Der Weltkonzern Tengelmann mit Sitz in Mülheim-Speldorf feierte am 16. Oktober 2012 sein 100-jähriges Jubiläum. Die Firmenpolitik des letzten Jahrzehnts war durchaus mitunter recht bedenklich. Die Söhne wohnen z.B. auch anders als Erivan Haub sen. nicht mehr in Mülheim.
Am bittersten für Mülheim war 2003 die Schließung der Süßwarenfabrik Wissoll, der Keimzelle des Konzerns. Aus einem Brief der MBI von damals an Erivan Haub: „Verbundenheit Ihrer Familie und der Firma Tengelmann mit Ihrer und unserer Heimatstadt und dem Mülheimer Sport. Genauso wenig wegzudenken ist allerdings auch die „Stammzelle“ von Tengelmann, das Wissoll-Werk, das seit 136 Jahren zu Speldorf und Mülheim gehört wie Salz in die Suppe. Mit Bestürzung mussten wir nun aus der Tagespresse erfahren, dass Wissoll verkauft und der Mülheimer Standort geschlossen und demontiert werden soll. Das würde zuallererst den Verlust von ca. 200 Arbeitsplätzen bedeuten, überwiegend Vollzeitarbeitsplätze für Frauen, ……“. