüfungsamt der damaligen Verwaltungsspitze schon mehr die Leviten: Durch die „enge, persönliche Beziehung” von Baganz zu Jasper habe ein „Interessenkonflikt” bestanden. „Sowohl aus vergaberechtlicher Sicht als auch aus Sicht der Korruptionsprävention besteht in Fällen derartiger Befangenheit eine rechtliche Pflicht, von einer Beauftragung abzusehen”. Das Amt stellte Verstöße gegen das Vergaberecht fest und monierte, dass die Jasper-Kanzlei „quasi in die Rolle eines Hoflieferanten” gekommen sei. Eine vollständige Aufklärung erwarte man von der Staatsanwaltschaft. Die schloss im Mai 2003 die Akte Baganz: „Es gab keine konkreten Anfangsverdachtsmomente zu korruptivem Verhalten”, erklärte sie.


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Politische Belastung

Der CDU-OB-Kandidat Stefan Zowislo hält die Zeit für reif: Er will noch vor der Wahl den „Fall Baganz“ aufklären. Er sagt: Der Rücktritt hatte korruptionsspezifische Hintergründe. Stadt prüft rechtliche Schritte

Von Andreas Heinrich

Quelle: WAZ Mülheim vom 14. Februar 2009

Bild: waz  
 



Damals noch ein Team: Stefan Zowislo, einst Amtsleiter Kommunikation, und der Oberbürgermeister Jens Baganz im Jahr 2002. Heute hält man nicht mehr viel voneinander

Die Vergangenheit kehrt zurück: Völlig überraschend kündigte der OB-Kandidat der CDU, Stefan Zowislo, an, noch vor der Kommunalwahl den „Fall Baganz” aufzurollen und sämtliche Vorgänge um den Rücktritt des damaligen CDU-Oberbürgermeisters im Jahr 2002 zu erläutern.

„Sein Mülheimer Rücktritt”, so Zowislo, „geschah nicht, wie allzu oft kolportiert, wegen eines bloßen Verhältnisses. Der Rücktritt hatte korruptionsspezifische Hintergründe.”

Richtung Landtag fordert Zowislo, die Berufung von Baganz (CDU) zum Staatssekretär im NRW-Wirtschafts ministerium rückgängig zu machen. Zugleich erhob er schwere Vorwürfe, unter anderem gegen den heutigen Sozialdezernenten der Stadt Ulrich Ernst. Das Rechtsamt der Stadt wurde gestern abend von der Oberbürgermeisterin beauftragt, rechtliche Schritte gegen Stefan Zowislo wegen Verunglimpfung oder übler Nachrede zu prüfen.

Warum jetzt, fragen sich viele im Rathaus, aber auch in der Partei selbst. Die Antwort: Zowislo, der als CDU-Kreisgeschäftsführer für Baganz den Wahlkampf managte und später sein Kommunikations-Chef im Rathaus war, hält die Zeit für reif. Korruptionsvorwürfe und mangelnde Transparenz stünden landesweit auf der Tagesordnung ebenso wie zweifelhafte Beraterverträge. Dazu sei in diesen Tagen ein Bau- und Verkehrsminister zurückgetreten und die Furcht ist bei dem Mülheimer da, dass der Staatssekretär weiter nach oben fallen könnte.

Bis heute seien in Mülheim die Korruptions-Hintergründe von einst nicht ausgeräumt, bis heute belaste der Fall Baganz die politische Kultur in der Stadt. Zowislo will Vergangenheitsbewältigung betreiben, zeigen, wo er steht. „Ich will eine politische Bühne mit einem sauberen Umfeld betreten” , sagt er. An Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld ist der Vorwurf gerichtet, alle Zeit dazu gehabt zu haben, die Dinge transparent zu machen. Nun bleibe es ihm überlassen.

Rückblick: Über Nacht war Baganz zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, dass er mit der Rechtsanwältin Ute Jaspers eine Verhältnis hatte und sie zusammen ein Kind erwarteten. Die Anwältin hatte die Stadt in mehreren Privatisierungsvorgängen gegen Honorar beraten.

Baganz selbst wollte gestern zu den Vorwürfen nichts sagen. Nur: „Die Vorgehensweise disqualifiziert sich selbst.”

Vorwürfe erhebt der OB-Kandidat auch gegenüber den damaligen Beratern von Baganz. Dazu zählt er den heutigen Kämmerer von Dinslaken, Jörg Dehen (CDU), und eben den Mülheimer Sozialdezernenten Ulrich Ernst. Beide sollen damals den vom Rechnungsprüfungsamt geäußerten Korruptionsverdacht „unter den Tisch gekehrt haben”, und das in Absprache mit der Anwältin Jaspers. All das, so Zowilso, beschwere die Stadt. Er kündigte an, in Kürze ausführlich über den „Fall B” Auskunft zu geben.

Fassungslosigkeit herrschte gestern nachmittag im Rathaus. Von schweren Beschuldigungen war die Rede, von „das geht unter die Gürtellinie”, von „völlig geschmacklos”. In einer offiziellen Stellungnahme heißt es: Zowislo äußere Verdächtigungen, lege aber keine Beweise vor. Die Vorwürfe, dass ein Referenten-Duo und der damalige Oberbürgermeister Korruption betrieben und Beweise unter den Tisch gekehrt hätten, werden entschieden zurückgewiesen. Die Stadtspitze verweist auf umfangreiche Aufklärungsarbeit: „ Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden eingestellt, dem ehemaligen OB durch den Rat Entlastung erteilt.” Der heutige Sozialdezernent Ernst sei zudem mit den Vorgängen gar nicht befasst gewesen.

Der CDU-Kreisvorsitzende Andreas Schmidt, war ebenso überrascht wie die CDU-Fraktion: „Dieses Papier ist mit der CDU nicht abgestimmt, von der CDU in Mülheim gibt es keine Rücktrittsforderung an die Landespolitik.”

Für die SPD war Zowislo derjenige, der einst in alle Vorgänge um Baganz eingeweiht war, derjenige, „der alles wusste, der alle Deals einstielte. Warum klärte der Kandidat nicht schon früher auf?”, fragen der UB-Vorsitzende Esser und der Fraktionschef Wiechering. Für sie ist und war Zowislo „Teil des Problems – und kaum der Aufklärer”.


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Mülheimer Explosionen erschüttern Wirtschaftsministerium NRW

Es geht um einen der ganz großen in NRW. Einen Hoffnungsträger. Einen, der sich anschickt als Krisenmanager politische Karriere zu machen. Die Rede ist von Jens Baganz (CDU), dem Staatssekretär von Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Gerade noch hat er die Gespräche zur Rettung der Aluminiumhütte Neuss geleitet, da muss er sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen. Denn hier lauert im Leben von Jens Baganz ein politischer Skandal, der immer noch nicht aufgearbeitet ist. Es geht um Aufträge, die Baganz als damaliger Oberbürgermeister von Mülheim an seine Geliebte aus der Stadtkasse vergeben hat. Gut 18 Monate lief das Verhältnis zwischen der Rechtsanwältin und dem Politiker, bevor alles aufflog. Baganz trat zurück und der Mantel des Schweigens legte sich über die Affäre.

Von David Schraven

Quelle: ruhrbarone vom 13. Februar 2009

Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers ernennt Dr. Jens Baganz.  Foto: Landespresse- und Informationsamt

Doch nun bricht dieser Skandal mitten im Kommunalwahlkampf wieder auf. Das, was vergessen werden sollte, wird nun erinnert.

Ich halte den Mülheimer Kommunalwahlkampf schon seit langen zusammen mit dem in Dortmund für den spannendsten im Ruhrgebiet. Hier tritt mit Dagmar Mühlenfeld eine denkbar schwache SPD-Oberbürgermeisterin der alten Kaderschule gegen einen besonders talentierten CDU-Mann an. Stefan Zowislo ist einer der wichtigsten Vordenker von schwarz-grün im Land. Er steht für Offenheit, Modernität und Aufbruch.

Eigentlich gibt es nur einen Punkt in der Vergangenheit von Zowislo, der Angriffspotential geboten hätte. Und zwar war Zowislo in der Mülheimer Zeit von Baganz einer der führenden CDU-Männer in der Stadt. Er galt als Architekt der Macht von Baganz. Er war einer von ganz wenigen Männern, die den Rücktritt von Baganz hautnah miterlebt haben. Und man hätte ihn der Mitwisserschaft verdächtigen können.

Doch genau damit will Zowislo aufräumen, bevor es zu einem Angriff auf ihn kommt. Er will den Skandal von damals aufklären. Und offen legen, wie die Nummer mit den Aufträgen an die Geliebte damals wirklich gelaufen ist. Vor wenigen Minuten erreichte mich folgendes Schreiben, dass wahrscheinlich bei Baganz, im Wirtschaftsministerium und wahrscheinlich auch in der Staatskanzlei von Jürgen Rüttgers für Aufmerksamkeit sorgen wird.

Weil so ein Schreiben in meiner Erinnerung noch nie im Ruhrgebiet veröffentlicht wurde, will ich das hier tun. CDU-Oberbürgermeisterkandidat Stefan Zowislo kündigt einen Enthüllung an.

  Obskure Beraterverträge, vermehrte Korruption und mangelnde Transparenz stehen in diesen Tagen verstärkt im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

  Stefan Zowislo, Kandidat der CDU Mülheim an der Ruhr für das Amt des Oberbürgermeisters, möchte vor diesem Hintergrund die Aufmerksamkeit auf einen Fall lenken, der als vermeintlich abgehakt gilt, aber dennoch hohes politisches Interesse genießen sollte.­

 Es handelt sich um den „Fall Baganz“ in Mülheim an der Ruhr, der weit über die Stadtgrenzen hinaus politische Wellen geschlagen hat. Die Person des heutigen Staatssekretärs im nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium, Dr. Jens Baganz, belastet bis heute die politische Kultur der Stadt Mülheim an der Ruhr.

 Baganz war von 1999 bis November 2002 Oberbürgermeister der Stadt. Er trat „über Nacht“ zurück, nachdem bekannt wurde, dass Baganz seit über 1 ½ Jahren mit der Rechtsanwältin Dr. Ute Jasper ein intimes Verhältnis unterhielt; die Geburt eines Kinder stand bevor.

 Zugleich war die Anwältin in diesem gesamten Zeitraum mit den zahlreichen Privatisierungsvorhaben der Stadt betraut, hatte dafür (eine später auch immer wieder genannte) Honorarsumme von 1,4 Millionen Euro erhalten – weitgehend ohne Einzelnachweise, ohne Ausschreibung, dafür mit zahlreichen Folgeaufträgen, wie der Journalist Werner Rügemer für seine WDR-Sendung „Das große Schweigen“ im März 2006 recherchiert hat.

 Der ausgesprochen schnelle Rücktritt von Baganz nach dem Bekanntwerden der Angelegenheit war m. E. zum damaligen Zeitpunkt unabänderlich, um so weiteren Schaden vom Amt des Oberbürgermeisters und der Stadt Mülheim an der Ruhr abzuwenden.

 Zugleich hat dieser schnelle Rücktritt aber auch die Aufklärung verhindert.

 Durch die Berufung von Baganz zum Staatssekretär wurden die Dinge wieder virulent.

 Leider haben verschiedene Aufklärungsversuche insbesondere im Jahr 2006 nichts gefruchtet; dazu gehörte u.a. die erwähnte WDR-Sendung sowie diverse Journalisten-Recherchen, die zudem Gründe genug hatten, auch das Privatleben von Baganz unter die Lupe zu nehmen.

 Ich habe seit Beginn meiner „OB-Kandidaten-Zeit“ im Januar 2008 immer wieder angekündigt, dass ich das nicht-aufgeklärte Baganz-Ende für eine Belastung der politischen Kultur halte.

 Der vom Mülheimer Rechnungsprüfungsamt diagnostizierte „korruptionsspezifische Indikator“ wurde vom ehemaligen Referenten-Duo des Oberbürgermeisters Baganz – das zentral an allen Absprachen mit der Rechtsanwältin Jasper beteiligt war – unter den Tisch gekehrt; so konnte der eine anschließend Stadtkämmerer in Dinslaken werden und der andere der neuen sozialdemokratischen Oberbürgermeisterin von Mülheim an der Ruhr zur Verfügung stehen.

 Selbige Oberbürgermeisterin hätte neu im Amte genügend Zeit gehabt, die Dinge transparent darzustellen, nun bleibt dies mir überlassen.

 Ich kandidiere für das Amt des Oberbürgermeisters von Mülheim an der Ruhr (auch), um einen Beitrag zu einer transparenten, korruptionsfreien politischen Kultur zu leisten. Die Berufung von Baganz zum Staatssekretär ist dafür weiterhin hinderlich und gehört revidiert. Sein Mülheimer Rücktritt geschah nicht, wie allzu oft kolportiert, wegen eines „bloßen Verhältnisses“. Der Rücktritt hatte „korruptionsspezifi sche“ Hintergründe, die bis heute nicht ausgeräumt sind.

