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MBI-Etatrede 2000, Ratsitzung am 6.4.00

Herr Oberbürgermeister Dr. Baganz sprach in seiner Etatrede Anfang Februar von der Diabolischen Schuldenfalle, in die  unsere Stadt geraten ist. Das ist und bleibt sicher auch so, wenn kein konsequentes wirkliches Sanierungskonzept aufgestellt und umgesetzt wird.

Bei der fulminanten Auftaktveranstaltung  der sogenannten öffentlichen Etatberatungen, als Herrn Grandke aus Offenbach dabei war, erhielten wir den Eindruck,  auch in dem Mülheimer Haushaltsentwurf wäre etwas Neues, das anders als in der 90er Jahren strukturelle Veränderungen einleiten würde.

Was uns im Februar dann vorgelegt wurde,  war sehr ernüchternd  und erwies sich bald in vielen Punkten auch als nicht machbar oder nicht sinnvoll. Logischerweise umfasst der nun vorgelegte Veränderungsnachweis fast 200 Seiten, weil in den politischen Beratungen ganz andere Schwerpunkte gesetzt wurden. Dabei war sich die Politik in vielen Punkten einig. Alleine das spricht Bände.

Auf dem NRW-Städtetag kritisierte der Krefelder OB Pützhofen sehr deutlich, dass das Innenministerium die Städte zu Gruselkatalogen im HSK  zwingen wolle mit ungeeigneten schablonenhaften Vorgaben. Der vorgelegte Mülheimer Entwurf hielt sich dagegen sehr stringent  und fast sklavisch an die Vorgaben des Landes. Das Ergebnis wies  völlig falsche Signale für die Stadtentwicklung auf und glänzte mit einer langen Liste von willkürlichen Kürzungen im Kultur- und Sozialbereich. Im heute vorliegenden Veränderungsnachweis sind die folgenschwersten Maßnahmen nicht mehr enthalten. Dennoch sagen wir für die MBI:  auch die veränderte Fassung  hat mit ernsthafter Haushaltsanierung nur wenig zu tun. Wir lehnen den Haushalt deshalb ab.

Die Streichung der Streichungen reicht nämlich bei weitem nicht aus, ganz unabhängig davon, ob Düsseldorf dem vorliegenden Entwurf zustimmt. Insbesondere beklagen wir folgende Mängel:

Beschlossene und einschneidende Veränderungen in unserer Stadt wie das zentrale Immobilienmanagment, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft und die Teilprivatisierung der Entsorgungsbetriebe sind nicht berücksichtigt. Die Haushaltssicherung wird längst überholt sein, bevor sie zum Tragen kommen könnte.

Die Einsparungen bei der Gebäudereinigung halten wir in der angedachten Form für höchst fragwürdig.

Die Streichung der Zuschüsse für das Landschulheim Hohenunkeln die beabsichtigte Schließung der Stadtteilbüchereien in Dümpten und Saarn und die Streichung der Stelle für das Stadtgeschichtliche Museum halten wir für falsch. Die Aufgabe der Stadtgärtnerei erscheint uns nicht ausreichend durchdacht. Wir vermissen deutlichere Ansätze im Haushalt für die Stärkung der Innenstadt und den Ausbau der Stadtteilzentren.

Das Rasenmäherprinzip bei Personaleinsparungen ist auf Dauer nicht tragfähig. Wir vermissen hier ein klares Konzept für die nächsten Jahre, damit nicht Jahr für Jahr Musik nur in immer neuen Streichkonzerten ertönt.

Die beiden entscheidenden Komplexe für eine strukturelle Haushaltsverbesserung liegen zum einen im Personalbereich, der ca. 1/3 der Ausgaben ausmacht, zum anderen bei den Betrieben der Stadt. Zu beiden Punkten können wir kein Konzept erkennen.

Stellenstreichung um ihrer selbst willen ist auf Dauer eher schädlich. Wenn grundsätzlich pro Dezernat oder Amt rein prozentual Personaleinsparungen angesetzt werden, liegt darin keine Perspektive. Hier muss klar sein, wo der Zug hingeht, wie die Vewaltungsstruktur in 5 bis 10 Jahren aussehen soll. Dies ist aber noch nicht zu erkennen.

