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Inklusion als Illusion?

Schulischen Inklusion in NRW: Möglichkeiten und Probleme

  • 4.4.14: Gemeinsamer Antrag von CDU und MBI für die Ratssitzung am 10.4.14, zur zukünftigen Finanzierung von Inklusion die Landesregierung aufzufordern, das Schulgesetz so nachzubessern, dass die qualitativen und finanziellen Bedingungen auch für finanzschwache Kommunen gegeben sind, um Inklusion erfolgreich im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen zu können. Wurde von der Tagesordnung gestimmt, weil angeblich kein kommunales Thema! Erbärmlich

Das Förderung von Inklusion im Sinne der UN-Resolution wurde auf allen Ebenen als wichtige politische Zielrichtung beschlossen. Probleme gibt es bei der genauen praktischen Umsetzung insbesondere zwischen Land und Kommunen, nicht zuletzt um die zentrale Frage, wer welche Kosten trägt. Der Streit darum scheint noch nicht zu Ende ausgefochten, auch wenn ganz zuletzt eine gewisse Annäherung erkennbar war. Ähnlich ungeklärt sind auch noch die genaueren Bestimmungen dessen, welche Behinderungen z.B. in allgemeinen Schulen auf Dauer inkludiert werden sollen und können bzw. welche nicht. Damit hängt auch die Zukunft der heutigen Förderschulen im einzelnen noch völlig in der Luft. Die neuesten vom Land festgelegten Mindestgrößen für Förderschulen gefährden diese z.T. damit, bevor ihre genaue Zukunft geklärt ist. In Mülheim könnten 2 der 3 Förderschulen deshalb geschlossen werden müssen, in Oberhausen 4 von 5, in Dortmund sogar bis zu 9 von 10.

Inklusion also als eine Art gut gemeinter Illusion? Nein, denn

unabhängig von diesen großen ungeklärten Fragen gibt es landauf, landab nicht erst seit heute bereits richtige Ansätze und Maßnahmen zur Inklusion insbesondere im schulischen Bereich. Auch in Mülheim wird GU (Gemeinsamer Unterricht) inzwischen an etlichen Schulen und Schulformen praktiziert, wofür vor Jahren die MIG (Mülheim Initiative für GU) noch sehr kämpfen musste.

Am stärksten mit der gesamten Problematik befasst sind logischerweise die Landschaftsverbände, die bekanntlich viele Förderschulen betreiben oder unterstützen. Um die Inklusion in den Städten aktiv zu fördern bereits bevor auf Landesebene ein schlüssiges Konzept entwickeln werden konnte, beschloss der für Mülheim zuständige LVR (Rheinland) in 2009, seinen Kommunen für Einzelmaßnahmen der Inklusion eine Pauschale zu zahlen, damit bereits ab 2010 aktiv werden könnten.

In dem Bericht „LVR-Inklusionspauschale – Bilanz nach drei Jahren“ muss man feststellen, dass Mülheim leider bis heute diese Gelder nicht in Anspruch genommen hat, warum auch immer. Deshalb folgender Antrag, denn die MBI befürworten, dass auch Mülheim jede Möglichkeit nutzt, um verstärkte Inklusion Realität werden zu lassen. Jeder Einzelfall ist sinnvoll! Insgesamt hat der LVR von 2010 bis 2013 in 277 Fällen Mittel von über 1 Mio. € bereitgestellt, d.h. ca. 3600 € pro Fall. Solche Zuschüsse wird auch die ein oder andere Mülheimer Schule gerne in Anspruch nehmen.

  • WAZ 7.5.14: „LVR fördert Inklusion, doch Mülheim ruft Pauschale nicht ab“ hier

MBI-Antrag für die Sitzung des Bildungsausschusses der Stadt Mülheim/Ruhr am 24.3.14
TO öffentlich

Auch die Stadt Mülheim hat sich die Inklusion auf die Fahnen geschrieben. Der Erfahrungsbericht des LVR zeigt, wie häufig jede Mitgliedskörperschaft die LVR-Inklusionspauschale bisher im Zeitraum 2010-2013 in Anspruch genommen hat. Die Stadt Mülheim hat danach überhaupt keine Mittel abgerufen.