 Stefan Zowislo wird in Kürze im Rahmen einer Veröffentlichung ausführlich über den „Fall B.“ Auskunft geben.

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Ein Mann gegen Nokia

Wie der nordrhein-westfälische StaatssekretärJens Baganz mit dem finnischen Weltkonzern kämpft. Eine Parabel über Macht und Ohnmacht der Politik

Von Stefan Willeke

Quelle: Die ZEIT vom 27.03.2008




JENS BAGANZ soll zeigen, was die Politik noch wert ist

Es gibt einen Mann, den die Finnen Nordrhein-Westfalen nennen. Natürlich sagen sie nicht Nordrhein-Westfalen, sie sagen Northrhine-Westfalia. Manchmal sagen die Finnen auch Germany aber sie meinen immer denselben Mann. Will man zu ihm, dann steigt man in einem Hochhaus in der Düsseldorfer Innenstadt in einen der klapprigen Fahrstühle und drückt auf den Plastikknopf mit der 14. Müde zuckelt der Aufzug los und schüttelt sich kurz, als er oben stoppt, in der Etage der Macht. Man geht über einen stumpf gescheuerten Linoleumboden, vorbei an kahlen Wänden. Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.

Öffnet sich die Tür zum Vorzimmer des Staatssekretärs, wird man von einem Paralleluniversum verschlungen. Der trostlose Flur, das war die mühselige Politik, jetzt surft eine junge Sekretärin um Schreibtische herum, Frau Möller. Sie hat ihre Lidstriche kunstvoll verlängert, sodass ihre Augen katzenhaft und geheimnisvoll erscheinen. So sahen Captain Kirks Assistentinnen in der Fernsehserie Raumschiff Enterprise aus, so stellte man sich immer die Zukunft vor. Frau Möller trägt den Mikrofonbügel ihres Headsets dicht vor dem Mund, damit sie für ihren Chef jederzeit alle Funksprüche abfangen kann. Sie sagt: »Bitte, er ist jetzt so weit.«

»Wir müssen uns vor den Finnen nicht verstecken«, sagt der Staatssekretär

Jens Baganz hat eine interessante Art, einen blei­benden Eindruck zu hinterlassen. Er stürzt sich auf die Hand eines fremden Besuchers, als habe er den ganzen Tag diesem Ereignis entgegengefiebert. »Was trinken sie?« fragt er, und seine Arme klappen weit auseinander. So begrüßt er bestimmt auch afrikanische Minister. die sich das erste Mal auf deutschen Boden verirrt haben. Dieser Baganz kann wahrscheinlich alles besorgen, Atomkraftwerke, Ländereien, alles.

Auf der Visitenkarte, die er über die Tischplatte schiebt, steht »Vice Minister«. Ihn haben sie also gemeint, die Nokia-Chefs aus Finnland, als sie bekannt gaben, dass sie Nordrhein-Westfalen nichts schuldeten, bloß weil sie das Handywerk in Bochum schließen werden. Jens Baganz hat sich das alles angehört und sich an die Spitze einer kleinen Arbeitsgruppe gesetzt, die im Auftrag der CDU-geführten Landesregierung mit den Finnen geheim verhandelt. Nordrhein-Westfalen hat die Konzernzentrale in der finnischen Stadt Espoo aufgefordert, bis zum 31. März sämtliche Subventionen zurückzugeben, 41 Millionen Euro plus Zinsen — den höchsten Geldbetrag, den eine Firma außerhalb des Kohlebergbaus je vom Land bekommen hat.

Baganz muss Beweise beschaffen, Gegenbe­weise. Seit Januar, seit Nokia scheint sich der Verdacht bestätigt zu haben, dass Politik nichts mehr bewirken kann in einem globalen System der wirtschaftlichen Logik. Wirtschaft ist Macht, Polittik Ohnmacht, auf diesen Satz könnten sich die meisten Deutschen heute einigen. Jens Baganz soll zeigen, was Politik noch wert ist. Er hat einen Auftrag angenommen, der zu seinem Auf­treten passt.

Ihm wird die Selbstüberschätzung zugetraut, die notwendig ist, um ein Düsseldorfer Ministe­rium in einen Kampf mit einem Weltkonzern zu verwickeln. Sollte Baganz scheitern, würden Rechtsanwälte der NRW-Bank den Fall über­nehmen, gegen Nokia klagen und auf einen Ge­richtstermin hoffen. Bis zu einem Urteil könnten Jahre vergehen, und am Ende stünde eine Zehn­-Zeilen-Meldung in der Zeitung. Selbst ein Erfolg würde sich dann in eine politische Niederlage wenden. Baganz hat sich zwei Monate gegeben, um aus den Finnen ein Zugeständnis herauszu­holen, nur zwei Monate, weil das öffentliche Ver­gessen für Nokia arbeitet, und wenn die Zeit für Nokia ist, dann muss sie gegen Nordrhein-West­falen sein.

»Wir müssen uns vor den Finnen nicht ver­stecken«, sagt er und stutzt.» Jetzt sage ich das auch schon ständig: die Finnen.« — »Die Finnen, das sind gar keine Finnen«, hat einer seiner poli­tischen Widersacher gemeint, Thomas Eiskirch von der SPD im Landtag. »Die Finnen, das sind abgeklärte Manager, die in Amerika ausgebildet wurden und bloß finnische Namen tragen.« Nein, so krass sieht das Baganz nicht. Er sagt »Ich war ja selber jahrelang in der Wirtschaft, im Ansatz habe ich Verständnis.«

Der 46-jährige Baganz leitete die Personal­politik im Veba-Konzern, der inzwischen E.on heißt. Er wechselte später in eine Unternehmens­beratung. Er war auch Oberbürgermeister in Mülheim an der Ruhr, trat aber zurück, kurz be­vor die Affäre um städtische Honorare an seine Geliebte aufflog.

Ein PR-Mann fragte: Wie geht man vor, wenn man ein Werk schließt?

Als Staatssekretär blamierte er ein paar Mal seine Ministerin öffentlich, sodass niemand verstan­den hat, warum sie ihn nicht geschasst hat. Eini­ge haben es schon verstanden. Baganz erledigt die Dinge, die sein Parteifreund, der Minister­präsident Jürgen Rüttgers, nicht machen will. Rüttgers nannte Nokia im Januar eine »Subven­tionsheuschrecke«, tauchte danach aber wieder ab. Rüttgers kündigte an, Nokia werde sich ihm stellen müssen, aber als der oberste Firmenchef 0lli-Pekka Kallasvuo In Düsseldorf zu Besuch war, ließ Rüttgers sich vertreten. Baganz lauerte auf seine Lücke und sprang hinein.

Sollte der Staatssekretär die Finnen von einer wuchtigen Geldbewegung überzeugen können, wird der Regierungschef das erfreuliche Ergebnis unablässiger politischer Bemühungen in einer Pressekonferenz verkünden, so läuft das Geschäft.

Jens Baganz sitzt in seinem Büro vor einer Weltkarte, die an einer Wand hängt. »Wenn wir jetzt bei Nokia wären, dann würden auf der Karte lauter Lämpchen blinken.« Und das Bochumer Lämpchen würde bald ausgehen. Das kann er nicht verhindern, aber er kann vielleicht den Preis des Abschaltens hochtreiben. Die Betriebsräte in Bochum fordern von Nokia hohe Abfindungen und neue Jobs. Die Landesregierung will auch ihre Subventionen zurück. Sie fühlt sich betrogen um den Vertrauensvorschuss der Politik. Aber womit kann Baganz drohen, wenn die Gefahren von Wirtschaft und Politik so ungleich verteilt sind? Nokia muss sich allein vor seinen Aktionären rechtfertigen, nicht vor Wählern, nicht vor Rechnungshöfen oder Ausschüssen im Parlament. Politiker kann man zwingen, ihr Handeln öffentlich zu rechtfertigen, bei Managern klappt das fast nie. Sie können mit ihren Fabriken sogar die Demokratie verlassen.

Erstaunlich, dass man bei Baganz überhaupt keine Akten sieht. Nur auf dem Fensterbrett stehen zwei alleingelassene Leitz-Ordner. Der eine heißt »Nokia«, der andere »Rückforderung Subventionen«. Aus keinem der Ordner ragt auch nur eine Ecke Papier. Sie sehen aus, als seien sie leer. Besser kann man den Zustand gar nicht beschreiben, der Jens Baganz droht, wenn sich die Finnen auf nichts einlassen sollten. Er hat es erst gar nicht mit diesen rührenden Methoden der Gewerkschafter versucht. Es bringe nichts, den Finnen ein schlechtes Gewissen machen zu wollen.

»Damage«, sagt er, sei sein wichtigstes Wort gewesen, Schaden. »Ich musste den Finnen klarmachen, dass sie einen Schaden angerichtet hatten. Das verstanden die erst gar nicht.« Er dachte sich ein Geräusch aus, um das deutsche Drama zu vertonen — den big bang den großen Knall. Aus dem Nichts heraus kann er damit einen ganzen Raum beschallen. Er verzieht den Mund zu einem breiten Kasten und feuert aus der Deckung der Schneidezähne sein Wort ab. »Bäng!«

Lange bevor es in Bochum »Bäng« machte, hatte sich ein Mann aus einer Düsseldorfer PR-Agentur, die für Nokia arbeitet, beim Sprecher der nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin erkundigt: Wie geht man vor, wenn ein Konzern einen Standort aufgeben will? Das war schon Ende November, da behaupteten Nokia-Manager noch, es werde kein Werk in Europa geschlossen. Am Nachmittag des 14. Januar, einen Tag vor dem Bäng, rief ein Reporter der Bild-Zeitung bei Gisela Achenbach an, der Chefin des Bochumer Betriebsrates von Nokia. Sie saß in ihrem Opel Corsa, fuhr über die Autobahn 52 zu einer Aufsichtsratssitzung der Firma und hörte eine Frage, die nicht nach einer Frage klang: Nokia verlässt Bochum, was halten Sie davon? »Das ist unmöglich«, antwortete sie, »davon wüsste ich was.«

Der Konzern hat an alles gedacht —sogar Notärzte sind vor Ort

Am nächsten Morgen, als ihre Sitzung beginnen sollte, fing sie ein Security-Mann vor dem Firmengebäude in Düsseldorf ab. In einem Nebenraum erklärte ihr ein Manager aus Finnland: »Wir müssen Ihnen leider die Mitteilung machen.« Seine Sätze rauschten an der geschockten Betriebsrätin in weiter Ferne vorüber, und als es still wurde, fragte Gisela Achenbach bloß: »Geschlossen, alles?« — »Ja, alles.« Weinend rannte sie weg, und der Security-Mann an ihrer Seite sah die verlaufene Wimperntusche über ihre Wangen rinnen.

Als sie in Bochum am Nokia-Werk eintraf, wo die Geschäftsführer alle Arbeiter zusammengerufen hatten, fielen Gisela Achenbach die beiden Rettungswagen vor der Versammlungshalle auf. Und wieder standen da Männer, die niemand kannte, Security-Leute. Die Finnen hatten wirklich an alles gedacht. Sie hatten sogar Norärzte rufen lassen.

Das war der Morgen, als die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben ihre Expertin für Kriseneinsätze um halb neun in der überfüllten Straßenbahn erwischte. »Ich kann jetzt nicht reden«, antwortete Marina Weichhardt-Hilgers, »ich rufe gleich zurück.« Sie sagte das in ihr Siemens-Handy S75, das sie sich extra gekauft hatte, um ihre Verhandlungspartner von Siemens daran zu erinnern, dass sie für die Pleite von BenQ mitverantwortlich seien. BenQ, das war die Handyfabrik im rheinischen Kamp-Lintfort, die im Januar 2007 aufgeben musste. BenQ, das war der kleine Knall vor dem großen.

Die Ministerialrätin Marina Weichhardt-Hilgers hat in ihrem Leben viele Krisengespräche geführt, aber diesmal ist alles anders. Was tut man, wenn ein Konzern der Kommunikation nicht sprechen will? Wenn einer ein Werk so unbekümmert schließt, als sei es ein Parkhaus? Wenn der Nokia-Chef Kallasvuo neun Tage nach dem Bochumer Desaster in New York landet, sich mir Analysten amerikanischer Banken trifft, sich für seine fantastischen Gewinnzahlen feiern lässt, das Expertengespräch live ins Internet stellt und seine Fröhlichkeit über die ganze Welt streut?

Die Leute im Ministerium entdecken eine Waffe, die in der Politik wirkungslos wäre, auf den Aktienmärkten aber gefürchtet ist — die Pressemitteilung. Lässt sich die Sprecherin der Konzernspitze in Espoo wieder einmal mit leeren Worten zitieren, sendet das Ministerium in Düsseldorf eine harsche E-Mail an die Medien. »Den Anspruch gerichtlich durchsetzen«, steht dann da, oder: «Ministerium weitet Prüfung aus«. Jens Baganz, der Staatssekretär, nennt das »einen Teil des Spiels«.

