Im Sommerloch 2019 war die Mülheimer Stadtverwaltung aufgrund des kaum noch topbaren Chaos vollauf beschäftigt mit selbst verursachten Gordischen Knoten am Fließband: Bis Ende Aug. muss der Haushaltsentwurf für 2020 stehen, obwohl die für 2018 und 2019 real gescheitert sind. Auch die Haushaltsbeschlüsse vom letzten Dezember sind nicht umsetzbar: Ein völlig neues ÖPNV-Konzept mit jährlicher Einsparung von 7 Mio. € ist nicht erkennbar nach dem indiskutablen „Netz 23“, beim Personal jährlich 6 Mio. einzusparen ist ein weiteres Rätsel, während ansonsten aber munter weiter gemacht wird wie immer. Wie bei etlichen anderen Fehlentwicklungen auch, kommt auch das skandalöse VHS-Abenteuer die Stadt teuer zu stehen. Doch wenigstens dabei haben engagierte Bürger eine leider nur spät mögliche Notbremse mit dem Bürgerentscheid ziehen können. Mit Händen und Füßen, Falschinformationen und viel Trickserei wehrten Verwaltung und Ratsmehrheit sich nach der überfallartigen Schließung des VHS-Denkmals in der MüGa zwei Jahre lang, die Bürgerschaft über die VHS-Zukunft entscheiden zu lassen. Vor Gericht musste die Zulassung des Bürgerentscheids erstritten werden, der nun am 6. Oktober stattfindet!
Mülheim/Ruhr hat trotz besserer Bedingungen als die meisten anderen Ruhrgebietsstädte die Spitzenposition bei der NRW-Pro-Kopf-Verschuldung erklommen mit ca. 11.500 €/Einwohner. Die Stadt von Stinnes, Thyssen, Aldi, Metro, Tengelmann u.v.a. hat die fettesten Jahre lange hinter sich und das Gegenteil dessen ist passiert, was Josef laut Altem Testament in Ägypten so erfolgreich vorexerzierte: Vorräte wurden nicht angelegt, sondern verkonsumiert oder gar noch auf Jahrzehnte verpfändet, Pflichtaufgaben wurden privatisiert, womit auch deren Folgekosten auf die Zukunft verteilt wurden, Filz, Vettern- und Cousinenwirtschaft blühten üppig.
Vieles a.d. Ruhr erinnert an Brechts „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“. Deren Leitspruch hieß „Du darfst alles“, einzig verboten war kein Geld zu haben. Darauf stand die Todesstrafe. Am Ende versinkt die Stadt im Chaos („brennendes Mahagonny“) und demonstrierende Gruppen ziehen umher.
Noch ist es in der einstigen quasi-Hauptstadt von Stahlbaronen, Handelskonzernen und Atomindustrie nicht ganz so weit, doch die Vorzeichen sind deutlich und blinken wie Menetekel am Horizont. Was und wer nun analog zur Oper von Brecht&Weill in Ruhrmania z.B. die Goldgräber oder andere Abenteurer und Glückssucher sind oder waren, was der aufziehende Hurrikan war, der die Stadt haarscharf verschonte, was der Leitspruch der „Glückseligkeit“ und was die zerstörerischen Folgen, das bleibt der Vorstellungskraft jedes einzelnen überlassen. Potenzielle Analogien kann man haufenweise finden, ob in der hoffnungslosen Überschuldung, der krankhaften Vettern- und Cousinenwirtschaft, dem grandios vergeigten „Zukunfts“projekt Ruhrbania, der RWE-Abhängigkeit, der verkümmerten Pressevielfalt, der Mischung aus Größenwahn und Dilettantismus, dem ÖPNV-Desaster, dem zukunftslosen Kirchturmsdenken und, und, oder, oder ……
Im folgenden Auszüge aus Wickipedia zu Mahagonny:
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, ist eine Oper in drei Akten. Die Musik stammt von Kurt Weill, das Libretto von Bertolt Brecht. Die Oper wurde 1930 in Leipzig uraufgeführt. Die Oper hat eine Spieldauer von etwa 2 1/2 Stunden. Die Handlung spielt in Mahagonny, einer fiktiven Stadt im Nordamerika der Gegenwart.
Handlung
Erster Akt
Willy, der Prokurist (in den frühen Fassungen der Oper Fatty genannt), und Dreieinigkeitsmoses sind auf der Flucht vor den Konstablern. Sie wollen zu einer Küste, an der Gold gefunden wird. Doch der Wagen geht am Rande einer Wüste kaputt. Sie beschließen, da sie weder vor noch zurück können, eine Stadt zu gründen: Mahagonny, „das heißt: Netzestadt“, in der sie den Männern, die mit Geld von der Küste kommen, ebendieses mithilfe von Bars und Bordellen aus der Tasche ziehen wollen. Es sollen dort Ruhe und Eintracht herrschen.