Die Verwaltung möge deshalb vorab im einzelnen darlegen, warum über all die Jahre die LVR-Inklusionspauschale in Mülheim nicht beansprucht wurde, anders als bei vielen anderen LVR-Mitgliederkörperschaften.

  • Beabsichtigt die Verwaltung, in diesem und den nächsten Jahren ebenfalls Förderanträge zu stellen? Wenn ja, wann und wieviele? Wenn nein, warum nicht?
  • Ist der Stadt zudem bekannt, dass die Inklusionspauschale nur vor der Einschulung beantragt werden kann?

Der Bildungsausschuss möge aus all den Gründen heraus beschließen:

Die Verwaltung wird beauftragt, alle Möglichkeiten der LVR-Inklusionspauschale für möglichst viele Mülheimer Kinder zu nutzen und dem Ausschuss zu berichten, was sie dahingehend unternommen hat und mit welchem Ergebnis.

Hier einige Meldungen von Ende Nov. 2013 zu einem heiklen Thema:

  • WAZ 14.11.13: Förderschulen vor dem Aus – Opposition kritisiert „Zwangsinklusion“ hier
  • Ruhrnachrichten 25.11.13: Neun von zehn Dortmunder Förderschulen sind gefährdet hier
  • Welt am Sonntag, 24.11.13: Fragen an Ministerin Löhrmann: Schulamtsdirektor wurde suspendiert. „Zu wenig Lehrer, die Bezirksregierung in Köln reagiere nicht auf ihre Klagen – dies teilten im Sommer Leiter von Förderschulen aus der Region Aachen den Bürgermeistern in einem Brief mit.“ hier

Frage: Wie genau ist der Stand der Dinge und wie betrifft das möglicherweise unsere Stadt Mülheim? Müssen gar 1 oder 2 von 3 unserer Förderschulen geschlossen werden und die Kinder auf Regelschulen, ohne dass diese personell, räumlich und ausstattungsmäßig darauf eingerichtet sind? Inwieweit hat sich das Schulamt in Mülheim bisher um die Problematik gekümmert. Welche Möglichkeiten gibt es, den erneuten Schnellschuss aus Düsseldorf bzgl. der Inklusion abzuändern und auf realistischere Füße zu stellen?

Allgemeines zum Stand der Inklusion

Politisch wird in Deutschland immer noch der irreführende Eindruck erweckt, als ginge es bei dem Zauberwort Inklusion lediglich darum, die Integration von Kindern mit Behinderungen in das bestehende Regelschulsystem zu optimieren.

Nach vielen Jahren der Ungewissheit ist seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention endgültig klar: Wir sind im Interesse auch der Menschen mit Behinderungen unter uns verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem einzuführen und so fordert Art. 24 der Konvention, sicherzustellen, dass Menschen nicht aufgrund ihrer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem und Kinder mit Behinderungen vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführenden Schulen ausgeschlossen werden. Die Umsetzung des Artikels 24 bedeutet z.B., dass Schüler mit Behinderungen wohnortnah mit Nachbarkindern und Geschwistern die allgemeine Schule besuchen können und nicht mit dem Sonderfahrdienst weite Strecken zu einer auf die Behinderung spezialisierte Förderschule fahren müssen. Sie sollen am gemeinsamen Unterricht in der Regelschule teilnehmen, sofern ihnen das möglich ist. Die für den gemeinsamen Unterricht ggf. notwendige Unterstützung, bspw. in Form sonderpädagogischer Förderung, muss ihnen gewährt werden.

Wenn wir ein inklusives System haben wollen, muss es so ausgestaltet sein, dass Kinder mit und ohne Behinderung zu Gewinnern werden.