Als der Gegner unter Zugzwang gerät, landet eine Maschine der Finnair auf dem Flughafen in Düsseldorf, und Kristian Pullola, der stellvertretende Treasury-Chef von Nokia, steigt aus. Er setzt sich in ein Taxi, das ihn zu einem Ort bringt, von dem man nichts erfahren soll. In dem Konferenzraum des Hotels, wo man den Finnen schon erwartet, wird viel Kaffee getrunken, und man spricht Englisch. Der Finne ist der Verhandlungsführer von Nokia, stellt sich den Deutschen als »Kristian« vor, das klingt gleich viel sympathischer. Die Männer von Nokia sind zu viert, die Leute aus dem Ministerium zu dritt, bringen aber noch zwei externe Berater mit, unter ihnen einen Briten, schon wegen seiner Sprachvorteile. So hat Deutschland sofort einen Mann mehr auf dem Platz, als das Spiel angepfiffen wird.

Was Kristian sagt, klingt für die Leute aus dem Ministerium verbindlich, aber sie müssen lernen, dass Kristian nichts zu versprechen hat, er berichtet nur vorläufige Ergebnisse aus Finnland und kehrt mit vorläufigen Meinungen zurück. »Beim Bau von Handys macht ihr uns nichts vor. Ihr macht uns nichts vor, weil wir so sind, wie wir sind.« Das sind die Botschaften, die mit der Finnair-Maschine in Düsseldorf ankommen. »Wir haben euch 20 Jahre lang Steuern gezahlt, warum ärgert ihr euch?« — »Wir in Nordrhein-Westfalen«, sagt Baganz, »wir können nicht weiterziehen. Wir sind ein stationäres Unternehmen.«

Für viele gibt es irnmer viel auszusetzen an dem Kraftmenschen Jens Baganz, aber man muss ihn dafür loben, dass er der Politik eine Stimme gegeben hat. Vielleicht wird die Stimme in Espoo überhört, wahrscheinlich werden die Finnen kompromisslos pokern, ganz sicher werden sie nicht die geforderte Summe zu¬rückzahlen. Aber sie haben sich auf ein Spiel eingelassen, über dessen Regeln Politiker mitentscheiden, das Spiel mit der öffentlichen Aufmerksamkeit, das big bang-Spiel.

Nichts erschreckt einen Manager mehr als ein Betriebsrat

Hin und wieder sieht die Betriebsrätin Gisela Achenbach fremde Männer in Anzügen über das Nokia-Gelände in Bochum laufen, und sie ahnt schon, dass das die Nachfolger von 0lli-Pekka, Kristian und den anderen werden könnten. Aber sobald eine Zeitung meldet, dass ein neuer Investor gefunden sei, der Nokia die Fabrikhallen abkaufen und neue Jobs schaffen werde, dementiert der neue Investor sofort. Gisela Achenbach hütet sich davor, die Männer in den Anzügen anzusprechen. Nichts erschreckt einen Unternehmer mehr als ein Betriebsrat, der mitreden möchte, die Nachricht ist bei ihr angekommen. Der Absender war Jens Baganz.

Gisela Achenbach ist auf die Landesregierung nicht mehr gut zu sprechen, weil sie nur noch auf Umwegen erfährt, worüber das Ministerium mit Nokia verhandelt. Zuerst spürte sie nur gegenüber dem Konzern eine Hilflosigkeit, die sie traurig machte, aber seit sich die Politik eingemischt hat, ist Gisela Achenbach beiden Seiten des Verhandlungstisches lästig geworden. Den Leuten aus Finnland ist es zwar gelungen, einen Keil zwischen deutsche Betriebsräte und Politiker zu treiben, dennoch versuchen Nokia-Manager jetzt, einen neuen Unternehmer nach Bochum zu locken, neue Arbeitsplätze. Man kann das für eine läppische Entschädigung halten, aber es ist ein Lebenszeichen der Politik. Es ist ein Erfolg, einen schweigenden Inselstaat mit dem Festland der sprechenden Demokratie zu verbinden. Nokia, connecting people. Es ist ein Erfolg, überhaupt wahrgenommen zu werden auf der Weltkarte des Konzerns. Es ist ein Erfolg, ein blinkendes Lämpchen zu sein.

Die Krisenexpertin aus dem Wirtschaftsministerium ist mit ihrer Tochter nach England in den Urlaub gefahren. Sie sagt, sie wolle »diese Sprache endlich mal im Original hören«. Die Bochumer Betriebsrätin spannt ein paar Tage auf Sylt aus. Nur Jens Baganz bleibt lange in seinem Büro. Seine Assistentin wünscht ihm einen schönen Feierabend, schlüpft in ihren Mantel und dreht sich noch einmal zu ihm um. »Sie wissen, dass Ihr erster Termin morgen um 7.30 Uhr beginnt?« – »Neiiiiiin!«, ruft Baganz und jault auf, als habe ihn jemand daran erinnert, dass die Finnen den Kölner Dom gekauft haben. Nicht auch noch morgen früh zum Zahnarzt.

Die zwei Verhandlungsmonate, die er sich vornahm, sind überschritten. Baganz müsste dringend gegen das Vergessen kämpfen, aber er erzählt die Geschichte von diesem zaudernden Telefonverkäufer, der sich erst nicht traute, der Mutter des Staatssekretärs ein Nokia-Handy anzubieten. »Wir müssen ihn halten«, sagt Ba-ganz, »den Imageschaden halten.« Kaufen, verkaufen, halten, die Atemgeräusche der Börse, der einzigen Macht, die diesen gepanzerten Gegner wirklich verwunden kann. Noch wenige Tage, dann endet das Ultimatum der Landesregierung an Nokia. Wenn es gut läuft für Nordrhein-Westfalen, dann fällt Jens Baganz gleich noch eine kleine Gemeinheit ein.

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NOKIA UND BOCHUM

Schnelle Trennung

15. Januar: Überraschend gibt der Handyhersteller Nokia bekannt, dass der Standort Bochum am 30. Juni aus Kostengründen geschlossen werde. Ein neues Werk im Niedriglohnland Rumänien soll die Bochumer Arbeit erledigen. Betroffen sind rund 2300 Beschäftigte und 1000 Leiharbeiter.

24. Januar: Nokia verkündet einen Rekordgewinn für das vergangene Jahr: 7,2 Milliarden Euro.

14. Februar: Das Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen nimmt Verhandlungen mit dem Konzern auf. Nokia soll 41 Millionen Euro Subventionen zuzüglich 19 Millionen Euro Zinsen an das Land zurückzahlen.

11. März: Nokia lehnt die Forderung des Ministeriums ab.

31. März: Das Ultimatum der Landesregierung an Nokia, die Subventionen zurückzuzahlen, läuft ab. Gerichtliche Schritte wurden bereits angedroht.

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War bei der Privatisierung der Wasserwerke Korruption im Spiel?

Mülheimer SPD soll die Stimme eines Ratsherrn erkauft haben

Von David Schraven

Quelle: Welt am Sontag vom 23. März 2008

In Mülheim an der Ruhr ist eine Affäre um Bestechung und Ämterkauf ans Licht gekommen. Maßgeblich daran beteiligt ist die Mülheimer SPD. Um den Fall zu verstehen, muss man weit zurückgehen.

2001 bereitete die Stadt Mülheim eine der größten Privatisierungen in der Geschichte des Ruhrgebietes vor. Die Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft (RWW) sollte verkauft werden. Mehrere Städte und Gemeinden hatten sich unter Leitung der Mülheimer Stadtverwaltung zusammengeschlossen, um möglichst viel Geld dafür zu erzielen.

Zwei Ernst zu nehmende Bieter meldeten sich: der Gelsenwasser-Konzern und das RWE mit seiner Tochterfirma RWE Aqua. Nach einem Vergabeverfahren, an dessen Ende RWE und Gelsenwasser die gleiche Summe von 113 Millionen Euro boten, drohte ein Debakel. Während die SPD für einen Verkauf an das RWE war, favorisierte der damalige Mülheimer Oberbürgermeister Jens Baganz, CDU, einen Verkauf an Gelsenwasser. Im Rat war aber auch die Mülheimer Bürgerinitiative MBI vertreten, die gegen den Verkauf war.

In dieser Phase fiel die Aufmerksamkeit der SPD-Hauptakteure offensichtlich auf Mounir Y. von der MBI-Initiative. Gelänge es, Mounir Y. zur SPD zu holen, wäre der Verkauf an das RWE gesichert. Tatsächlich wechselte der gebürtige Marokkaner kurz vor der entscheidenden Abstimmung die Seiten. Damit verschaffte er der SPD mit ihren Partnern von der FDP eine stabile Mehrheit pro RWE.

Allerdings war Mounir Y. wohl mit unlauteren Mitteln gefügig gemacht worden. Wie vor kurzem bekannt wurde, bekam Mounir Y. offenbar als Gegenleistung für seinen damaligen Seitenwechsel eine gut dotierte Stelle bei den SPD-kontrollierten Müllwerken - und obendrein noch einige Aufsichtsrats- und Ausschussmandate.

Weitere Unstimmigkeiten kommen hinzu: Bei seiner Einstellung als Leiter einer Vergärungsanlage legte Mounir Y. gefälschte Uni-Zeugnisse vor. Zudem ließ sich Y. Überstunden auszahlen, die er offenbar nie abgeleistet hat. Diese Vorwürfe wurden vor dem Arbeitsgericht Oberhausen erhärtet. Für Lothar Reinhardt, den Vorsitzenden der MBI, ist das Korruption: "Herr Y. hat sein MBI-Ratsmandat meistbietend verkauft."

Nach Auskunft aus der SPD-Fraktion in Mülheim sind die ehemaligen SPD-Vormänner, Gerd Müller und Thomas Schröer, für den Handel verantwortlich. Beide waren eng mit RWW verbunden - Müller als Geschäftsführer, Schröer als Aufsichtsratschef. Doch beide sind mittlerweile tot.

Nachdem die Vorwürfe bekannt wurden, entfernte die SPD ihren Fraktionsvorstand Y. aus der Partei. Doch aus den Aufsichtsräten und Ausschüssen will sie ihn nicht abwählen. Auch sein Ratsmandat kann Y. behalten. SPD-Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld äußert sich nicht dazu. Das Schweigen gibt Anlass für Vermutungen: Gibt es weitere Details, die Y. ausplaudern könnte? Warum belässt ihn die SPD ausgerechnet im Amt des stellvertretenden Vorsitzenden im Rechnungsprüfungsausschuss?

Vor wenigen Tagen präsentierte die "WAZ" einen Zeugen, der eidesstattlich versicherte, im Auftrag einer Beraterfirma des RWE dem Abgeordneten Y. 20 000 Mark zugesteckt zu haben. Sowohl RWE als auch die Beraterfirma bestreiten die Vorwürfe. Tatsächlich erweist sich der Zeuge bei genauem Blick als unzuverlässig. Gegen ihn laufen Vollstreckungsbefehle, Taschenpfändungen werden vorbereitet.

Für den CDU-Oberbürgermeisterkandidaten Stefan Zowislo ist das alles nicht mehr nachvollziehbar. "Die alten Fälle müssen endlich aufgeklärt werden." Es sei unmöglich, dass die SPD die ganze Verantwortung auf zwei Tote abschiebt.

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Millionen verschenkt

Das Land Nordrhein-Westfalen fordert millionenhohe Fördergelder im Gelsenkirchener FH-Skandal zurück. Haushaltskontrollausschuss des Landtags berät Affäre. Zwei weitere Verdächtige verhaftet

Von MARTIN TEIGELER

Quelle: taz vom 28. März 2007

Die Landespolitik musste gestern ihr Versagen eingestehen: Das mit rund 12 Millionen Euro geförderte "Inkubator-Zentrum Emscher-Lippe" hatte aus Sicht des NRW-Wirtschaftsministeriums von Anfang an kaum Aussicht auf Erfolg. Da sich das Zentrum an der Fachhochschule Gelsenkirchen auf schwierige Existenzgründungen spezialisiert habe, sei der inzwischen offenkundige Misserfolg nicht verwunderlich, so Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz (CDU) gestern in einer Sondersitzung des Haushaltskontrollausschusses des NRW-Landtags.

Warum der Inkubator, in dessen Aufsichtsrat zeitweise auch der damalige Gelsenkirchener Oberbürgermeister und jetzige NRW-Bauminister Oliver Wittke (CDU) saß, über Jahre mit öffentlichen Geldern unterstützt wurde, wollen die parlamentarischen Kassenprüfer des Landesparlaments nun aufklären. Ex-Wirtschaftsminister Harald Schartau (SPD) hatte vergangene Woche in der taz betont, man habe zu Beginn an das Zentrum zur Förderung innovativer Jungunternehmer geglaubt: "Sowohl das Land als auch die Stadt und die FH haben das Projekt hochgehandelt", sagte er. "Dass ausgerechnet dort Geld verschwunden ist, ist eine Katastrophe."