Bei den Betrieben der Stadt liegen große Teile des städtische Vermögens. Gewinne aus RWE-Aktien oder Abführungen der Beteiligungsgesellschaften werden zur Verrechnung der Defizite der Betriebe verwandt. So werden Steuern gespart. Unabhängig davon, wie man es wertet, wenn eine öffentliche Hand der anderen Steuern nicht gibt, liegt unseres Erachtens hier ein bzw. der wesentliche Schlüssel für wirkliche Haushaltssanierung. Erst wenn die Stadt ihr Vermögen wieder selbst in der Hand hat, kann ernsthaft an Schuldentilgung im größeren Stil gedacht werden. Gleichzeitig wird das jährliche Defizit der Betriebe von ca. 50 Millionen  erst dann und nur dann angegangen werden. Da auch in den Punkten ein Konzept kaum zu erahnen ist, können wir im vorliegenden Haushalt insgesamt  keinen Ansatz erkennen, der uns aus der Diabolische Schuldenfalle hinausführen könnte und  der in 4 Jahren einen wirklich ausgeglichenen Haushalt zum Ergebnis haben könnte.

Im Finanziellen wie in der Stadtentwicklung müssen Entscheidungen im Sinne der Agenda 21 nachhaltig sein, wollen wir Probleme nicht auf unsere Kinder abwälzen. Genau auf diesen Punkt hat auch Frau Semmler sehr richtig in ihrer Etatrede hingewiesen. Der vorgelegte Entwurf auch mit den Nachbesserungen trägt dem aber in keiner Weise Rechnung.

Es ist nämlich das Gegenteil von Nachhaltigkeit, wenn die seit langem überfällige Änderung der Verkehrsführung Innenstadt auf Sankt Nimmerlein verschoben würde und die sowieso  unter starkem Druck stehende City noch schneller ins Hintertreffen geriete gegenüber RRZ, Centro oder Multicasa. Es ist schwer vorstellbar, dass eine unserer Nachbarstädte auch nur den Versuch unternommen hätte, ein ähnlich falsches Signal für die Innenstadt zu versuchen. Ähnlich verhält es sich mit der Umgehungsstraße Dümpten, mit der auch die Entwicklung riesiger Brachflächen verknüpft ist. Aus falsch verstandener Ehrfurcht vor den schematischen Vorgaben der Finanzaufsicht wurden zuerst die falschen Signale gegeben, um dann in recht kurzer Zeit alles doch wieder zu ändern.

Es hat auch überhaupt nichts mit Nachhaltigkeit zu tun, wenn z.B. bei der Obdachlosenhilfe die Sozialarbeiterstelle gestrichen werden sollte, obwohl diese Stelle nachweislich der Allgemeinheit durch präventive Beratung viele Unkosten ersparte. Ebensowenig nachhaltig ist die Zerstörung sozialer Infrastruktur aus rein haushaltstechnischen Gründen heraus, sei es die Schließung von Stadtteilbüchereien, des Styrumer Freibades oder der Altentagesstätte Schillerstraße und und und.

Überhaupt hatten wir den Eindruck, dass eine Reihe der Punkte der urspünglichen Streichliste mehr erzieherischen Charakter hatten, als ernsthaft der Haushaltssanierung dienen zu können.

Notwendige nachhaltige Prozesse auch bei Einsparungen können aber nur unter folgenden Gesichtspunkten erfolgreich eingeleitet werden:

1)Wenn Transparenz und Bürgerbeteiligung schon in der  Zielbestimmung gegeben sind

2)Wenn alle Maßnahmen auf mittel - und langfristige Folgekosten überprüft wurden

3)Wenn durch rein schematische oder bürokratische Kürzungen woanders nicht neue Löcher aufgerissen werden

4)Wenn das Sanierungskonzept  Glaubwürdigkeit besitzt und das Gebot der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.