Da weder Bund noch die Kommunen Gesetzgebungskompetenz im Bereich Bildung haben, ergibt sich eine Verpflichtung der zuständigen Länder zur Umsetzung von Artikel 24 der UN-Konvention – Bildung. Dem Land NRW kommt somit innerhalb seines räumlichen Zuständigkeitsbereiches eine Umsetzungsverpflichtung zu. Die Kommunen erwarten vom Land NRW die Erstellung eines tragbaren Konzeptes zur Umsetzung von Art. 24 der UN-Konvention. Dieses Konzept muss die für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung erforderlichen pädagogischen Grundlagen, die entsprechende Ausrichtung der Lehreraus- und –fortbildung, die Ressourcenzuteilung sowie die zeitliche Umsetzung erfassen.

Es ist offensichtlich, dass eine künftige inklusive Unterrichts- und Betreuungsqualität in Regelschulen, zu bildungspolitischen und finanziellen Einbußen zwangsläufig in den Förderschulen führen wird. Das Land ist finanziell gar nicht in der Lage auch nur streckenweise doppelte Strukturen zu finanzieren. Grundsätzlich hat sich der Schulträger aber am Willen der Eltern zum Wohle des Kindes zu orientieren nicht an einer vorgegebenen Quote. Wie dieser Spagat der Zusage wohnortnaher Beschulung künftig aussehen wird, liegt noch in den Sternen.

Bei allen Planungen, Forderungen und Umsetzungen der schulischen Inklusion  müssen unter besonderer Beachtung des Konnexitätsprinzips (wer bestellt, bezahlt) die benötigten Gelder zur Umsetzung von Maßnahmen, die Land und Bund von den Kommunen abverlangen, diese auch den Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Es ist aufgrund der desolaten, finanziellen Lage der Kommunen unstrittig, dass die kommunale Familie nicht in der Lage ist, die mit dieser UN-Konvention einhergehenden Herausforderungen bei der Finanzierung  zu meistern.

Im Juli 2012 beschloss die Landesregierung NRW einen Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle“, der aufgrund seines Inhaltes zu großer Verstimmung bis hin zu ersten größeren Protesten führte. Danach drückt sich die Landesregierung um die Finanzierung der Inklusion und hier speziell der inklusiven Beschulung.

Den Kommunen finanzielle Lasten schulischer Inklusion allein aufzubürden, ist nicht umsetzbar!

Schulministerin Löhrmann erteilte jüngst den Forderungen der Kommunen nach zusätzlicher finanzieller Unterstützung eine klare Absage. Ihrer Meinung nach wollten die Kommunen einen Blankoscheck. Daraufhin lehnten die Kommunen weitere Gespräche ab und drohen mit Klage. Interessant dürften aber auch erst einmal die in anderen Bundesländern gemachten Erkenntnisse nach den auch dort beauftragten Gutachter Klemm und Preuss-Lausitz sein. Dort zeigt sich teilweise nicht das Idealbild einer auf dem Weg befindlichen Inklusion.

Nach Meinung zahlreicher Mitbürger und Mitbürgerinnen des Landes NRW ist der Gesetzesentwurf als Angriff auf die Kommunen, die Wahlfreiheit der Eltern behinderter Kinder und auf die sonderpädagogische Förderung zu werten. Denn der Gesetzesentwurf drückt sich um eindeutige inhaltliche Rahmenbedingungen.

Dann wurde ein Rechtsanspruch von Kindern mit Behinderung auf einen Regelschulunterricht landesweit wegen der finanziellen Kontroverse erst einmal auf das Schuljahr 2014/5 verschoben und schrittweise eingeführt werden. Er gilt zunächst einmal für das erste und fünfte Schuljahr an sogenannten Vorreiterschulen.

Die Öffnung der Regelschulen für Kinder mit Behinderungen lässt weitreichende Konsequenzen für die Förderschulen erkennen, denn ein Teil der Förderschulen wird sicherlich nicht gehalten werden können. So wird ein neues ministerielles Stellrad – die schulische Mindestgröße von Förderschulen – in dem Entwurf über Förderschulgrößen benutzt. Die magische Zahl der Mindestschulgröße wird bei 144 bzw. 110 Schülerinnen und Schülern je nach Förderschwerpunkten verordnet. Das stellt bereits heute schon ein Problem dar. Damit ist der Druck auf die Förderschulen bereits gegeben. Wenn dieser Entwurf greift, könnte bereits im August 2014 das Ende von bis zu 240 Förderschulen eingeläutet werden. Im letzten Schuljahr lernten noch 128.000 Schüler in NRW an 693 Förderschulen, d.h. ca. ein Drittel ist in seiner Existenz bedroht!

