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Verzicht auf die virtuelle Gewerbesteuer wegen Gläubiger- und Lohnverzicht für den Karstadt-Sanierungsplan

Am Donnerstag, dem 20. Mai, hat der Hauptausschuss der Stadt Mülheim den Dringlichkeitsbeschluss gefasst, Karstadt die Gewerbesteuer aus Sanierungsgewinnen zu erlassen. Insolvenzverwalter Görg behauptet, ohne das müsste der Konzern zerschlagen werden.  Etliche Städte wie Essen, Dortmund oder zuletzt Bottrop und Bochum haben bereits zugestimmt. Duisburg hatte am 11. Mai gegen den Steuererlass gestimmt, hat dann aber für 21. Mai erneut eine Sondersitzung angesetzt und die Entscheidung wieder revidiert. Auch die MBI änderten ihre Haltung. Waren sie im April noch gegen Verzicht auf Forderungen gegenüber Karstadt, so haben sie ihre Haltung geändert. Das kam wie folgt:

Nach ausführlichen Gesprächen mit Betriebsrat und Geschäftsführung der Mülheimer Karstadt-Filiale im Rhein-Ruhr-Zentrum schickten die MBI zusätzlich einen Fragenkatalog an den Insolvenzverwalter (s.u.). Der setzte sich daraufhin mit den MBI in Verbindung und nahm detailliert und glaubhaft zu allen Fragen Stellung. Die MBI haben nun dem Verzicht zugestimmt, wenn auch mit gewissen Bauchschmerzen.

Dieser Verzicht auf evtl. Gewerbesteueransprüche aus Sanierungsgewinnen beschränkt sich ausschließlich auf potenzielle, einmalige Buchgewinne (außerordentliche Erträge durch Gläubiger- und Lohnverzicht), das operative Geschäft und dessen Besteuerung bliebe davon gänzlich unberührt, versicherte der Vertreter von Herrn Görg. Daher sei der Verzichtserklärung der Städte auch keine Bedingung des mögl. Investors Triton, sondern davon gänzlich unabhängig. Bei einem Regelinsolvenzverfahren, also der Zerschlagung der Karstadt GmbH, würden die Steuern auf Sanierungsgewinne ohnehin nicht einmal auf dem Papier anfallen.
Mit all den zusätzlichen Informationen hat sich in den MBI mehrheitlich die Meinung durchgesetzt, dem Verzicht zustimmen zu können, weil der Stadt dadurch real kein Schaden entsteht, denn wirklich einnehmen wird die Stadt die virtuellen ca. 1,8 Mio. Steuern auf diese Sanierungsgewinne nicht, egal ob Karstadt weiter bestehen bleibt oder nicht.

Unabhängig von Karstadt haben wir gelernt, dass die Berliner Steuergesetze hier eine Widersinnigkeit aufweisen. Wenn z.B. A seinem Schwager B 1000 € geliehen hat, damit B z.B. Waren für seine Verkaufsbude bezahlen kann, der aber dennoch Insolvenz anmelden muss, woraufhin A auf die Rückzahlung verzichtet, damit B es mit der Bude noch einmal versuchen kann, (wenn er z.B. bestimmte Ursachen des Konkurses bereinigte), dann kommt der Fiskus und verlangt als erstes Steuern für den „Sanierungsgewinn“ der 1000 € aus Forderungsverzicht. Das ist weltfremd bis kontraproduktiv, auf jeden Fall aber anachronistisch. Die MBI stellen fest, dass das Insolvenzrecht hier eindeutiger gefasst und bzgl. der Besteuerung von Sanierungsgewinnen dieser Art geändert werden muss. Wenn z.B. Duisburg oder auch Mülheim keinen Steuerverzicht beschließen würden, dann scheitert der Insolvenzplan bereits und die Städte bekommen genau die Gewerbesteuern nicht, auf die sie verzichten sollen, damit sie überhaupt als Forderung entstehen können. Das alles scheint verwirrend und riecht nach Erpressung in einem Pokerspiel um viel Geld. Eine mögliche Besteuerung von Lohnverzicht oder etwa Forderungsverzicht von Zulieferfirmen wirkt im Sanierungsfall ohnehin zumindest zweischneidg. Hier ist der Gesetzgeber gefragt.

Angesprochen auf die quasi-Erpressungssituation erklärte der Insolvenzverwalter, sie seien Ende Feb. in Kontakt zu allen Städten getreten und hätten im März 5 Regionalkonferenzen mit allen Städten durchgeführt. Wer auch immer von der Stadt Mülheim daran teilgenommen hat: Warum wurden die Fraktionen nicht informiert und einbezogen? Wieso konnte der Kämmerer noch Mitte April verkünden, er plädiere gegen den o.g. Gewerbesteuerverzicht, wenn die Vorlage V 10/0371-01, die nun endlich gekommen ist, das Gegenteil empfiehlt? Die MBI sehen als politische Entscheidungsträger schwere Versäumnisse der hiesigen Verwaltung, warum auch immer.