Mittlerweile distanziert sich das Land von dem Netzwerk von Scheinfirmen rund um die FH Gelsenkirchen, gegen das die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt (taz berichtete). Nach der Beurlaubung des FH-Rektors fordert das Land nun auch fast zwölf Millionen Euro an Fördergeldern zurück - von den mittlerweile inhaftieren Betreibern des Inkubators. So will das Wissenschaftsministerium von FDP-Ressortchef Andreas Pinkwart die Rückerstattung von 5,1 Millionen Euro erreichen. Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium fordert 6,8 Millionen Euro zurück. Begründet werde die Forderung mit fehlenden Nachweisen für den rechtlich einwandfreien Einsatz der Mittel.

In der Ausschusssitzung wiederholte der Landesrechnungshof den Vorwurf der mangelnden Kontrolle von Fördergeldern. Zwar seien viele Kontrollgremien mit der Förderung des dortigen Emscher-Lippe-Zentrums betraut gewesen, sagte die Leitende Ministerialrätin am Rechnungshof (LRH), Ruth Katharina Susallek. Allerdings habe niemand die offensichtlichen Rückschlüsse oder Konsequenzen gezogen. "Die Feststellungen, die der Rechnungshof getroffen hat, hätte jeder im Verfahren auch treffen können."

Während sich das Wissenschaftsministerium dem Mängelbericht des LRH anschloss, wies Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz den Vorwurf mangelnder Kontrolle zurück. Dass es trotz Prüfungen durch die NRW-Bank und die Bezirksregierung Münster zu dem Skandal kommen konnte, sei "krimineller Energie zuzurechnen".

Unterdessen sind zwei weitere Verdächtige festgenommen worden. Laut WAZ handelt es sich um zwei Unternehmer, die am Bau des Inkubator-Zentrums an der FH beteiligt gewesen sein sollen. Ein Justizsprecher bestätigte gestern die Verhaftungen.

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Fragenkatalog GRÜNE zum Subventionsskandal an der FH Gelsenkirchen
30. Ausschusssitzung - Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie 18.04.2007
Sprechzettel zur aktuellen Viertelstunde FH Gelsenkirchen 18.04.2007
Sprechzettel zur aktuellen Viertelstunde FH Gelsenkirchen 26.04.2007
Unterrichtung des Landtages nach § 99 LHO
16. Ausschusssitzung - Ausschuss für Haushaltskontrolle
17. Ausschusssitzung - Ausschuss für Haushaltskontrolle

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Die Kandidatin

WDR-Hörfunkdirektorin Monika Piel könnte am Montag zur ersten Intendantin des Senders gewählt werden. Eine Frau an der Spitze der größten ARD-Anstalt wäre endlich mal - eine kleine Sensation

Von BORIS ROSENKRANZ

Quelle: taz vom 16. November 2006

Es wäre nicht das erste Mal, dass Monika Piel eine Männerbastion erobert. Im Jahr 1997 wurde sie zur WDR-Hörfunkdirektorin gewählt - als erste Frau in der Sendergeschichte überhaupt. Piel macht den Job noch heute. Fragt sich nur: Wie lange noch? Denn nachdem die 55-Jährige unlängst die Moderation des ebenfalls männerdominierten ARD-"Presseclubs" von Fritz Pleitgen übernommen hat, könnte sie den WDR-Chef in der kommenden Woche abermals beerben.

Sie wäre dann auch die erste Intendantin in der Geschichte des WDR. Und nach Dagmar Reim vom Rundfunk Berlin-Brandenburg gerade mal die zweite in der ganzen ARD. Doch wer ist überhaupt diese Monika Piel? Ihr Äußeres, diese opernhafte Erscheinung, die hohe Stirn, das auftoupierte dunkle Haar - das kennen trotz "Presseclub" weiter nur wenige. Denn Piel ist kein Fernsehmensch, im Gegensatz zu ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, dem Schnauzbart unter den Medienleuten, der auch für dem WDR-Posten kandidiert.

Monika Piel kennt man vor allem aus dem Radio, für das sie seit mehr als 30 Jahren tätig ist. Piel, 1951 in Bensberg bei Köln geboren, studierte erst Betriebswirtschaft, dann Orientalistik und Jura und kam bereits während ihres Studiums zum WDR. Schon 1977 assistierte sie Werner Höfer, der so etwas wie ihr erster Ziehvater wurde, beim "Internationalen Frühschoppen". Danach berichtete sie mit dunkler, getragener Stimme unter anderem aus Bonn, wurde 1996 Programmchefin bei der Radiowelle WDR 2 und später Chefredakteurin des WDR-Hörfunks. Anders ausgedrückt: Piel ist mit dem WDR verheiratet. Auch privat. Ihr Ehemann Roger Handt moderiert auf WDR 2 Oldie-Sendungen. Gerade dies könnte sich jetzt als Hindernis erweisen.

Denn Piel hat bisher nie etwas anderes gesehen als den WDR und ist auch kaum in Erscheinung getreten - etwa mit programmatischen Reden wie man sie von Pleitgen kennt. Andererseits gilt die Mutter einer Tochter als sendertreue Frau, die andere machen lässt, ohne viel dazwischenzureden. Das schätzt man vor allem bei der WDR-Jugendwelle Eins Live, die derzeit mit Eins Live Kunst einen neuen Kultursender im Internet zu etablieren versucht - mit Piels ausdrücklicher Unterstützung.

Das Beste wäre natürlich, sie selbst zu fragen. Wie sie den WDR sieht. Was sie verändern würde als Intendantin. Und ob sie überhaupt scharf ist auf den Posten. Aber Piel redet nicht. Zumindest nicht jetzt, nicht öffentlich. Davon hat man ihr abgeraten. Vielleicht auch deshalb, weil unangenehme Geschichten angesprochen werden könnten: zum Beispiel jene, wie Piel einen kritischen Artikel über die Vergangenheit des heutigen NRW-Wirtschaftsstaatssekretärs Jens Baganz (CDU) aus dem Internetangebot des WDR löschen ließ. Baganz hatte Fehler in dem Beitrag moniert und darum gebeten, den Artikel nicht mehr zu publizieren. Beugte sich Piel also dem Wunsch eines Politikers? Sie bestreitet das. Schrieb aber in einem Brief an Baganz: "Ihrer Bitte, das Sendemanuskript aus unserem Internet-Angebot zu entfernen, sind wir in der Zwischenzeit nachgekommen."

Eine komische Geschichte ist das, die im Rundfunkrat, der am Montag entscheidet, wer Intendant wird, nicht gerade für Begeisterung sorgt. Obwohl Piel auch anders kann: Als Lukas Podolski mit Interviewboykott drohte, weil er sich durch eine WDR-Satire verunglimpft fühlte, ließ Piel das recht kalt. Die Reihe, die den Fußballer als ziemliche Dumpfbacke darstellt, läuft weiter. Das kann Piel also auch sein: durchsetzungsfähig, erfahren.

Schon ihr prominentester Fürsprecher bezeichnete sie 1997, vor ihrer Wahl zur Hörfunkdirektorin, als "für das Amt bestens vorbereitet" und attestierte ihr später "große Sachkunde, Elan und Souveränität". Es handelte sich - um den Intendanten höchstselbst. Fritz Pleitgen war es auch, der sie - allerdings im Verein mit einem knappen halben Dutzend anderer Namen aus dem WDR-Management - als "intendantenfähig" ins Spiel brachte, wenngleich Pleitgen mit Brender als Nachfolger zufriedener wäre.

Doch inzwischen mehren sich die Stimmen, die fordern, endlich solle eine Frau im Intendantensessel Platz nehmen. Andere halten die Frage dagegen, ob Monika Piel einen Fritz Pleitgen ersetzen kann. Einen Fritz Pleitgen, der nach eigenem Bekunden ja auch noch für eine weitere Amtszeit als Intendant zur Verfügung steht, falls sich der Rundfunkrat auf niemanden einigen kann.

Wie gesagt: Man hätte Monika Piel gern dazu befragt. Aber die Frau mit der dunklen, getragenen Stimme schweigt. Noch jedenfalls.

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Verkehrsübungsplatz Lippe

Rund 3.000 Kilometer Straße sollen in dem Kreis künftig in einer Partnerschaft von Staat und Wirtschaft verwaltet werden. Das ist einmalig. Andere Kreise haben schon Interesse angemeldet

VON KATHARINA HEIMEIER UND KLAUS JANSEN

Quelle: taz vom 04. November 2006

Der Landrat will sich auch von einem Bürgerbegehren nicht aufhalten lassen. Wenn am Montag der Kreistag in Lippe zusammenkommt, will Friedel Heuwinkel den Weg für ein bundesweit einzigartiges Projekt freimachen: Es geht um 50 Millionen Euro und über 3.000 Kilometer Asphalt, die künftig von einem privaten Investor betrieben werden sollen.

Der Christdemokrat Heuwinkel will das gesamte Straßennetz seines Kreises in eine so genannte Public-Private-Partnership (PPP) überführen. Dass die Gegner dieses Plans knapp 19.000 Unterschriften gesammelt haben, soll ihn dabei nicht stoppen. Er habe "keine andere Wahl", als dem Kreistag vorzuschlagen, das Bürgerbegehren abzuschmettern, sagt Landrat Heuwinkel vor der Entscheidung.

Wer ab Mitte 2008 auf den Straßen am Rande des Teutoburger Waldes mit seinem Auto in einem Schlagloch hängen bleibt, muss seine Beschwerde dann nicht mehr an den Kreis, sondern an einen "interkommunalen Zweckverband" richten. Der wiederum muss sich mit einem noch zu findenden Privatunternehmen auseinander setzen, das für die Reparatur aufkommt. Der möglichst solvente Wunschpartner soll sich auch um Planung und Bau der Straßen kümmern. Auf 20 Jahre soll das private Engagement bei neu gebauten Straßen angelegt sein. Der Kreis will sparen.

Werden nach Wasserversorgung und Krankenhäusern jetzt auch die Verkehrswege verramscht? Keinesfalls, heißt es im Kreishaus. "Die Entscheidung darüber, was wo gebaut wird, treffen weiter die Kommunen", sagt Sprecher Thomas Wolf-Hegerbekermeier. Der Kreis werde nur für Dienstleistungen bezahlen - ohne Risiko auch für den Fall, dass der Partner Pleite gehen sollte. Ein "Mittelweg" zwischen staatlicher Alleinverantwortung und Privatisierung werde gesucht, sagt auch Frank Littwin, Leiter einer im NRW-Finanzministerium eingerichteten "PPP-Task-Force", die das Projekt für die Landesregierung betreut. Er hält es für denkbar, dass das Modell nachgeahmt wird: Mehrere Kreise haben Interesse bekundet, auch für Landesstraßen kann Littwin sich Beteiligungen vorstellen. Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) lehnt das bisher jedoch ab.

Ursprünglich wollte der Kreis auch den Winterdienst und die Straßenreinigung der PPP überlassen. Dass darauf nun verzichtet wird, versteht der Landrat als "ausgestreckte Hand" in Richtung der PPP-Gegner. Die sorgen sich aber weiter um Arbeitsplätze in der Region. Allein in den vergangenen drei Jahren seien 80 Aufträge rund um die Straßen an regionale Unternehmen vergeben worden, sagt Bernd Groeger, Chef der Aktion "Bürgerbegehren StoPPPt Straßen Lippe". Mit dem neuen Modell werde "die mittelständische Wirtschaft massiv geschädigt". Kritik kommt auch vom Kölner Korruptionsexperten Werner Rügemer. Der Autor und Chef des Vereins "Business Crime Control" hat sich eingeschaltet, weil sich Landrat Heuwinkel eine umstrittene Beraterin eingekauft hat: Ute Jasper. Die Entscheidung ist mindestens mutig zu nennen: Immerhin hat die Juristin mit ihrer Beratertätigkeit schon eine kommunalpolitische Karriere beendet. Ihr Partner Jens Baganz (CDU), jetzt Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium, trat im Jahr 2002 als Mülheimer Oberbürgermeister zurück. Er hatte seiner Freundin die Beratung in Privatisierungsfragen mit einer angeblich sechsstelligen Summe honoriert.

Eine "komische Konstellation" sei das, findet die lippische SPD-Kreisvorsitzende Ute Schäfer. Auch die frühere NRW-Schulministerin begibt sich vor der Kreistagsentscheidung am Montag in das für sie unbekannte Gebiet der Verkehrspolitik. Das PPP-Projekt führe nicht zu einer Effizienzsteigerung, sagt sie. Den Kreis fordert sie auf, dem Bürgerbegehren zu folgen und einen Bürgerentscheid zuzulassen - alles andere wäre eine "Missachtung von 20.000 Menschen".