Und die Stadt wächst. Mit den Unzufriedenen aus aller Herren Länder kommen auch vier Holzfäller aus Alaska: Heinrich Merg, Joseph Lettner, Jakob Schmidt und Paul (Paule) Ackermann (in den frühen Fassungen: Sparbüchsenbilly, Alaskawolfjoe, Jack O’Brien und Jim (Jimmy Mahoney)). Sie wollen ebenfalls in Mahagonny glücklich werden. Kaum angekommen, verliebt Paul sich in die Hure Jenny. Doch auch Mahagonny hat seine Krisen: Die Preise sinken, die Leute reisen ab. Paul wird unzufrieden, als er ein Schild sieht mit der Aufschrift „Hier ist verboten …“, und zu allem Überfluss zieht ein Hurrikan in Richtung Mahagonny.
In dieser Nacht erfindet Paul das Gesetz der menschlichen Glückseligkeit: „Du darfst!“ Das einzige, was verboten ist: kein Geld zu haben – darauf steht die Todesstrafe. Kurz vor der Zerstörung durch einen Hurrikan macht er den Menschen klar, dass man keinen Taifun braucht, um zu zerstören, das kann der Mensch sehr gut alleine. Als Beispiel singt er trotz des Verbotes ein lustiges Lied.
Zweiter Akt
Der Hurrikan nähert sich Mahagonny, der Zuschauer erfährt den Weg des Taifuns per Radiomeldung. Eine Minute vor Mahagonny jedoch macht der Sturm einen Bogen um die Stadt und verschont sie. Von nun an heißt der neue Leitspruch in Mahagonny:
- „Erstens, vergeßt nicht, kommt das Fressen/ Zweitens kommt der Liebesakt
- Drittens das Boxen nicht vergessen/ Viertens Saufen, laut Kontrakt.
- Vor allem aber achtet scharf/ Daß man hier alles dürfen darf.
(wenn man Geld hat.)“
Das zieht einige Folgen nach sich: Pauls Freund Jakob überfrisst sich an zwei Kälbern. Joseph stirbt bei einem Preisboxen gegen den Dreieinigkeitsmoses, nachdem er Paul überredet hatte, sein ganzes Geld auf ihn zu setzen. In der nächsten Szene gibt Paul sämtlichen Männern Mahagonnys einen Whisky aus. Doch als Willy die Bezahlung von ihm will, fällt ihm ein, dass er kein Geld mehr hat. Sein eigenes Gesetz wird ihm zum Verhängnis. Da weder Jenny noch Heinrich für ihn bezahlen wollen, wird er festgenommen.
Dritter Akt
Pauls Prozess beginnt am nächsten Tag. Das Gericht verhandelt zunächst einen anderen Fall, in welchem der eines Mordes Angeklagte das Gericht besticht und infolgedessen freigesprochen wird. Doch Paul hat kein Geld, um sich ebenso zu verhalten, und erhält auch von seinen Freunden keine Unterstützung. Paul wird mit abstrusen Anklagepunkten konfrontiert und für schuldig befunden: indirekter Mord an Joseph (zwei Tage Gefängnis), Verführung Jennys (vier Jahre Zuchthaus), Störung von Friede und Eintracht (zwei Jahre Ehrverlust), Singen eines lustigen Liedes (zehn Jahre Kerker) und der Hauptpunkt der Anklage: Zechprellerei, deretwegen Paul zum Tode verurteilt wird. Er hat sich des größten Verbrechens („Mangel an Geld“) schuldig gemacht. Paul nimmt Abschied. An dieser Stelle wird auch erzählt, wie Gott einmal nach Mahagonny kam („Spiel von Gott in Mahagonny“).
Die Oper endet damit, dass die Stadt im Chaos versinkt („brennendes Mahagonny“) und mehrere demonstrierende Gruppen umherziehen.
Mahagonny ist nach Kurt Weill die Geschichte von Sodom und Gomorra. Ähnlich wie die biblische Vorlage soll die Stadt untergehen mit allen „Gerechten und Ungerechten“, wie die Witwe Begbick äußert. Tatsächlich wird das Schicksal der Stadt nicht, wie im Alten Testament, durch eine äußere Katastrophe besiegelt, sondern durch eine Umwertung aller menschlichen Werte, durch die moralische Katastrophe. „Tuet alles heute nacht, was verboten ist, wenn der Hurrikan kommt, der macht es auch so.“
Jim, der Protagonist der neuen Moral, wird nach seinen eigenen Gesetzen gerichtet. Sein Tod wird textlich und musikalisch der Kreuzigung Christi in fast blasphemischer Weise nachgebildet. Als Motive tauchen auf die Ölbergszene, die Verspottung, die Gerichtsszene, die Übergabe Jennys an Bill (Maria und Johannes), der letzte Hilferuf an Gott und das Durst- und Essigmotiv.
Gott selbst tritt im Spiel in Mahagonny auf, zeigt sich in seiner Machtlosigkeit und wird höhnisch der Stadt verwiesen.