Unabhängig davon bestehen bei den MBI weiterhin große Sorgen um die Zukunft von Karstadt insgesamt, weniger um Karstadt im RRZ.
Weiterhin ist die faule Grundkonstruktion des Herrn Middelhoff nicht geändert, die maßgeblich zum Konkurs führte, dass nämlich Finanzjongleure als Immobilieneigentümer weitgehend Gelder abschöpfen können. Dies scheint auch mit ein Grund zu sein, warum Triton jetzt noch mehr Opfer von den Beschäftigten verlangt unter der Androhung, als einziger Bieter auszusteigen, womit auch der o.g. Verzicht der Städte obsolet wäre. Weiterer Lohnverzicht wäre aus Sicht der MBI das völlig falsche Signal!

So hat man das mulmige Gefühl, selbst als kleine Lokalpolitiker an dem z.T. bösartig falschen Spiel eines ungeregelten Finanzmarktes teilnehmen zu müssen, bei dem Menschen keine Rolle spielen, nur als Kosten- oder Unkostenfaktor in realen oder virtuellen Bilanzen.

Mülheim, den 13. Mai 2010
An den Karstadt-Insolvenzverwalter Herrn Dr. Görg

Verzichtserklärung der Stadt Mülheim auf Gewerbesteuer im Zuge des Insolvenzplans für Karstadt

Sehr geehrter Herr Dr. Görg,

die MBI sind eine kommunale Wählergemeinschaft, die am 30.8.2009 mit 11,6% der Stimmen als drittstärkste Kraft in den Rat der Stadt Mülheim a.d. Ruhr gewählt wurde. Im Hauptausschuss am kommenden Do., dem 20. Mai, sollen wir über die von Ihnen erbetene Verzichtserklärung in Form eines Dringlichkeitsbeschlusses abstimmen, da die Ratssitzung erst am 27. Mai stattfindet. ……..
Deshalb wären wir Ihnen verbunden, wenn Sie uns folgende Fragen beantworten würden, um unsere letztendliche Entscheidungsfindung zu erleichtern.

  1. Um wieviele Städte handelt es sich genau? Um welchen Gesamtbetrag an Steuerverzicht geht es bzw. in welcher ungefähren Bandbreite? Um welche Größenordnung geht es im Falle von Karstadt im RRZ?
  2. Warum wurde die Zustimmung fast aller Städte zur unabdingbaren Vorbedingung erklärt? Warum sind die verbindlichen Zusagen der Städte überhaupt erforderlich, wenn das „Sanierungsprivileg“ dies gesetzlich angeblich bereits vorschreibt?
  3. Wieso wurden die Städte nicht vor der Gläubigerversammlung am 12. April kontaktiert, um deren Zustimmung oder Ablehnung zum Steuerverzicht für den Sanierungsplan zu erfahren?
  4. Wer genau macht diesen Verzicht der Städte zur Vorbedingung für den Insolvenzplan? Der potenzielle Käufer Triton oder Goldmann Sachs oder wer?
  5. Handelt es sich bei dem Steuerverzicht definitiv und ausschließlich um Buchungsgewinne aus Gläubigerverzicht? Was ist mit Steuern auf das operativ laufende Geschäft der Kaufhäuser, die wie unser Karstadt im RRZ nicht schlecht laufen?
  6. Was ist mit Steuerforderungen aus Arcandor-Zeiten, als die Kaufhaussparte selbst im 1. Halbjahr 2009 sogar Gewinne einfuhr?
  7. Welche Garantien bekommen die Städte, wenn sie auf Gewerbesteuer verzichten? Welche Standortzusagen, welche Arbeitsplatzsicherungszusagen?
  8. Welche Schadensersatzforderungen wurden bisher an die Verursacher des Arcandor-Desasters gestellt, welche eingefordert?
  9. Wer garantiert wie, dass Triton oder wer auch immer Karstadt nicht weiter plündert?

Vorgeschichte
Im Finanzausschuss am 23. April lautete TOP 21 „Mitteilungen der Verwaltung – Insolvenz Karstadt, Berichterstattung: Uwe Bonan“. Das war der letzte Punkt der nichtöffentlichen Sitzung.

Den Medien war zu entnehmen: Insolvenzverwalter Görg verlangt, dass die Städte auf Gewerbesteuer verzichten, also auch Mülheim mit Karstadt im Rhein-Ruhr-Zentrum (RRZ). Egal, ob man dies als Erpressung empfindet oder als Rettung von Arbeitsplätzen oder …. Die Frage ist auf jeden Fall hochgradig öffentlich! Selbst wenn sich Mülheim entschließen würde, zur Karstadt-Rettung trotz Nothaushalts auf Geld zu verzichten, so muss das auf jeden Fall öffentlich diskutiert und entschieden werden!

Deshalb beantragten die MBI, den Punkt bereits in öffentlicher Sitzung des Hauptausschusses am 19.4.  zu behandeln, s.u..

Sollte es z.B. im Rat der Stadt Mülheim am 27.5. zur Abstimmung kommen, werden die MBI nach heutigem Wissenstand (16. April 10) gegen den Steuerverzicht zu Gunsten von Karstadt stimmen.

Begründung
Der Karstadt-Insolvenzverwalter behauptet, die Städte seien per Gesetz durch das sog. „Sanierungsprivileg“ verpflichtet, auf die Gewerbesteuer zu verzichten. Das Amtsgericht Essen könne den Insolvenzplan erst bestätigen, wenn von allen Städten die verbindliche Zusage vorläge. Geplanter Gerichtstermin 31. Mai. Ohne die Zusage drohe die Zerschlagung von Karstadt.

Das ganze klingt nicht nur nach Erpressung, es wirkt auch in sich unlogisch. Wenn der Steuerverzicht rechtsverbindlich durch das „Sanierungsprivileg“ eindeutig vorgeschrieben wäre, bedürfte es keiner „verbindlichen Zusage“ der Städte. Dann wäre auch eine Ratsentscheidung überflüssig, ja sogar unzulässig, ganz so, als könnte ein Rat entscheiden, dass Autos bei Rot über die Ampel fahren müssten!

Karstadt im RRZ ist zudem nicht wirklich existenziell bedroht, egal was mit dem Gesamtkonzern geschieht. Von daher sind wir in Mülheim ohnehin in einer günstigeren Situation als in anderen Städten mit Karstadt. Unabhängig davon ist es auch prinzipiell nicht einzusehen, warum die Kommunen das massive Missmanagement und die Selbstbereicherung einzelner „Führungs“leute ausbaden sollen, selbst wenn sie es könnten. Wieso hat der Insolvenzverwalter sich z.B. die vielen privat eingesackten Millionen des Verursachers Middelhoff nicht gesichert?

Ob Karstadt vor Ort demnächst dicht gemacht wird oder nicht, wird von ganz anderen Faktoren abhängen, nicht von der jeweiligen Zusage eines Rates zum momentanen Steuerverzicht.
Es ist verständlich, dass der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse mit allen Mitteln vergrößern will, denn auch er verdient nicht schlecht daran. Doch die Standortkommunen wurden nicht gefragt oder beteiligt, als der Konzern mit z.T. kriminellen Methoden vor die Wand gefahren wurde. Auch wenn die Städte nun anscheinend mit haften sollen, werden sie dennoch keinen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung haben.
Die erhofften 140 Mio. Euro aus den Städten werden ohnehin die drohende Zerschlagung des Konzerns bei ca. 2 Mrd. ausstehenden Forderungen nicht verhindern, so dies überhaupt noch abzuwenden sein wird, siehe das traurige Ende von Quelle.

Mülheim, den 16.5.10

Antrag für den Hauptausschuss am 19.4.2010 zu TOP 5 „Etat 2010“
TO öffentlich

Betr.: Steuernachlass für Karstadt

Der Kämmerer möge einen Sachstandsbericht geben zur Forderung des Karstadt-Insolvenzverwalters, dass die Kommunen auf Gewerbesteuer zugunsten der Sanierung des Konzerns verzichten sollten bzw. müssten. Insbesondere möge er darlegen,

  1. um welchen Betrag es sich handelt, nachdem in der WAZ von 5,6 Mio. und in der NRZ „nur“ von „etwas über 1 Mio.“ die Rede war,
  2. wann die Stadtspitze von dem Ansinnen des Insolvenzverwalters in Kenntnis gesetzt wurde und was dessen Forderungen im einzelnen sind, (In Dortmund hat der Rat angeblich bereits im März in nichtöffentlicher Sitzung darüber entschieden!)
  3. welche Überprüfungen die Stadt vorgenommen hat zur Behauptung des Insolvenzverwalters in der NRZ vom 16. April, die Stadt sei wegen des „Sanierungsprivilegs“ sogar gesetzlich verpflichtet, den geforderten Steuernachlass zu geben,
  4. Welche Gründe für den Kämmerer ausschlaggebend waren, dass er die Forderung des Karstadt-Insolvenzverwalters öffentlich ablehnte,
  5. ob eine Ratsentscheidung zu der Angelegenheit in jedem Fall erforderlich sein wird und wenn ja, in welchen Gremien dies behandelt werden soll.

L. Reinhard, MBI-Fraktionssprecher

Zum Punkt Karstadt-Steuergeschenke berichtete der Kämmerer, dass die bis zum 25. Mai verbindliche Zusagen haben wollen, was also höchstens in der regulären HA-Sitzung am 20.5. als Dringlichkeitsbeschluss geschehen könnte. RP und Innenminister prüfen, ob das Ansinnen des Insolvenzverwalters bei Kommunen mit Nothaushalt, wie Mülheim demnächst, überhaupt zulässig sein darf! Kurz vor der Landtagswahl am 9. Mai verkündete der inzwischen ex-Innenminister Wolf (FDP), dieser Steuerverzicht sei auch bei Nothaushalts-Kommunen erlaubt.