5)Wenn Gelder für präventive Maßnahmen und zukunftsfähige Investitionen trotz Sparkurses zur Verfügung stehen

Im Einzelnen:

Die Mülheimer Etatveranstaltungen der letzten Wochen waren PR-mäßig hervorragend gemacht und sicher entsprechend teuer. Wenn aber außer Presse, Amtsleitern und Dezernenten schon mal betroffene Bürger anwesend waren, wirkten deren Beiträge eher störend. Von Anregungen und Vorschlägen war wenig zu hören.

Die MBI begrüßen es ausdrücklich, mit Haushaltsdiskussionen zu den Bürgern zu gehen, doch ist das nur erfolgreich, wenn nicht erst kurz vor Entscheidungen mit den Beteiligten gesprochen wird. Dann ergeben sich auch eher gangbare Ansätze und andere kreative Modelle. In Porto Allegre in Südbrasilien dauerten die Etatberatungen unter Einbeziehung der Bürger ein ganzes Jahr und die Ergebnisse waren vorbildlich. Wir sollten uns daran ein Beispiel nehmen.

Die starre Grundlogik des vorliegenden Sparhaushalts halten wir für stellenweise kontraproduktiv. Bestes Beispiel ist der Fahrrad-Fußweg durch Speldorf vom Raffelberg bis zum MüGa-Gelände.

Lediglich 135.000DM muß die Stadt selbst dafür investieren, durch die Erschließung werden aber die städtischen Grundstücke auf der Trasse der aufgegebenen Emmericher Straße verkäuflich, was mehrere Millionen zusätzliche Einnahmen bedeutet.

Dieser Goldesel Fahrrad-Fußweg war aber im 1. Haushaltsentwurf gestrichen, weil von der reinen Lehre her eben keine neuen Investitionen möglich sein sollen. Wir können uns nicht vorstellen, dass es der Kommunalaufsicht nicht klarzumachen sein soll, dass sowohl die Investition der 135.000DM als auch die dadurch erzielbaren Erlöse in Millionenhöhe im gleichen Verwaltungshaushalt verbucht werden können, um damit notwendige Investitionen in der Innenstadt oder auch in Speldorf abzudecken.

Ähnlich verhält es sich mit den städtischen Häusern am Klöttschen. Sie wurden vor vielen Jahren gekauft, um den Klöttschen als 4-spurige Ausfallstraße verbreitern zu können. Diese Planung als Teil der alten Verkehrsführung Innenstadt wurde aber schon vor Jahren aufgegeben. Was also liegt näher als die Häuser am Klöttschen wieder zu verkaufen und die Erlöse für die Umsetzung der beschlossenen neuen Verkehrsführung Innenstadt zu verwenden. Wegen der starren Haushaltsvorgaben die Punkte vollständig zu trennen, erscheint uns aufgesetzt und falsch.

In beiden Fällen haben die Erfolge Mülheimer Bürgerinitiativen der Stadt Einnahmemöglichkeiten eröffnet, ob bei den Grundstücken auf der Trasse Emmericher Straße oder den Häusern am Klöttschen. Diese wurden seinerzeit für geplante Investitionsmaßnahmen gekauft. Der Erlös des Wiederverkaufs sollte also genauso für Investitionen verwendet werden, insbesondere für die Innenstadt.

Der vorliegende Haushalt hat unserer Ansicht deshalb die Möglichkeiten noch lange nicht alle genutzt.

Ein Punkt hat uns bei den Ausführungen des Offenbacher OB Grandke - bei allen sonstigen Differenzen zu seinem rigorosen Sparkurs - überzeugt:

In Offenbach wurde im Personalbereich konsequent von oben nach unten umstrukturiert und eingespart, so daß nur noch 3 Dezernenten übrig sind. Dadurch wurde nicht nur die Effizienz gesteigert, sondern auch die Glaubwürdigkeit. Das wiederum führte dazu, daß in Offenbach der Sparkurs mitgetragen wurde und erfolgreich war.

Im Mülheimer Haushaltsentwurf ist Ähnliches nicht einmal ansatzweise zu finden. Die MBI finden es auch schade, dass ihr Antrag, alle Amtsleiterstellen mit k. w. - Vermerk  für künftig wegfallend zu belegen, bisher keine Mehrheit fand.

Einer der wichtigsten Aspekte zur zwingend notwendigen Glaubwürdigkeit bei der Haushaltssanierung ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit, d. h. der Beteiligung auch und besonders der starken Schultern dieser Stadt.