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Bürgerbegehren StoPPPt Straßen Lippe

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Der Indendantenstadl

Wer wird denn nun der nächste WDR-Chef ? Noch hat der Rundfunkrat keinen Kandidaten zu Gesicht bekommen

Von STEFFEN GRIMBERG

Quelle: taz vom 25. Oktober 2006

Der WDR hat es nicht leicht beim Thema Unterhaltung, aber vielleicht schafft hier ja der vor sich hin wuselnde Intendantenstadl Abhilfe. In weniger als vier Wochen soll gewählt werden. Wie praktisch, dass der für die Wahl am 20.11. zuständige Rundfunkrat bis jetzt noch keine der weiterhin üppig vorhandenen KandidatInnen zu Gesicht bekommen hat. Gibt es denn nicht schon seit Mai einen "Wahlvorbereitungsausschuss" unter Führung des langjährigen Rundfunkratschefs Reinhard Grätz (SPD)? Gibt es, doch das dauert, schließlich inszeniert hier einer seinen vermutlich letzten großen Auftritt. Grätz habe offenbar bislang ganz alleine seine Einzelgespräche mit den glorreichen Sieben geführt, mosert es aus dem Rundfunkrat. Nichts ist mit der längst erwarteten "Shortlist" aus drei Namen. Immerhin einem wurde das Warten zu lang: Kandidat Gottfried Langenstein hat jetzt einen anderen Job - er wird Präsident des deutsch-französischen Kulturkanals Arte.

Alle anderen sind zumindest formal weiter im Rennen. Natürlich glaubt niemand ernsthaft an NRW-Filmstiftungs-Chef Michael Schmidt-Ospach oder die ehemalige Kulturstaatsministerin Christina Weiß. Auch Fritz Raff, der Intendant des Saarländischen Rundfunks, bereitet lieber seinen ARD-Vorsitz vor. Vom Kandidaten Werner Hahn, derzeit Justitiar beim NDR, haben wir ebenfalls schon lange nichts mehr gehört.

Bleiben also zwei. Frau und Mann: Monika Piel und Nikolaus Brender. Sie WDR-Hörfunkdirektorin, er ZDF-Chefredakteur. Bloß - Frau Piel ist im Sommer was Dummes passiert. Da verordnete sie die Löschung eines gesendeten Radiobeitrags über die Machenschaften des Mülheimer Ex-OB Jens Baganz von der WDR-Website, natürlich nur wegen möglicher journalistischer Fehler.

Ach so: Und nachdem der heutige NRW-Wirtschaftsstaatssekretär Baganz (CDU) ein böses Briefchen an die Anstaltsleitung geschrieben hatte (taz berichtete). Hatte natürlich nichts miteinander zu tun, klare Sache. Nur finden einige RundfunkrätInnen Piel seitdem nicht mehr so dolle. Und Brender? Dass die SPD etwas gegen den Schnauzbartträger haben soll, wird neuerdings bestritten. Dafür passt Brender der CDU angeblich nicht. Und immer, wenn man fragt "warum eigentlich?", heißt es absurderweise: Der Mann sei irgendwie zu unabhängig. Was für einen WDR-Intendanten so schlecht ja nicht wäre.

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Ein kniffliges Treffen

DSK-Chef Bernd Tönjes und NRW-Staatssekretär Jens Baganz trafen auf Einladung der Katholischen Kirche direkt aufeinander. Emotionen blieben überraschend gering

Von Heiko Kruska

Quelle: WAZ vom 18. Oktober 2006

Essen. Im Streit um die Zukunft des deutschen Kohlebergbaus kommen die Kontrahenten nur selten auf einen Nenner. Zu fern stehen sie sich, zu groß sind oft auch die Animositäten. Gestern Abend fanden sie immerhin eine optische Gemeinsamkeit: Bernd Tönjes, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Steinkohle AG (DSK), debattierte auf einem Podium mit Jens Baganz (CDU), Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium. Dass jeder für sich seine Positionen unters Volk streut, ist nicht neu, aber zugleich an einem Tisch? Entsprechend war die Spannung im Saal.

 Schlagabtausch? Bissiger Kampf? Wer daran glaubt, wird schnell in die Sachlichkeit zurückgeführt. Liegt es etwa daran, dass sich das Klima verbessert hat? Dass man womöglich sogar aufeinander zugeht? Statt Baganz hätte eigentlich Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) in die Aula des Bischöflichen Katholischen Generalvikariats nach Essen kommen sollen, doch sie lässt sich entschuldigen. Rätselraten allenthalben.

 "Schluss mit der subventionierten Steinkohleförderung", fordert Baganz schnell und merkt ebenso schnell an dem nur dünnen Applaus, dass er zumindest in diesem Raum eine Mindermeinung vertritt. Tönjes seinerseits reagiert mit Argumenten, die man schon oft gehört hat: Nachhaltig müsse die Energieversorgung sein und auch umweltverträglich. Zudem werde von den 2,6 Milliarden Euro Fördergeldern ein Großteil wieder in andere Wirtschaftszweige investiert.

 "Mit anderer Leute Geld lässt sich immer viel Gutes tun", kontert Baganz spitz und sorgt für ein Raunen im Saal, als er gleich im Anschluss betont: "Unser Land muss endlich mal den Kohlestaub aus seinem Mantel schütteln." Damit, so schiebt der Staatssekretär nach, meine er aber nicht die Industrie in Nordrhein-Westfalen generell: "Wir brauchen da eine starke Basis, aber eben nicht subventioniert." Es gebe genug andere Branchen, die ohne Subventionen auskämen.

 Der große Kampf, er bleibt aus an diesem Abend. Dass die Katholische Kirche zu diesem ungewöhnlichen Treffen eingeladen hatte, war kein Zufall, denn gerade das Bistum Essen kümmert sich traditionell sehr stark um das Thema Kohle. Noch immer jedoch prallen die Positionen in dieser Frage hart aufeinander. Auch Baganz und Tönjes schlagen diesen Knoten (noch) nicht durch.

 Die Begünstigung des Ruhrgebietsfaktors Steinkohlebergbau solle jedenfalls bald ein Ende haben, meint Baganz. Mehr noch: Fördermittel würden künftig in einem offenen Wettbewerb für ganz Deutschland zur Verfügung gestellt. Da müsse sich auch das Ruhrgebiet bewegen und entsprechende Konzepte vorlegen. Ein Problem bleiben ohnehin die Folgekosten des Steinkohlebergbaus. Tönjes: "Wir sind bei den Berechnungen vom teuersten Fall ausgegangen." Und wenn es noch teurer würde, sei auch der Staat gefragt, weil er die Bergbaurechte schließlich einst vergeben hatte.

 Um ihre Position zu untermauern, hat die DSK auch noch das Forsa-Institut mit einer Studie beauftragt. Tönjes trägt mit Genugtuung das Ergebnis vor: 55 Prozent der Bevölkerung (63 Prozent in NRW) befürworten den Erhalt des Steinkohlebergbaus, 31 Prozent sprechen sich dagegen aus.

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Wirtschafts-Staatssekretär Jens Baganz im Zwielicht

Als Mülheimer Oberbürgermeister gab er Aufträge an die Kanzlei seiner Freundin

Quelle: Welt am Sonntag vom 17. September 2006

Jens Baganz, 45, wird seit Wochen von Geschichten über seine Vergangenheit verfolgt. Mal will der „Skandalsekretär“ („taz“) den WDR überzeugen, kritische Berichte aus dem Internet zu entfernen, mal streitet der CDU-Politiker und Wirtschafts-Staatssekretär aus dem Ruhrgebiet mit seiner getrennt lebenden Frau vor Gericht.

 Auch in einem jetzt aufgetauchten Fall geht es um ein Geschäft aus seiner Vergangenheit. Im Jahr 2000 war der Christdemokrat Oberbürgermeister von Mülheim/Ruhr. Damals sollten 49 Prozent der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft verkauft werden. Die Trienekens AG aus Viersen übernahm den Anteil am 08. September 2000.

 Laut Bericht der städtischen Rechnungsprüfer hat die Stadt Mülheim die Düsseldorfer Anwaltskanzlei Heuking, Kühn und Partner mit der rechtlichen Beratung bei dem Müllgeschäft beauftragt. Allerdings habe es keine Ausschreibung für den Beratervertrag gegeben. Vertreten wurde die Kanzlei im Trienekens-Geschäft unter anderem von der Anwältin Ute Jasper. Pikant: Die Juristin kam in etwa dieser Zeit dem damaligen Mülheimer Oberbürgermeister ganz nahe, wie sich Vertraute hezte erinnern.

 Trienekens beglich die Beratungskosten der Stadt. Dazu rechnete der Müllmanager nach einer Kostennote vom 29. September 2000, die im Besitz der Stadt ist, 316 922 Euro direkt mit der Kanzlei der Baganz-Freundin ab. Die zuständige Staatsanwaltschaft Duisburg stellte Vorermittlungen wegen mangelhafter Auftragsvergaben im Mai 2003 ein. Man habe keine Hinweise auf Rechtsverstöße gefunden, hieß es damals.

 Das könnte sich ändern. In Mülheim zerbricht derzeit ein „Schweigekartell“, wie ein früherer Baganz-Mitarbeiter sagt. Das „Kartell“ entstand bei einer losen Vereinbarung in der Nacht zum 22. November 2002. Damals kamen in Mülheimer Rathaus Politiker zusammen. Gemeinsam berieten sie über die kurz zuvor bekannt gewordene Affäre. Schnell war klar, Oberbürgermeister Baganz muss zurücktreten. Seine Vertraute hatte die Stadt Mülheim nicht nur im Müllgeschäft beraten. Rechnungsprüfer stellten später fest, dass sie und ihre Kanzlei dafür insgesamt 1,4 Millionen Euro erhalten hatten.

  Im Gegenzug für den Baganz-Rücktritt vereinbarten die Politiker ein Stillhalteabkommen. Solange Baganz kein politisches Amt annehme, wollten sie Ruhr halten.

 Nun ist Baganz Staatssekretär. Der Mülheimer CDU-Fraktionschef, Paul Heidrich sagt dazu: „Ich hätte dringend davon abgeraten, ihn zu berufen.“ Ein Mitglied des CDU-Landesvorstands meint: „Es war Irrsinn, Baganz in die Regierung zu holen.“ Die Trienekens-Enthüllung erhöht die Unruhe. Schließlich hatte die NRW-Landesspitze gewarnt: „Noch ein Ding, und es wird sehr eng.“

dsc

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Baganz prüfte fast Baganz

Quelle: WAZ vom 15. September 2006

Von Frank Meßing

BPG war und ist auch für die Stadt tätig Die Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft BPG, an der Dr. Jens Baganz (CDU) nach seinem Rücktritt als Mülheimer Oberbürgermeister 2003 Anteile erworben hatte, war auch während dessen Amtszeit für die Stadt tätig. Eine entsprechende MBI-Anfrage bestätigte Kämmerer Uwe Bonan am Abend im Hauptausschuss.

Nach seinen Angaben legte die BPG für den Zeitraum 2000 bis 2002 die Rechnungsprüfungsberichte für die Arbeit der Stadtverwaltung vor. Am 10. Juli 2003 hatte der Rat Baganz dafür die Entlastung erteilt. Wie Bonan weiter mitteilte, ist die BPG seit 2003 für Eigenbetriebe und städtische Gesellschaften als Prüfer und Berater tätig.

Ex-OB Baganz hatte mit BPG-Gesellschafter Peter Kraushaar 2003 eine Consultingsgesellschaft gegründet. Mit seiner Berufung zum Staatssekretär gab Baganz 2005 seine Anteile zurück, beauftragte Kraushaar aber in neuer Funktion mit einem Gutachten für den RAG-Börsengang. Wirtschaftsministerin Christa Thoben zog daraufhin Ende August die Reißleine, um nicht den Verdacht der "Klüngelwirtschaft" aufkommen zu lassen.

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Der Staatssekretär und die Spitze eines Eisbergs?

Quelle: Welt Kompakt vom 28. August 2006

Von David Schraven

Mülheim - In der Affäre um den NRW-Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz und die mit ihm verbandelte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BPG gerät der CDU-Politiker weiter unter Druck. Es geht um Beratungen der BPG in Mülheim, die von Baganz in seiner damaligen Position als Oberbürgermeister der Ruhr-Gemeinde eingestielt wurden.

Nach Informationen der Welt Kompakt bereitet die Stadt derzeit eine Schadensersatzklage gegen das Düsseldorfer Unternehmen vor. In einem vertraulichen Bericht heißt es, in den Jahresabschlüssen kommunaler Tochterfirmen, die von der BPG betreut worden waren, seien "eine Vielzahl von Unstimmigkeiten festgestellt worden". Zum Beispiel habe die BPG Fehler bei der Übertragung von städtischen Gesellschaften auf die Beteiligungsholding Mülheim (BHM) gemacht. Der Holding sei schriftlich die Auskunft erteilt worden, es sei "ohne Relevanz", ob die Betriebe zum 31. Dezember 2003 oder zum 1. Januar 2004 überschrieben würden. Die Folge laut Bericht: Steuernachforderungen in ungenannter Höhe. In diesem Fall werde "gegen die BPG (...) Klage erhoben", heißt es in dem Bericht weiter. Intern werden Verhandlungen zwischen Stadt und BPG über Schadensersatz bestätigt. Offiziell wollten weder ein Sprecher der Stadt, noch die BPG den Vorgang kommentieren. Für die Mülheimer CDU ist Baganz unter anderem wegen seiner engen Beziehungen zur BPG kaum noch tragbar.

Die Berater waren in der Amtszeit von Baganz nach Mülheim gekommen. Als Bekannte der Baganz-Geliebten und Beraterin, Ute Jasper, hatten sich die Wirtschaftsprüfer etliche Aufträge beim Verkauf von städtischen Unternehmen gesichert. Nach einem Bericht des Mülheimer Rechnungsprüfungsamtes kassierte die BPG allein 268.000 Euro für die Beratung der Städtischen Entwässerungsbetriebe. Die Prüfer stellten fest, dass die Aufträge ohne Ausschreibung vergeben worden seien.

Baganz musste im November 2002 zurücktreten, weil die Affäre des verheirateten Familienvaters mit seiner Beraterin Jasper bekannt geworden war. Die Anwältin hatte laut Rechnungsprüfungsamt 2214 Stunden und 45 Minuten für die Stadt gearbeitet. Die Stunden hätten "zum Teil wegen fehlender Einzelnachweise" keiner Leistung zugeordnet werden können. In einem Schreiben an die Stadtspitze befürchteten die Beamten, "dass strafbaren Handlungen (...) begangen worden sind." Und rieten zur Strafanzeige.

Nach seinem Rücktritt blieb Baganz der BPG treu. Gemeinsam gründeten die Vertrauten die neue Beratungsfirma Econopolis. Erst als Staatssekretär verkaufte Baganz seine Econopolis-Anteile an die BPG. Damit war aber der Kontakt nicht abgerissen. Wenige Monate später erhielt die BPG ohne Ausschreibung einen Vertrag als Baganz-Beraterin in den "Kohlegesprächen" der Landesregierung mit der RAG zu deren Börsengang. Das Wirtschaftsministerium kündigte diese Verträge, nachdem die Verflechtungen der BPG mit Baganz bekannt geworden waren.

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Ministerin verteidigt Staatssekretär

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger vom 24. August 2006

Düsseldorf - NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) hat sich am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss des Landtags hinter ihren in die Kritik geratenen Staatssekretär Jens Baganz gestellt. Dieser hatte einen früheren Geschäftspartner ohne Ausschreibung mit einem 50 000 Euro-Auftrag bedacht. Als dies am Wochenende bekannt wurde, zog Thoben den Auftrag zurück.

Die Ministerin betontet nun, die Auftragsvergabe sei im Ministerium zuvor geprüft worden und juristisch einwandfrei gewesen. Der Beratungsauftrag stand im Zusammenhang mit dem geplanten Börsengang der RAG. Das Ministerium habe sich von außen Rat holen wollen. Es sei sehr schwierig gewesen, einen unabhängigen Geschäftspartner zu finden, der keine Verbindungen zur RAG habe, argumentierte Thoben.

Sie selbst sei von Baganz nicht über die Auftragsvergabe unterrichtet worden. Thoben bewertete das Agieren ihres Staatssekretärs allerdings als politischen Fehler. "Er hat die politische Dimension falsch eingeschätzt", sagte die Ministerin. Künftig sei sichergestellt, dass sie über ähnliche Auftragsvergaben informiert werde. Ihr Vertrauensverhältnis zu Baganz sei nicht gestört, dem Land sei kein Schaden entstanden. Thoben verwies zudem auf zahlreiche freihändige Auftragsvergaben der früheren Landesregierung.

SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft bezeichnete Thobens Äußerung als dreist, wonach es schwierig sei, Berater zu finden, die der RAG nicht nahe stünden. Außerdem gebe es genügend Sachverstand im Ministerium. Bei Baganz, der wegen einer ähnlichen Affäre in Mülheim sein Amt als Oberbürgermeister niederlegen musste, gelte "nach der Vorgeschichte keine Unschuldsvermutung". (tu.)

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"Baganz ist ein guter Mann."

Quelle: taz vom 23. August 2006

Wie bitte? Der umstrittene Skandalsekretär, äh Staatssekretär Jens Baganz hat immer noch Fans bei seiner Partei. CDU-Fraktionschef Helmut Stahl stellte sich gestern während einer Klausurtagung auf dem Bonner Petersberg vor Baganz, der mittlerweile mehr Affären am Hals hat als die CDU Lebenslügen.

Und sonst? Auch Ministerpräsident Rüttgers wurde gelobt auf dem Petersberg. Wenn das mal kein CDU-Bergfrieden ist.

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ZITAT DES TAGES

"Baganz ist ein guter Mann."

Quelle: taz vom 23. August 2006

Das Verhältnis von NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben und ihrem Staatssekretär Jens Baganz (beide CDU) scheint angekratzt zu sein. Der Grund: Der Auftrag für ein 50.000-Euro-Gutachten, den Baganz an einen früheren Geschäftspartner erteilt hatte. "Er hat die Dimension politisch falsch eingeschätzt", urteilte Christa Thoben am Mittwoch (23.08.06) im Wirtschaftsausschuss des Landtages. Rechtlich sei die Auftragsvergabe allerdings nicht zu beanstanden gewesen. Und auch ihr Vertrauensverhältnis zu Baganz sei nicht gestört, versicherte die Ministerin.

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Thoben kritisiert eigenen Staatssekretär

Quelle: WDR vom 23. August 2006

Das Verhältnis von NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben und ihrem Staatssekretär Jens Baganz (beide CDU) scheint angekratzt zu sein. Der Grund: Der Auftrag für ein 50.000-Euro-Gutachten, den Baganz an einen früheren Geschäftspartner erteilt hatte. "Er hat die Dimension politisch falsch eingeschätzt", urteilte Christa Thoben am Mittwoch (23.08.06) im Wirtschaftsausschuss des Landtages. Rechtlich sei die Auftragsvergabe allerdings nicht zu beanstanden gewesen. Und auch ihr Vertrauensverhältnis zu Baganz sei nicht gestört, versicherte die Ministerin.

Thoben hatte den im Zusammenhang mit dem geplanten RAG-Börsengang vergebenen Auftrag gekündigt, nachdem die Beziehungen des Staatssekretärs zur Beratungsfirma bekannt geworden waren. Sie habe dies getan, um "überflüssige politische Diskussionen zu vermeiden". Baganz habe sie vor der Vergabe des Auftrags nicht informiert, so Thoben. Sie hat aber jetzt angeordnet, künftig über solche Vorgänge unterrichtet zu werden.

SPD: "Staatssekretär auf Abruf"

SPD-Fraktionsvize Axel Horstmann sagte, die Aussage von Christa Thoben sei das Eingeständnis, dass Baganz für die oberste politische Führungsspitze des Ministeriums nicht geeignet sei. Er sei ein "Staatssekretär auf Abruf". Die Koalitionsfraktionen konterten: Die Opposition baue lediglich einen "Popanz" auf.

Audio und Video


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Staatssekretär handelte zu freihändig

Wirtschaftsministerin machte Auftragsvergabe rückgängig.

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger vom 22. August 2006

Von Heinz Tutt

Düsseldorf - Jens Baganz, Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium, ist zum wiederholten Mal ins Gerede gekommen. Weil er einen Auftrag in Höhe von rund 50 000 Euro an einen früheren Geschäftspartner, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BPG AG, vergeben hatte, zog Wirtschaftsministerin Christa Thoben jetzt die Notbremse. „Die Prüfung des Sachverhalts hat dazu geführt, dass der Auftrag rückgängig gemacht wurde“, erklärte gestern Ministeriumssprecher Joachim Neuser. „Um jeden bösen Anschein zu vermeiden, trennen wir uns von dem Unternehmen.“

Neuser erklärte ferner, die freihändige Auftragsvergabe durch den Staatssekretär an seinen früheren Geschäftspartner sei in Ordnung gewesen. Das Unternehmen habe bereits für die alte Landesregierung bei der Planung des Metrorapid als Berater gearbeitet. Baganz hatte der Firma den Auftrag erteilt, das Ministerium im Hinblick auf den RAG-Börsengang zu beraten. „An der Auswahl der Berater war ich nicht beteiligt“, erklärte Ministerin Thoben dem Magazin Focus.

Schon einmal gestolpert

Jens Baganz war im Jahr 2002 über eine Vergabe-Affäre in Mülheim als Oberbürgermeister gestolpert. Der verheiratete Politiker hatte einer Freundin damals städtische Beratungsaufträge zukommen lassen und legte nach Bekanntwerden das Amt des Oberbürgermeisters nieder. Danach gründete er zusammen mit einem Geschäftspartner eine Consulting-Gesellschaft.

Nach seiner Ernennung zum Staatssekretär im Juni 2005 verkaufte Baganz seinen 50-Prozent-Anteil zu einem symbolischen Preis von einem Euro an die BPG AG - jene Firma also, die den Beratungsauftrag des Ministeriums später erhielt. Wie in Düsseldorf zu erfahren war, wird die Angelegenheit keine personellen Konsequenzen für den Staatssekretär haben.

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CDU-Politiker attackieren Skandalsekretär

NRW-Staatssekretär Jens Baganz hat die nächste Affäre am Hals: Nun soll der Christdemokrat einem Bekannten einen Regierungsauftrag zugeschanzt haben. CDU-Parteifreunde gehen auf Distanz. SPD: "Baganz ist Wiederholungstäter"

Quelle: taz vom 22. August 2006

Von Martin Teigeler

DÜSSELDORF taz - Staatssekretär Jens Baganz kommt aus den eigenen Reihen unter Druck. Weil der Christdemokrat einem Bekannten einen lukrativen Regierungsauftrag zugeschanzt haben soll, gehen Parteifreunde auf Distanz. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein solches Verhalten in der Landesregierung an den Tag gelegt wird", sagt Mülheims CDU-Fraktionschef Paul Heidrich. Das müsse zu "Konsequenzen" führen, so der Lokalpolitiker. "Es war Irrsinn, Baganz überhaupt in die Regierung zu holen", sagt ein Mitglied des CDU-Landesvorstands. 2002 war Baganz als Mülheimer Oberbürgermeister zurückgetreten - nach einer Affäre mit einer für die Stadt tätigen Rechtsanwältin.

Seitdem kommt der jetzige Staatssekretär von NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben nicht aus den Negativschlagzeilen heraus. Erst im Juli wurde Baganz politische Einflussnahme auf den WDR vorgeworfen, weil er erfolgreich um die Entfernung eines kritischen Manuskripts über seine Mülheimer Vergangenheit aus dem Onlinearchiv des Senders gebeten hatte (taz berichtete). In der vergangenen Woche berichtete die Bild-Zeitung über private Rechtsstreitigkeiten des Staatssekretärs. "Spitzenpolitiker zerrt Ex-Frau vor Gericht", titelte das Blatt.

Die neueste Baganzaffäre: Focus und Welt Kompakt berichten, Baganz habe einen Beratungsauftrag des Wirtschaftsministeriums an einen guten Bekannten vergeben. Demnach soll Baganz ohne Ausschreibung der Firma eines Ex-Geschäftspartners den Beratungsauftrag für den politisch umstrittenen RAG-Börsengang erteilt haben. Als Honorar seien 50.000 Euro an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geflossen. Der Firma habe Baganz bei seiner Ernennung zum NRW-Staatssekretär seine 50-Prozent-Beteiligung an einer anderen Gesellschaft für einen Euro verkauft.

Die Landesregierung reagierte prompt. "Um jeden bösen Anschein zu vermeiden, hat sich das Wirtschaftsministerium vorsorglich von dem Berater getrennt", so ein Sprecher gestern auf taz-Anfrage. In CDU-Kreisen wird eine Entlassung von Baganz nicht mehr ausgeschlossen. "Der Mann muss weg", heißt es.

Auch die Opposition fordert politische Konsequenzen. "Staatssekretär Baganz ist Wiederholungstäter", sagt SPD-Fraktionsvize Axel Horstmann. Ministerin Thoben müsse daraus "die nötigen Konsequenzen ziehen". Es reiche nicht aus, dass die Ministerin jetzt im Nachhinein die Vergabe als falsch erkenne und die Verbindung zu dem Unternehmen kappe, sagt Horstmann und kündigt "ein Nachspiel im Landtag" an.

Unerwarteten Beistand bekommt Baganz von den Grünen. "Da reiben sich jetzt einige Leute bei der RAG die Hände", sagt der grüne Fraktionsvize Reiner Priggen. Es sei in Düsseldorf ein offenes Geheimnis, dass gegen den im Wirtschaftsministerium für den RAG-Börsengang zuständigen Baganz eine Kampagne laufe. "Das entschuldigt natürlich nichts, falls man Baganz falsches Verhalten nachweisen kann", sagt Priggen. Die Kohlelobby in NRW hätte jedoch ein Interesse daran, Baganz zu schwächen.

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Ministerium trennt sich von Berater

Quelle: WDR vom 21. August 2006

Das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium hat sich von einem Wirtschaftsprüfer getrennt, der ein früherer Geschäftspartner des Staatssekretärs Jens Baganz (CDU) war. Der Auftrag sei zurückgezogen worden, um "jeden bösen Anschein auszuschließen", so ein Ministeriumssprecher am Montag (21.08.06). Der Wirtschaftsprüfer hatte das Ministerium im Zusammenhang mit dem geplanten Börsengang der RAG beraten, der Auftrag hatte ein Volumen von bis zu 50.000 Euro.

Staatssekretär Baganz war bis 2002 Oberbürgermeister der Stadt Mülheim. Anschließend gründete er mit dem Wirtschaftsprüfer eine Beratungsgesellschaft, aus der er mit seinem Amtsantritt in Düsseldorf ausschied. Wirtschaftsministerin Christa Thoben sagte dem "Focus", dass sie an der Auswahl des Beraters nicht beteiligt gewesen sei und von dessen Beziehungen zum Staatssekretär nichts gewusst habe.

Kritik der Opposition

Diese Aussage nimmt die SPD zum Anlass, Konsequenzen zu fordern. Wenn es stimme, dass sie nicht informiert gewesen sei, habe ihr Staatssekretär das Vertrauensverhältnis zu seiner Ministerin "massiv verletzt", so Axel Horstmann, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Er kündigte an, das Thema auf die Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses zu setzen.

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Spitzenpolitiker zerrt Ex-Frau vor Gericht

Er will monatlich 2000 Euro Unterhalt von ihr, obwohl er 9965 Euro verdient - und sie nur 1600!

Quelle: Bild vom 15. August 2006

Von H. von der Gathen, K. Kelle und J. Offermanns

Düsseldorf - ER residiert mit neuer Freundin in einer Prunk-Villa am Rhein - für 8700 Euro Miete im Monat. SIE lebt mit den beiden Kindern (15 und 13) in einer Drei-Zimmer-Wohnung. ER verdient 9965 Euro brutto, SIE 1600 netto. Und trotzdem will ER jetzt Unterhalt von IHR!

Der irre Fall beschäftigt gerade das Oberlandesgericht.

Dr. Jens Baganz (45) ist Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium. Seine von ihm getrennt lebende Frau Kathrin (43) arbeitet als Telefonistin. 2000 Euro im Monat verlangt Baganz jetzt rückwirkend von seiner Ex!

Es geht um das Jahr 2004, damals war er freiberuflich tätig. Bei seiner Forderung beruft er sich auf eine Trennungsvereinbarung.

Der Richter hatte die Eheleute gestern persönlich geladen. Sie trafen sich auf dem Flur. Wechselten aber kein einziges Wort miteinander. Hinter verschlossenen Türen drängte der Richter auf ein Ergebnis. Eine Freundin der Politiker-Frau zu BILD: "Frau Baganz hat schlechte Karten. Ihr Mann rechnet sich vor Gericht arm! Angeblich mußte er sich 130 000 Euro bei der neuen Lebensgefährtin leihen, die er nun zurückzahlt..."

Baganz selbst sieht die Sache anders - und sich als Opfer. Er zu BILD: "Meine Frau will auch bei kleinsten Kleinigkeiten keinen Kompromiss mittragen!"

Die Akte Dr. Jens Baganz

Der studierte Jurist Dr. Jens Eugen Baganz (45) wurde 1999 Oberbürgermeister von Mülheim/Ruhr, galt als Polittalent mit Zukunft. 2002 schien seine politische Karriere jedoch beendet: Aus "privaten Gründen" trat er zurück. Es war ans Licht gekommen, dass Baganz (verheiratet, zwei Kinder) ein Verhältnis mit einer attraktiven Anwältin (44) hatte, die die Stadt Mülheim angeblich gegen ein sechsstelliges Honorar beriet. Baganz' Ehe ging kaputt, er lebt seitdem mit der Anwältin zusammen. Sein Comeback erlebte er nach der Landtagswahl 2005: Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) machte ihn zum Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von Christa Thoben.

jo

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Sauereien und Korruption

Der WDR-Baganz-Skandal

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat es wirklich eilig. Nur ein Jahr im Amt und bereits der zweite hohe Amtsträger in einen Skandal verwickelt. Nachdem ausgerechnet der Bauminister Wittke Hauptverantwortlicher in einem Bauskandal in Gelsenkirchen ist (die Berliner Umschau berichtete), ist es jetzt der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Dr. Jens Baganz, dessen Name in den Medien in rufschädigenden Zusammenhängen erscheint. Und der WDR (Westdeutscher Rundfunk) hat auch seinen Skandal.

Quelle: Berliner Umschau vom 03. August 2006

Von Karl Weiss

Dabei muß man sich wirklich fragen, ob die CDU in Nordrhein-Westfalen kein weniger kompromittiertes Personal zu bieten hat. Es handelt sich nämlich in beiden Fällen gar nicht ursächlich um Aktivitäten in der Landesregierung, die jetzt Anlaß zu Skandalen geben, sondern deren „Vorgeschichte“. Beide Spitzenpolitiker haben nämlich eine Vergangenheit als Bürgermeister, Wittke in Gelsenkirchen und Baganz in Mülheim.

Wittke hatte als Gelsenkirchener Bürgermeister einen Vertrag für die Sanierung des damals als Rathaus genutzten Hans-Sachs-Hauses unterschrieben, der dem Stadtrat als Ganzem in der endgültigen Version nicht gezeigt worden war, nur ausgewählten Freunden Wittkes. Er schusterte den Firmen und Banken des Sanierungs-Zusammenschlusses lasche 25 Millionen Euro zu, an den Stadträten Gelsenkirchens vorbei. Die Sanierung erwies sich als unbezahlbar und das Hans-Sachs-Haus wurde zur größten Bauruine des Landes - und der neue Bauminister der Verantwortliche. Sowas nennt man Feingefühl bei der Auswahl der Minister, nicht?

Baganz ist dagegen mehr auf der Don-Juan-Spur. Die christliche CDU, christlichen Werten wie der ehelichen Treue verpflichtet und in der Abkehr von diesen Werten den Untergang des Abendlandes vermutend, nimmt es nicht mehr so genau mit der ehelichen Treue, wenn es um herausragende Persönlichkeiten der eigenen Partei geht. Bürgermeister Baganz von Mülheim legte sich nämlich eine Geliebte zu, eine gewisse Ute Jasper, Rechtsanwältin ihres Zeichens und lebte dann auch mit ihr zusammen. Genau dieser Frau gab er einen millionenschweren (1,4 Mio. Euro) Beratervertrag mit der Stadt Mülheim, als Bürgermeister!

Sie war als Beraterin dafür verantwortlich, daß beim Verkauf der städtischen Werte die RWE und nicht die Gelsenwasser die Wasserwerke bekommen hat, obwohl jene 80 Millionen mehr geboten hatte. Ähnlich verhielt es sich beim Verkauf der Mülheimer Entsorgungsbetriebsanteile. Den Zuschlag bekam - ohne Ausschreibung - die vor allem in Köln inzwischen gerichtsnotorische Trienekens.

Es wurde nie eindeutig bewiesen, ob und wieviel die Rechtanwältin und/oder ihr ‚Lover’ für diese Liebesdienste von RWE und Trienekens erhielten, aber der gesunde Menschenverstand ...

Als dies alles herauskam, trat Baganz einfach zurück und - nichts. Keine Ermittlungen. Keine „brutalstmögliche Aufklärung“. Das ist nun immerhin schon 4 Jahre her.

Er verschwand von der Bildfläche (die Menschen haben ein kurzes Gedächtnis) und arbeitete eine Zeit als „Berater“, interessant, nicht? Diese Art von Leuten fallen immer auf die Füße.

Und die Partei stand weiter wie ein Mann hinter ihm. Kaum kam man in Nordrhein-Westfalen an die Regierung, wurde er schon wieder in ein hohes Amt gerufen. Seine Geschichte prädestinierte ihn ja für so etwas, nicht wahr?

Die Schlauberger und die „Experten“ finden immer zusammen, nicht?

Nun passierte aber etwas unschönes. Im Zuge ihrer Recherchen über die desaströsen Privatisierungen nordrhein-westfälischer Kommunen stießen der Kölner Autor und Klüngel-Experte Werner Rügemer und die Redakteurin Leslie Rosin vom WDR auf die Mühlheim-Geschichte. Sie wurde auf dem Rundfunksender WDR 5 gesendet. Das Manuskript, wie üblich, im Internet zur Verfügung gestellt.

Na, fast niemand hört WDR 5, aber wer hat es schon gerne, wenn seine Machenschaften im Internet eingesehen werden können? Ermutigt von seinem CDU-Parteifreund Thomas Kemper, damals Medien-Staatssekretär, beschwert sich Baganz gleich ganz oben, bei WDR-Intendant Fritz Pleitgen und verlangte, das Material aus dem Internet zu nehmen.

Hätte es irgendeine nicht belegte Behauptung oder gar Unwahrheit enthalten, hätte Baganz einfach eine teure Abmahnung oder gleich einen Prozeß androhen und so erreichen können, daß der Beitrag hätte entfernt werden müssen. Daß er das nicht tat, belegt also, daß alles wahr und belegt ist. Er weiß das alles ganz genau als promovierter Volljurist. Immer Juristen. Haben die im Jura-Studium ein Fach Sauereien und Korruption?

Ab diesem Moment, wird das Ganze von einem Skandal Baganz zu einem Skandal WDR-Baganz. Denn statt der üblichen vorgedruckten Antwort, die normale Bürger bekommen, wenn sie sich über schlechte Behandlung ihrer Person im Äther beschweren, nach dem Motto: „Haben nichts zurückzunehmen, wenn Sie sich beleidigt oder verleumdet fühlen, steht Ihnen der Rechtsweg offen“, reagierte der WDR unter Pleitgen damit, das ganze 35-seitige „Feauture“ des WDR 5 auf Fehler absuchen - und siehe da, man wurde fündig.

Der Rundfunkbeitrag hatte tatsächlich die Aussage von Baganz, er werde vom RWE-Konzern und der WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) unterstützt, auf kurz vor dem Rücktritt gelegt. Die war aber schon Monate vorher gefallen.

Damit hatte man einen Vorwand, dem Wunsch nachzukommen, das CDU-inkriminierende Material aus dem Internet zu nehmen.

Rein zufällig ist Pleitgen für seine Wiederwahl auf die CDU-Stimmen angewiesen. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt.

Wie es sich gehört bei Obrigkeit, muß man sich natürlich auch noch entschuldigen. Das tat WDR-Hörfunkdirektorin Monika Piel in einen Entschuldigungsbrief an CDU-Staatssekretär Baganz. Unterwürfigst liest man da: "Ihrer Bitte, das Sendemanuskript aus unserem Internet-Angebot zu entfernen, sind wir in der Zwischenzeit nachgekommen."

Es lebe die Demokratie! Wenn es sie denn gäbe.

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MÖLMSCHE WOCHE

Mülheimer Vergangenheitsbewältigung

Quelle: WAZ vom 22. Juli 2006

Kommentar von Frank Meßing

Wer aktuelle Entwicklungen beurteilen will, schaut am besten zurück in die Ver­gangenheit. Mülheim tut das an vielen Stellen - zur Vor­bereitung des 200. Stadtge­burtstags im Jahre 2008, zur Einrichtung eines Gründer­museums, bei Gedenkver­anstaltungen und nicht zu­letzt beim Besuch des neuen Bürgermeisters aus der isra­elischen Partnerstadt Kfar Saba.

Ein Stück recht junger Mülheimer Vergangenheitsbewältigung findet derzeit in einigen überregionalen Ta­geszeitungen statt. Da wird berichtet, dass der frühere Oberbürgermeister Dr. Jens Baganz und heutige Staats­sekretär im NRW-Wirt­schaftsministerium dafür ge­sorgt haben soll, dass das Manuskript eines Radio-Bei­trags auf WDR 5, der bereits am 5. März ausgestrahlt worden war, aus dem Inter­net genommen wird. Darin setzt sich der freie Autor und als „Korruptionsexper­te" titulierte Werner Rüge­mer mit der Privatisierung städtischer Einrichtungen auseinander und beleuchtet Baganz' Rolle etwa beim Verkauf der kommunalen Anteile an RWW und MEG. Baganz ließ sich bei diesen Prozessen seinerzeit von der Anwältin Dr. Ute Jasper be­raten, die von ihm ein Kind erwartete.

Die Affäre des verheirate­ten Familienvaters nannte im November 2002 Baganz als offiziellen Grund für sei­nen Rücktritt als Oberbür­germeister. Seither halten sich die Spekulationen, dass es noch andere Motive gab,für die nach Aktenlage im Rathaus aber keine Bestäti­gung zu erhalten sind.

