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Das Elend der Demokratie in einer RWE-dominierten Stadt

Alles oder fast alles scheint bzw. ist bereits vorher entschieden? ……

Die Gas-Wärmegesellschaft medl besitzt zu 50,1% die städtische Wohnungsbaugesellschaft SWB (Anlagevermögen mindestens 350 Mio. €) und zu 75% die SEM (Stadtentwässerung Mülheim). Die Ende des Jahres auslaufenden medl-Verträge sollen mit dem RWE um 20 Jahre verlängert werden, wobei das RWE einen „Restbetrag“ von ca. 20 Mio. von der Stadt bekommen soll für das seinerzeitige SWB-Einlegen, aber auch nur so „wenig“, falls das RWE 10 Jahre Verlängerung der Stromkonzession bekommt und die SWB-Anteile weiter behält.
Ganz nebenbei: Das historische Rest-Rathaus und die Feuerwehr Heißen wurden dem SWB übereignet, das technische Rathaus im ehemaligen Wohnturm wurde genauso langfristig vom SWB angemietet wie diverse Flüchtlingsunterkünfte. Viele lebensnotwendige Gebühren und Preise unserer Stadt, genauso diverse städtische Mieten etc. hängen direkt mit dem gesamten medl-Geschäft zusammen. Doch scheint in Mülheim eine offene Diskussion nicht möglich, alles wirkt abgekartet. Mehr auch in

  • Medl- und SWB-Beteiligungen “neu” in altem RWE-Gewand? Transparenz und Bürgerbeteiligung Fehlanzeige auch bei Ende und Neubeginn der medl-Verträge hier

Die gesamte Beteiligungsholding (BHM) der Stadt Mülheim hängt in ihren wichtigsten Bestandteilen von RWE-Aktien, medl und SWB ab. Trotz der mehr als satten medl-Überschüsse, hat die BHM inzwischen nach Wegfall von RWE-Aktien-Rendite einen jährlichen Zuschussbedarf von 25 bis 30 Mio. € durch den Kernhaushalt, wie eine MBI-Nachfrage im Hauptausschuss ergab. Der Chef der BHM ist aber gleichzeitig medl-Chef. Das macht Manches vielleicht verständlicher, aber nicht besser.

Doch egal: Auch wenn an dem Deal wahrscheinlich wenig zu ändern war, weil zumindest SPD und CDU es unbedingt wollten, so muss man dennoch 2 Aspekte benennen, weil deren Art und Weise einer Demokratie eigentlich unwürdig ist.

1.) Alles sollte nicht-öffentlich geschehen –
ein Unding!

Die MBI haben den Antrag gestellt, dieses mit Abstand z.Zt. größte Geschäft der Stadt öffentlich zu behandeln (s.u.). Im Hauptausschuss wurde alles in die Ratssitzung 1 Woche später geschoben, mit ein bisschen öffentlich, was davor in der TO nicht vorgesehen war.  Dann erklärte der Stadtdirektor, die öffentliche Beratung würde die Verhandlungsposition der Stadt schwächen, dabei ist das exakte Gegenteil der Fall. Als die MBI nach langem, teils peinlichem Palaver dennoch darauf bestanden, einen öffentlichen Tagesordnungspunkt auch im HA dazu einzurichten, stimmte nur noch der ALFA-Vertreter mit dafür.

2.) Zahlung an RWE für SWB-Anteile
soll durch Kredite finanziert werden
anstatt durch Verkauf von RWE-Aktion

Für das bei medl-Gründung unsauberste Geschäft mit der Übertragung von 50,1% SWB auf die medl muss die Stadt in jedem Fall Geld an das RWE zahlen. Ob es 40 Mio. € sind oder ob das RWE sich lukrative Zugeständnisse wie Verlängerung der Stromkonzession (quasi eine Lizenz zum Gelddrucken) und weiteres Miteigentum am SWB (welcher nach vielen Jahren der Krise nun Gewinne abwirft!) für eine Reduzierung dieses sog. „Festbetragsausgleichs“ machen lässt, ist eine Sache. Wenn aber auch das nicht zu verhindern ist, weil bei der Ratsmehrheit abgesprochen, so sollte es doch zumindest möglich bleiben, zu entscheiden, wie man am Sinnvollsten z.B. den „Restbetrag“ für das RWE finanziert.

Für die Stadt wäre es das Beste gewesen, sich dafür von RWE-Aktien zu trennen. Doch auch das scheint dem RWE nicht ganz genehm, schließlich weiß der marode Konzern noch nicht, wie das Experiment mit seiner Innogy-Tochter ausgehen wird. Solange aber Städte wie Mülheim weiter die alten Aktien quasi wie aus einer „badbank“ behalten (ohne jegliche Renditeerwartung), bleibt das hohe Risiko weiter bei der Stadt. Im HA hatten die MBI auch die Anfrage zum inzwischen möglichen Verkauf der RWE-Aktien, unabhängig von dem medl/SWB-Deal. Der (noch-)Kämmerer bestätigte zwar die Möglichkeit des Verkaufs, ließ aber mit keinem Wort erkennen, dass dies in Mülheim, anders als z.B. in Bochum und etlichen anderen RWE-Kommunen, auch wirklich voran getrieben werden könnte.
Die „Altlasten“bereinigung bei dem medl/SWB-Deal mit den dafür nötigen Zahlungen an RWE schrieen regelrecht danach, dafür die abgestürzten Aktien des RWE endlich z.T. abzustoßen. Wenn schon die Stadt Mülheim ihre viel zu große Verquickung und Abhängigkeit von dem kriselnden RWE durch medl/SWB usw. auf weitere Jahrzehnte verlängert und zementiert, dann hätte wenigstens das riesige Aktienpaket verringert und statt Kreditaufnahme eingesetzt werden müssen, um die RWE-Umklammerung ein wenig zu verringern.

Die MBI hätten es insgesamt viel besser gefunden, wenn für die medl- und SWB-Zukunft andere Alternativen ernsthaft ermöglicht worden wären. Da dies aber bei den gegebenen Ratsmehrheiten inkl. der Verflechtungen mit dem Konzern wohl nicht wirklich möglich war, hätte doch zumindest der Aktienverkauf zur „Rest“-Auszahlung des RWE in Betracht gezogen werden sollen! Doch keine Chance! Dafür hatten die MBI den folgenden Zusatzantrag II.) gestellt.

Änderungs- und Zusatzantrag zum TOP 15.3 „medl/SWB 2016: Grundsatzentscheidung und Verhandlungsmandat – Vorlage V 16/0787-01“ des Hauptausschusses am 15.9.2016 und zu TOP 21.2. der Ratssitzung am 22.9.16   TO öffentlich

Grundsatzentscheidung zu medl/SWB-Beteiligung öffentlich und mit Hilfe des Verkaufs von RWE-Aktien

II.)  Der Hauptausschuss möge dem Rat als Zusatzantrag zur Beschlussvorlage V 16/0787-01 empfehlen zu beschließen, der Rat der Stadt möge beschließen

Die Finanzierung des Festbetragsausgleichs bzw. eines nach Variante A I verbleibenden „Restbetrages“ erfolgt, sofern der Rat sich für diese Handlungsalternative aussprechen sollte, nicht durch Kreditaufnahme, sondern durch den Verkauf von RWE-Stammaktien.
Sollte der Rat sich für eine andere Handlungsalternative entscheiden, wird die Verwaltung beauftragt, eine Finanzierung als Mischfinanzierung zwischen Kreditaufnahme und Aktienverkauf zu erarbeiten und dem Rat im Dezember zur Entscheidung vorlegen.

Begründung:
Der Vorschlag, zur Finanzierung einen Kredit aufzunehmen, beruht auf dem Vergleich der zu erwartenden Zinszahlung für den Kredit von max. ca. 1.5 % mit einer angenommenen Dividendenzahlung auf die RWE-Stammaktie von mind. 20 Cent bei einem Kurswert von ca. 15 Euro. Damit wäre der Gewinn aus dem Aktienbesitz gleich hoch wie die Zinsen für den Kredit und ein Verkauf der Aktien nicht günstiger als die Kreditaufnahme.

Diese Argumentation lässt aber das Risiko außer acht, dass der Kurs der RWE-Aktie weiter fallen und damit weitere Verschlechterungen der Eigenkapitalquote insbesondere auch der BHM entstehen können. Es ist bisher mindestens ungewiss, wie sich der Kurs nach dem Börsengang der Tochtergesellschaft Innogy entwickeln wird. Auch wenn nach den Sonderregelungen für den städtischen Haushalt die Abschreibung auf den Kurswert nicht erfolgswirksam verbucht wird, bleibt die negative Änderung des Eigenkapitals nicht ohne Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit von BHM und Stadt. Weiterhin ist die Annahme, dass die Dividende von z. Zt . 0,00 € zukünftig wieder mind. 0,20 € erreichen wird, durch nichts begründbar. Die Gewinnsituation des Gesamtunternehmens RWE verschlechtert sich z.Zt. weiter und selbst die Ausgründung Innogy hat bisher die Erwartungen nicht erfüllt. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Abwicklung der Atomkraftwerke sind zu erwarten.

Viel grundlegender ist aber, dass ein weiteres Festhalten an den RWE-Aktien nichts anderes darstellt als Spekulation am Aktienmarkt. Nach dem Wegfall der ehemaligen Verflechtungen mit dem Unternehmen, die noch aus dem alten Energiewirtschaftsgesetz resultierten, ist die RWE-Aktie eine Kapitalanlage wie jede andere auch. Nachdem das bisherige Festhalten an der Aktie der Stadt die bilanzielle Überschuldung eingebracht hat und die Finanzierung der BHM und ebenso der Stiftungen aus der Dividende praktisch in sich zusammengebrochen ist, bietet sich jetzt die einmalige Chance, ohne neue Verschuldung  durch den Verkauf der alten Aktien  Anteile an SWB bzw. medl zu finanzieren und damit nicht nur nachhaltige Renditen zu sichern, sondern auch Anteile an Unternehmen (zurück-)zu erwerben, deren Aufgabe im Wesentlichen in der Grunddaseinsvorsorge in der Stadt Mülheim liegt und in denen die Stadt als Mehrheitsgesellschafter auch wesentlichen Einfluss nehmen kann.

Auch wenn der Regierungspräsident „grünes Licht“ für eine Kreditaufnahme gegeben hat, würde diese doch bedeuten, dass die Gesamtverschuldung  von Stadt bzw. BHM weiter ansteigen und die Möglichkeit weiterer Kreditaufnahmen beeinträchtigen würde. Diese werden aber notwendig werden, um den dringenden Sanierungsbedarf an MVG-Infrastruktur und z.B. Schulgebäuden zu finanzieren.

L. Reinhard, MBI-Fraktionssprecher