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Ruhrbania und das Vergaberecht – 2 Welten?

EuGH-Urteil letzte Woche zu Grundstücksverkäufen von Gemeinden, Fall Ahlborn: Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25.03.2010 – Rs C-451/08. FAZ-Bericht vom 29.3.10 dazu hier.

Der EuGH weicht damit sein Grundsatzurteil aus Jan. 2007 auf. Der Städtetag jubelte, doch die FAZ differenziert, denn „sofern das mit dem Grundstückskauf verbundene Bauvorhaben der Kommune aber unmittelbar wirtschaftlich zugute kommt, sie das Gebäude also als Behördensitz, Kindertagesstätte, Schule oder anderweitig nutzt oder erwirbt, muss sie den Verkauf weiterhin ausschreiben.“
Auch das RA-Büro Lenz&Johlen, das auch für die Stadt Mülheim tätig war/ist, jubiliert ganz so, als sei alles wieder ganz beim alten und jede Kommune könne Grundstücke wieder verkaufen, wie sie lustig ist. Vor allem wird so getan, als habe der EuGH das OLG Düsseldorf zurückgepfiffen. Falsch. In 2 Urteilen, einmal von Anfang 2005 und dann von Jan. 2007, hatte der EuGH die Vergabeschranken ganz hoch gehängt. Dem war das OLG im Juni 2007 zum Fall Ahlborn gefolgt. Dagegen lief insbesondere die deutsche Bundesregierung Sturm. Sie verabschiedete u.a. am 24.4.09 das Gesetz § 99 Abs. 3 GWB, mit dem das OLG-Urteil weitgehendst aufgehoben wurde(!) bzw. umgangen werden konnte. Am 23. Sept. 09 fand eine EuGH-Verhandlung in Luxemburg zum Fall Ahlborn statt, bei der die Bundesregierung von anderen Staaten unterstützt wurde, am stärksten von Italien. Mehrere MBI`ler waren als Zuhörer bei der bedenklichen Verhandlung dabei.

Nun ließ sich also der EuGH erweichen, was die EU-Vergabekommission noch mehr schwächt und örtlichen Filz beflügelt. Doch was soll`s, schauen wir uns Ruhrbania an bzgl. des EU-Vergaberechts.

Die Stadt Mülheim hat in 3 Punkten gravierend das Vergaberecht missachtet:

1.) Bei der EU-Ausschreibung zur Suche eines Privaten für 50% der Ruhrbania-Projektentwicklungsgesellschaft (RPG). Hier wurden die Ausschreibungsbedingungen fundamental im nachhinein geändert.

2.) beim Verkauf von  Ruhrbania-Baufeld 1 ohne Ausschreibung und

3.) bei der Übertragung des Rathauses auf den SWB ohne jegliche Ausschreibung.
Das o.g. Urteil entlastet die Stadt also nur bei Punkt 2, dem Verkauf von Baufeld 1. Bekanntlich herrscht aber dazu immer noch völlige Ungewissheit, weil der Käufer Kondor Wessels nach den gescheiterten Hotelplänen auch bei den Ärztehausplänen massive Probleme zu haben scheint. Und da haben wir des Pudels Kern: Wäre der Grundstücksverkauf ordentlich ausgeschrieben worden, hätte die Firma genau wie potenzielle Konkurrenten das vorher bei Abgabe eines Angebots durchkalkuliert. So aber erhielt er das Grundstück mit der Auflage, „mach irgendwas daraus“.  Wenn der Investor dann mit Nachbesserungen des B-Plans kommt, wird alles zugelassen, wie zuletzt ein Stockwerk mehr oder beim Stadtbad eben keine Tiefgarage. Das Ergebnis derartiger „freihändiger Vergabe“ ist die Methode „Versuch und Irrtum“ o.ä.. Die Stadt ist dabei quasi ein Versuchskaninchen, das immer den kürzeren zieht, egal, ob und welcher Versuch sich als kleinster Irrtum oder als Erfolg herausstellt. Das kann man getrost als Selbstenthauptung der öffentlichen Hand ansehen oder aber Verramschen seiner Filetgrundstücke. Halt mehr wie Anatolien oder irgendwelche mittelamerikanischen bzw. kaukasischen Bananenrepubliken!

Bei Punkt 1 ist das noch deutlicher: Entgegen der Ausschreibung finanziert der RPG-Partner Kondor Wessels nichts vor, sondern kassiert 1,5 Mio. für Projektmanagement, das aber real nicht einmal stattfinden kann, weil u.a. die RPG ohnehin funktionslos wurde, nachdem die Finanzierung nur über die 100%-städtische „Ruhrbania GmbH&CoKG“ abgewickelt wird, die in der Ausschreibung noch nicht vorgesehen war. Kurzum: Einzig die Stadt haftet für alles.

Bei Punkt 3 hat die Stadt eine PPP-ähnliche Umwegfinanzierung über die fast-städtische Wohnungsbaugesellschaft SWB durchgeführt, um nicht in den Nothaushalt zu kommen. Da der SWB aber zu 50,1% der Gasgesellschaft medl gehört, die ihrerseits zu 49% der RWE-Rhenag gehört, besitzt nun das RWE das Mülheimer Rathaus zu ca. 25%. Alleine das zeigt, dass die Rathausübertragung und Zurückmietung kein reines „inhouse-Geschäft“ war, was einzig ohne Ausschreibung erlaubt gewesen wäre. Ob die Rathaussanierung bei einer Ausschreibung wesentlich billiger als die 40 Mio. beim SWB hätte werden können, weiß keiner, es gibt ja keine anderen Angebote. Eins ist aber sicher: Bei Ausschreibung hätten vorher Konzepte entwickelt werden müssen, nicht wie jetzt, wo nach und nach überlegt wird, wie denn Ratsaal o.ä. später aussehen kann bzw. soll. U.a. dazu, dass die Stadt auch noch die 40-Mio.-Bürgschaft für den SWB übernehmen musste, damit der überhaupt sanieren kann, hatten die MBI Anfang Juli 2009 eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Frau OB Mühlenfeld beim RP eingereicht. Bis heute kein Bescheid, lediglich 2 Zwischenmeldungen! Mehr dazu hier, das die gesamte DAB als pdf-Datei (37 KB)

So schade es ist, dass der EuGH sich von der Politik etwas erweichen ließ, es ändert nichts an der Feststellung: „Ruhrbania und das Vergaberecht – 2 verschiedene Welten!“

Inwieweit die EU-Vergabekommission nun weiter am Ball bleibt oder sich nach dem „Ahlborn“-Rückzieher des EuGH in die Versenkung verzieht, wird sich zeigen. Egal wie, Ruhrbania ist und bleibt insgesamt ein sehr unseriöses und hochgradig abenteuerliches Projekt.

Das Vertrauen in die bürgerferne EU-Bürokratie und ihre Institutionen ist durch die erfolgreiche politische Beeinflussung des EuGH nicht gerade gewachsen. Es ist schon problematisch genug, dass die Vergabekommission elend lange Umwege gehen muss und keine Möglichkeit hat, selbst offensichtliche Rechtsbrüche zu ahnden, Baustopp zu erwirken o.ä..

Zum Thema Ruhrbania+Vergaberecht auch:

  • 19.3.08: Löst Mülheim an der Ruhr Köln als Klüngelhauptstadt ab? EU-Bestimmungen bei Ruhrbania missachtet und verletzt! als pdf-Datei (567 KB)
  • 27.3.08: Schwere Klatsche aus Brüssel für Ruhrbania, mehr hier
  • 8.7.09: »Verdeckte Kredite, entmündigte Ratsmitglieder: Dienstaufsichtsbeschwerde gegen SPD-Oberbürgermeisterin in Mülheim an der Ruhr – Unsere Stadt ist faktisch bankrott« . Ein Interview von junge welt mit MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard als pdf-Datei (157 KB)
  • 14.7.09: Umwegfinanzierung der Mülheimer Rathaussanierung eine Finanzposse, in Ruhrbarone, hier
  • 5.8.09: NRhZ-Online-Flyer Nr. 209: “Ein Stück aus dem Mülheimer Tollhaus nun vor dem EU-Gerichtshof: „Ruhrbania“ und das Vergaberecht“ als pdf-Datei  (185 KB)