Baganz' Druck auf den WDR gibt diesen Gerüchten nun neue Nahrung. Aller­dings hat der Sender inzwi­schen selbst eingeräumt, dass es in dem ansonsten „hervorragend recherchier­ten" Beitrag Ungenauigkei­ten gab. Darüber hatte sich auch die amtierende Ober­bürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld offiziell be­schwert. Baganz selbst legt Wert auf die Feststellung, dass er sich wenige Tage vorseinem Rücktritt nicht ge­rühmt habe, RWE und WAZ stünden hinter ihm.

Die Chefredaktion der WAZ übrigens hatte Anfang 2004 den Versuch des CDU-Politikers abgewehrt, einen Artikel der Lokalredaktion zu verhindern. Wir berichte­ten darüber, dass Baganz mit zwei Kripobeamten im Schlepptau seiner von ihm getrennt lebenden Frau Kat­rin untersagen wollte, Möbel in ihre neue Wohnung zu bringen. Der juristische Streit um Unterhaltzahlun­gen läuft noch immer.

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Gelöscht: Netzkultur beim WDR

Quelle: comcologne vom 20. Juli 2006

1999 genügte für den Kölner Journalisten und Filmemacher Peter Kleinert ein Anruf beim Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, um zu erfahren, dass gegen den damaligen Oberstadtdirektor Klaus Heugel (SPD) wegen Insiderspekulationen mit F & G-Aktien ermittelt wurde. Heugel musste zurücktreten, und die SPD verlor die Kölner OB-Wahl. Jetzt ist der Muckracker WDR-Intendant Fritz Pleitgen auf der Spur – als Verantwortlichem für einen Vorgang, bei dem das Ansehen des WDR als unabhängige Anstalt beschädigt werden könnte. Im Kern geht es um einen Satz aus einem Brief von WDR-Hörfunk-Direktorin Monika Piel an den heutigen NRW-Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz (CDU), den der frühere OB von Mülheim/Ruhr in der letzten Woche enthielt: „Ihrer Bitte, das Sendemanuskript aus unserem Internet-Angebot zu entfernen, sind wir in der Zwischenzeit nachgekommen“. Das liest sich so, als komme der WDR nicht nur nach, sondern der CDU entgegen. Baganz hatte seine Bitte um die Entfernung des seiner Meinung nach fehlerhaften Beitrags zuvor mit Thomas Kemper (CDU) abgestimmt, „der mich zu dem Brief ermuntert hat.“ Ex-Medienstaatssekretär Kemper ist vor zwei Wochen im Zusammenhang der Regierungsumbildung von MP Jürgen Rüttgers „aus persönlichen Gründen“ zurückgetreten.

Bei dem Beitrag handelt es sich um das Feature „Mülheim oder: das große Schweigen, in dem der Kölner Autor und Klüngel-Experte Werner Rügemer im März auf WDR 5 Privatisierunggeschäfte in der früheren Amtszeit von Baganz durchleuchtet hatte. Aus diesem Manuskript, das zur Dokumentation auf die WDR-Website gestellt worden war, wollte Kleinert zitieren und fragte routinemäßig beim Intendanten um Erlaubnis. Welche Aufregung die Anfrage auslöste, ist per Mail dokumentiert: die zuständige Redakteurin, die sich für ihre Korrespondenz mit Kleinert Rückendeckung von oben erhoffte, schickte versehentlich auch ihre Korrespondenz mit Vorgesetzen an Kleinert. Währenddessen verschwand das Feature von der Website. „Die Maßnahme erfolgte unabhängig von einem Schreiben des Mülheimer Ex-Oberbürgermeisters Baganz“, hatte Piel noch am Dienstag erklärt. Jedenfalls wurden keine Zitate authorisiert.

In dem fraglichen Feature kann man nachlesen, warum Baganz nach drei Amtsjahren ganz plötzlich seinen OB-Posten aufgegeben hatte. Ein Grund war seine Liason mit der Rechtsanwältin Ute Jasper, die als seine Beraterin dafür gesorgt hatte, dass nicht die Gelsenwasser AG die Mülheimer Wasserwerksanteile bekam (obwohl sie 80 Mio Euro mehr geboten hatte), sondern die RWE. Ähnlich verhielt es sich beim Verkauf der Mülheimer Entsorgungsbetriebsanteile. Den Zuschlag bekam – ohne Ausschreibung - Trienekens. Als die Mülheimer Minderheitsfraktion MBI einen Bericht des Rechnungsprüfungsamtes durchgesetzt hatte, entdeckte man in der Beziehung Baganz-Jaspers einen „korruptionsspezifischen Indikator“ und informierte Stastsanwaltschaft, Innenministerium und EU. Baganz trat zurück. Jetzt, in neuer Funktion als Berater von CDU-Wirtschaftsministerin Christa Thoben, fühlte er sich stark genug, um auf angebliche Fehler in Rügemers Recherche aufmerksam zu machen. Er sei eben nicht, wie behauptet, vom RWE-Konzern und der WAZ unterstützt worden. Piel kam ihm entgehen. Rügemers Beitrag enthalte „auf S. 14 aufgrund eines unsauber formulierten Zeitbezugs eine Aussage, die als falsch gewertet werden kann.“

P.S. Immer wenn es brenzelig wird, nimmt der WDR was aus dem Netz. Kürzlich entfernte die Anstalt unliebsame Passagen aus dem Pleitgen-Portrait von Wikipedia. Andere User setzten sie jeweils wieder rein. Laut Wikipedia endet Pleitgens „letzte reguläre Amtszeit als Intendant des WDR nach seiner Wiederwahl am 14. September 2000 im Juli 2007. Er hatte zu dieser Wiederwahl geplant, sie nur zur Hälfte auszunutzen verwarf diese Idee jedoch. Über seine Nachfolge ist ein politischer Streit innerhalb des 43-köpfigen Gremiums des WDR entbrannt. Pleitgen selbst zeigte sich bereit, falls er vom Rundfunkrat berufen werde und es keine Einigung über einen Nachfolger gäbe. Dabei verweigert ihm jedoch seine eigene Partei, die SPD, inzwischen die Unterstützung, ebenso der Vorsitzende des Rundfunkrates des WDR, stattdessen ´fährt Pleitgen nun auf CDU-Ticket`, so die taz“. So steht es derzeit im virtuellen Lexikon.

Info: http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Pleitgen

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WDR bittet Staatssekretär um Entschuldigung

Löschaffäre um kritischen Radiobeitrag: WDR-Hörfunkdirektorin Monika Piel schreibt einen Entschuldigungsbrief an CDU-Staatssekretär Baganz. SPDler greift Senderchef Fritz Pleitgen an: "WDR braucht einen neuen Intendanten"

Quelle: taz vom 20. Juli 2006

Von Martin Teigeler

DÜSSELDORF taz - Der Westdeutsche Rundfunk sagt sorry. In einem Schreiben an die Privatadresse von CDU-Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz hat sich WDR-Hörfunkdirektorin Monika Piel für einen "journalistischen Fehler" in einem Radiobeitrag über Baganz' Vergangenheit als Mülheimer Oberbürgermeister entschuldigt. "Ihrer Bitte, das Sendemanuskript aus unserem Internet-Angebot zu entfernen, sind wir in der Zwischenzeit nachgekommen", heißt es in dem der taz vorliegenden Schreiben, das Baganz in der vergangenen Woche zugesandt wurde. Mitte Juni hatte Baganz in einem Brief an WDR-Intendant Fritz Pleitgen um die Entfernung des seiner Meinung nach fehlerhaften Beitrags aus dem WDR-Internetangebot gebeten.

Hat der WDR also doch auf Baganz' Druck hin einen Radiobeitrag überprüft und gelöscht? Eine WDR-Sprecherin bestreitet dies weiterhin, Piel räume aber ein, die Formulierung in dem Brief an Baganz sei "missverständlich". In einer Pressemitteilung hatte die WDR-Hörfunkdirektorin das Löschen des kritischen Radiobeitrags am Dienstag nämlich noch ganz anders erklärt: "Die Maßnahme erfolgte unabhängig von einem Schreiben des Mülheimer Ex-Oberbürgermeisters Baganz." Das "im übrigen sehr gut recherchierte und detaillierte" Feature über umstrittene Privatisierungsgeschäfte in Mülheim sei aufgrund einer anderen Beschwerde überprüft und schließlich aus dem Onlinearchiv entfernt worden (taz berichtete). In dem Brief Piels an Baganz heißt es nun: Das Manuskript des Beitrags enthalte auf Seite 14 "aufgrund eines unsauber formulierten Zeitbezugs eine Aussage, die als falsch gewertet werden kann".

Eben dies hatte Baganz in seinem Protestbrief an Pleitgen unter anderem kritisiert: "Es ist falsch, dass ich einige Tage vor meinem Rücktritt verkündet habe, ich würde ,vom RWE-Konzern und der WAZ' unterstützt." Baganz war 2002 zurückgetreten - offiziell "aus privaten Gründen". Doch die Gründe waren laut Beobachtern nur zum Teil privat: Baganz lebte mit einer Vergaberechtsexpertin zusammen, die die Stadt Mülheim für ein angeblich sechsstelliges Honorar bei den entscheidenden Privatisierungen beraten hatte.

NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek will Einflussversuche der CDU-Landesregierung auf Medien weiter untersuchen. "Besonders das Verhalten von Noch-Medienstaatssekretär Thomas Kemper sollte aufgeklärt werden", sagte Groschek gestern zur taz. Der scheidende Regierungssprecher Kemper hatte Baganz ermuntert, sich an Pleitgen zu wenden.

Unterdessen hat der SPD-Landtagsabgeordnete Karsten Rudolph offen gegen WDR-Intendant Fritz Pleitgen Stellung bezogen - in einer anderen Sache. Rudolph ist gegen eine erneute Wiederwahl des Senderchefs. "Der WDR braucht einen neuen Intendanten", sagte WDR-Rundfunkratsmitglied Rudolph der WAZ. Mit Pleitgen an der Spitze habe die Kölner Anstalt keine Zukunft. CDU-Vertreter wollen den Vertrag Pleitgens dagegen verlängern.

Steckt hinter den SPD-Attacken in der Löschaffäre gar personalpolitisches Kalkül? Soll Pleitgen sturmreif geschossen werden, um seine Wiederwahl zu verhindern? Für Groschek haben beide Vorfälle "nichts" miteinander zu tun. Auch SPD-Rundfunkratsmitglied Karin Junker sagt: "Karsten Rudolph hat Herrn Pleitgen ja schon häufiger kritisiert." Über einen Zusammenhang zum aktuellen Fall Baganz wisse sie nichts, so die SPD-Frau. Rudolph spreche jedoch nicht für die Gruppe der SPD-Vertreter im WDR-Rundfunkrat.

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wdr macht sauber

In schlechter Tradition

Quelle: taz vom 19. Juli 2006

KOMMENTAR Von Klaus Jansen

Bayern soll berühmt sein für Filz und Kumpanei? So ein Quatsch. NRW war in dieser Disziplin schon immer besser - nicht nur in 39 Jahren SPD-Herrschaft. Die Posse um den WDR-Beitrag über den CDU-Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz zeigt nun, dass auch die schwarz-gelbe Landesregierung nicht gewillt ist, diese Spitzenposition aufzugeben.

Die Causa Baganz ist so schön, dass man sie einfach noch einmal plastisch zusammenfassen muss: Ein nach Korruptionsvorwürfen aus der Stadt gejagter Oberbürgermeister wird in der Landesregierung als Staatssekretär untergebracht. Seine Vergangenheit holt ihn in Form eines kritischen Radiobeitrags ein. Ausgerechnet der für den Rundfunk zuständige Medienstaatssekretär rät ihm, beim öffentlich-rechtlichen Landessender in der Sache zu intervenieren - bei einem Intendanten, der für eine Wiederwahl die Unterstützung der CDU-dominierten Mehrheit des Rundfunkrats bräuchte. Wer jetzt nicht sofort laut "Filz!" brüllen will, kann sich nur verwundert fragen, wie dummdreist man eigentlich sein kann.

Dass die Landesregierung ein gestörtes Verhältnis zur Öffentlichkeit hat, ist nicht neu. Schon die Affäre um den gefälschten Abdruck einer Regierungsbilanz der Bild-Zeitung in der hauseigenen Presseschau offenbarte, wie neurotisch die Staatskanzlei auf kritische Medienberichte reagiert. Dass CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst nun das Recht auf Pressefreiheit mit dem Gut einer wie auch immer gearteten "fairen" Berichterstattung gleichsetzt zeigt nicht nur, dass er das Grundgesetz nicht richtig kennt. Es passt auch zu einer Landesregierung, die mit genehmen Medienvertretern kungelt und auf missliebige Journalisten Druck ausübt.

Im Fall Baganz wäre es übrigens ganz einfach gewesen, den peinlichen Eindruck der Einflussnahme auf den WDR zu vermeiden. Wäre der Beitrag über seine Vergangenheit tatsächlich falsch gewesen, hätte er schlicht auf Unterlassung klagen können. Das aber hat sich Baganz wohl nicht getraut.

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