Wenn die Streichung von ein paar jeweils tausend Mark für Selbsthilfegruppen, Behinderten- oder Gehörlosenhilfe, Kleidergeld für Sozialhilfeempfänger, Schulfahrten für sozial benachteiligte Kinder, Arbeitslosenzentrum, Mietspiegelerstellung oder für Jugendeinrichtungen solch sinnvolle Projekte in der Existenz bedroht ohne einen nennenswerten  Effekt für die Haushaltssanierung zu haben, so kann man dadurch den bereits Benachteiligten und sozial Schwachen  Angst und Schrecken einjagen, die Verhältnismäßigkeit ist hierdurch jedoch nicht gegeben.

Das wird noch bedenklicher, wenn man sieht, wie großzügig an anderen Stellen mit Geldern umgegangen wird, und das in Größenordnungen, die jedem von den Sparmaßnahmen betroffenen Bürger die Zornesröte ins Gesicht treibt.

Wenn zum Beispiel 1 Million bei der Skate Galaxy mit dem Pleite-Investor verschwunden sind oder wenn bei Grundstücksverkäufen wie an der Ruhrorter Str. an ein renommiertes Autohaus freiwillig auf hunderttausende Mehrerlös verzichtet wird.

Nicht einzusehen ist auch, daß die städtische Sparkasse mit 0,00 DM Überschussanteilen sich an der Gesundung der kränkelnden Mutter Stadt beteiligt, gleichzeitig aber genügend große Summen zur Verfügung hat, um je nach politischer Wetterlage die Sparkassen-Chefs auszuwechseln.

Nicht vermittelbar ist es auch, wenn bei städtischen Beteiligungsgesellschaften immer wieder das sogenannte 4 - Augen - Prinzip praktiziert werden soll, d.h. zwei, statt einen hoch bezahlten Geschäftsführer.

Auch die Frage, ob die Sponsorengelder städtischer Beteiligungsgesellschaften besser dem Haushalt der Stadt als etwa für Veranstaltungen des Rhein - Ruhr - Zentrums zugute kommen sollen, muss man (hier) wenigstens stellen dürfen.

 

Bei allem Sparen darf man auch nicht Chancen der Stadtentwicklung und Attraktivitätssteigerung kaputtsparen. Die Streichung der erst vor kurzem geschaffenen Stelle zur Erarbeitung eines Konzeptes zum stadtgeschichtlichen Museum ist ein wahrer Schildbürgersparstreich. Darüberhinaus halten wir ein dezentrales stadtgeschichtliches Museum bei der Bedeutung Mülheims in diesem Jahrhundert für die deutsche Geschichte für eins der zukunftsträchtigsten Projekte für diese Stadt überhaupt, dies gilt auch für künftige Tourismuskonzepte oder die Umnutzung von Industriedenkmälern.

Genauso sind Investitionen in Präventivmaßnahmen längerfristig die besseren Sparmaßnahmen, weil damit in der Zukunft Kosten gespart werden. Die Auflösung von Obdachlosensiedlungen und die Betreuung von Obdachlosen und von Obdachlosigkeit Gefährdeten beweisen das augenfällig.

Die Mbi finden es ebenso falsch, daß ihr Antrag auf Erhöung der Mittel für Fördermaßnahmen für Grundschulkinder ausgebremst wurde.

Nichtdestotrotz: Die Möglichkeiten für nachhaltige  Haushaltssanierung sind in unserer Stadt immer noch günstiger als in vielen Nachbarstädten. deshalb fordern wir ein Sparkonzept, daß an den zentralen Bereichen wie den Betrieben der Stadt und der Verwaltungsstruktur ansetzt und sich nicht im einfallslosen Klein-Klein von Kürzungen im Sozial,- Kultur-, Jugend- oder  Sportbereich verliert oder kleinmütig auf dringend notwendige Investitionen verzichtet.

"Andere Kommunen zeigen weit mehr Mut,"  wird Herr Albers von der Kommunalaufsicht in der WAZ von heute zitiert. Zumindest in dem Punkt   stimmen wir mit der Kommunalaufsicht überein.