Mauschelrepublik und Mülheim wieder mittendrin?
Ein böses Spiel mit den Beschäftigten!
Korrekturen an der Lobbykratie in Brüssel und
Berlin sind nötig!
Über 400 Menschen sind alleine in der Zentrale von Kaiser`s/Tengelmann in Mülheim-Speldorf beschäftigt. Fast 16.000 in den Läden bundesweit. Der Mülheimer Tengelmann-Konzern verkündete letzte Woche insgesamt satte Überschüsse (Pizzahut, OBI, Zalando, KIK, Tedi usw.), will sich aber seit längerem von seinen Supermärkten trennen. Bereits vor Jahren verkaufte Tengelmann seine Plus-Läden an Edeka, den Branchenprimus. Das sind heute Netto-Läden, soweit nicht geschlossen. Mehr u.a. in „100 Jahre Tengelmann, nicht nur eitel Sonnenschein!“ hier
Die Verhandlungen von Edeka und Tengelmann zur Übernahme der Tengelmann-/Kaiser`s-Läden seit der Sondererlaubnis durch Minister Gabriel stocken seit längerem, weil man sich nicht richtig einig wird, was genau unter „Arbeitsplatzgarantie“ der sog. Ministererlaubnis zu verstehen ist. Die Gewerkschaft Ver.di beklagte das mehrfach. Mit einer Ministererlaubnis wird bekanntlich das Übernahmeverbot des Bundeskartellamts ausgehebelt.
Da wollte also der SPD-Chef seine Partei als Garant für Arbeitsplatzsicherung profilieren, tat dies aber anscheinend wenig professionell.
Und nun auch noch das: Das OLG stoppte diese Ministererlaubnis, weil offensichtlich unerlaubt gemauschelt worden war. Oder anders ausgedrückt: Auch das Mauscheln misslang und endete als Rohrkrepierer.
Die wirklich Gelackmeierten von dem ganzen unwürdigen Theater aber sind die Beschäftigten von Tengelmann/Kaiser`s, die nach bereits 21 Monaten der Ungewissheit nun noch mehr um ihre Zukunftsperspektiven bangen müssen.
Ihnen können die MBI nur ihre uneingeschränkte Solidarität bekunden. Allerdings steht man als Lokalpolitiker ziemlich ohnmächtig da, obwohl die Geschichten sich direkt vor der Haustüre abspielen und die Folgen auch die Lokalpolitik massiv betreffen.
Der erbitterte Kampf um die Kaiser`s/Tengelmann-Läden hat aber auch damit zu tun, dass die Verkaufsflächen seit vielen Jahren insgesamt expansiv ausgedehnt wurden, insbesondere und hauptsächlich bei den Discountern. Über viele Jahre haben die MBI sich gegen den Wildwuchs der Aldis, Lidls, Plusse, Rewes usw. überall im Stadtgebiet eingesetzt (man denke u.a. nur an die Weseler, die Düsseldorfer oder die Essener Str.), meist chancenlos, weil die Gesetzgebung wenig dagegen hergab und gibt. Selbst die gesetzlichen Obergrenzen für Genehmigungen von Discountern wurden immer weiter hochgesetzt von erst 700 auf 900, dann auf 1100qm und inzwischen real ohne Obergrenze.
Unabhängig davon, dass diese gesamte Entwicklung städtebaulich insbesondere für Innenstadt und Stadtteilzentren schädlich ist, weil fast immer nur für PKW-Verkehr angelegt, sind andere Folgen über kurz oder lang ebenso unausweichlich wie die Schließung der Kaufhof- oder
Karstadt-Kaufhäuser, aber auch der althergebrachten Supermärkten etwa der Tengelmann-Gruppe, die oft nicht mithalten konnten mit immer größerer Verkaufsfläche und erweiterten
Angeboten sowie Bereitstellung von Parkplätzen. Etliche Läden wie zuletzt an der Zeppelinstr. oder am Berliner Platz/Leineweberstr. u.v.m. wurden geschlossen, so dass fußläufiges Einkaufen für immer weniger Wohnbevölkerung im Umfeld möglich blieb.
Und nun tobt bei den beschleunigten Konzentrationsprozessen der Kampf um die
verbliebenen Standorte der Tengelmann-Gruppe, immerhin einer der bisher bundesweit ganz Großen in dem Geschäft.
Egal, ob man das Desaster um die Tengelmann-Läden nun hauptsächlich Minister Gabriel anlastet oder nicht, müsste es auch zum Anlass genommen werden, die gesamte Gesetzgebung zu überdenken, ob auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene, um weitere Fehlentwicklungen überhaupt in den Griff zu bekommen. Da aber bisher die Lobbyisten in Brüssel und Berlin viel zu stark Einfluss nehmen auf die Gesetzgebung, muss die Politik sich davon unabhängiger machen, will sie überhaupt noch verhindern, dass die Monopolisten ihre Wettbewerbskämpfe nur noch über Gerichte o.ä. austragen.
Was dann mit TTIP noch zusätzlich auf uns alle zukäme, ist nicht schwer auszumalen. Denn die Leidtragenden der Lobbykratie sind die Kommunen, denen immer weniger
eigene Gestaltungsmöglichkeiten bleiben und natürlich am meisten die Menschen vor Ort, ob Verbraucher oder Arbeitnehmer, die ohnmächtig zuschauen müssen, weil die demokratischen Einflussmöglichkeiten minimiert sind und nur noch Gerichte, Vergabekammern oder spezielle Schiedsgerichte in den USA dann die letztendlichen Entscheidungen fällen.
WAZ 12.7.16: „Gabriel befangen? Gericht stoppt Erlaubnis für Tengelmann-Übernahme“, der ganze Artikel hier
…… Nach Auffassung der Richter hätte Gabriel über die Erteilung der Erlaubnis nicht entscheiden dürfen – er habe sich in dem Verfahren befangen und nicht neutral verhalten. Der Minister habe in der entscheidenden Phase des Erlaubnisverfahrens mit Edeka und Kaiser’s Tengelmann geheime Gespräche geführt, betonte der Senat. Gleich zweimal habe es im Dezember 2015 „Sechs-Augen-Gespräche“ zwischen Gabriel, dem Edeka-Chef Markus Mosa und dem
Kaiser’s-Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub gegeben.
Außerdem stelle der Erhalt der Arbeitnehmerrechte bei Kaiser’s Tengelmann keinen sogenannten Gemeinwohlbelang dar, der die Ministererlaubnis rechtfertigen könne, bemängelten die Richter. Auch Gabriels Argumentation, dass durch seine Vorgaben die Sicherung von rund 16 000 Arbeitsplätzen gewährleistet werde, stieß bei den Richtern auf Zweifel. So sei der Ministererlaubnis nicht zu entnehmen, ob die Möglichkeit eines fusionsbedingten Stellenabbaus bei Edeka in die Entscheidung eingeflossen sie………..“