In den Förderschulen erhalten Schülerinnen und Schüler gemäß ihrer Behinderung individuelle sonderpädagogische Förderung in den genannten Förderschwerpunkten Lernen, Sprache, emotionale und soziale Entwicklung, Hören und Kommunikation, Sehen, geistige Entwicklung sowie körperliche und motorische Entwicklung. Grundsätzlich sollen die Unterrichtsvorgaben für die Regelschulen sowie die Richtlinien für die einzelnen Förderschwerpunkte gelten. Die Qualität der individuellen Förderung muss gesichert sein.

Ohne ein sicheres Netz von erreichbaren Förderschulen werden gerade Kinder mit den unterschiedlichsten Defiziten zu wirklichen Inklusionsverlierern!

Solange es nicht gelingt die Gesellschaft mitzunehmen und keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen, wird ein gemeinsamer, chronisch unterfinanzierter Unterricht die gewünschte gesellschaftliche Weichenstellung der Inklusion nicht schaffen. Und die letztendlich entscheidende Frage lautet, wo dann die jungen Menschen mit z.B. emotionalem oder sozialem Defizit beschult werden sollen, wenn es die Förderschule in vertretbarer Nähe nicht mehr gibt?

Schulministerin Löhrmann von den Grünen hat Ende Okt. 2013 eine neue Verordnung für Mindestgrößen der Förderschulen verfügt und Ausnahmen zum Schuljahr 2015/16 gestrichen. Damit steht nun jede dritte Förderschule vor dem Aus. Löhrmann reagierte damit auf einen Bericht des Landesrechnungshofes, der zu kleine Klassen kritisiert hatte. Bisher durfte die Mindestgröße um bis zu 50 Prozent unterschritten werden – das ist künftig nicht mehr möglich. Mittlerweile besucht jeder vierte Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, weitgehend mit dem Förderschwerpunkt Lernen, eine Regelschule.

Die neue Mindestgrößenverordnung betrifft somit vor allem die unter sinkenden Schülerzahlen leidenden 306 Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen. Das kommt einer Zwangsinklusion in allgemeine Schulen gleich, weil Eltern in ländlichen Regionen nach dem Ende von betroffenen Förderschulen nun keine Wahlmöglichkeit mehr bleibt. Ein echtes Wahlrecht für Eltern ist damit in weite Ferne gerückt. Als Trost darf man es bezeichnen, daß entgegen dem ersten Entwurf zumindest zahlreiche Förderschulen für Hören, Sehen und Kommunikation gesichert werden konnten.

Inklusion einmal andersherum

Wenn künftig Inklusion in Regelschulen stattfinden soll, so durchbricht die Kölner Anna-Freud-Schule des LVR diese Vorgabe diametral. Die Anna-Freud-Schule ist die einzige weiterführende Schule für Körperbehinderte (Sekundarstufe I und II) in NRW und den angrenzenden Bundesländern. Die Anna-Freud-Schule in Köln fördert Schülerinnen und Schüler mit körperlichen Behinderungen sowie chronischen und psychosomatischen Erkrankungen. Als einzige weiterführende Sonderschule für Körperbehinderte in NRW unterrichtet sie in der Sekundarstufe I vorwiegend nach Realschulrichtlinien und in den Jahrgangsstufen 11 – 13 nach den Richtlinien der gymnasialen Oberstufe. In der gymnasialen Oberstufe und in einigen Kursen der Sekundarstufe I werden behinderte und nichtbehinderte Schülerinnen und Schüler gemeinsam unterrichtet. Die Anna-Freud-Schule und die benachbarte Ernst-Simon-Realschule vereinbarten nun eine Art umgekehrte Inklusion. Dazu wird die ESR eine Ganztagsschule was die AFS bereits ist. Damit können Schüler der Realschule auch die Möglichkeiten einer Förderschule nutzen.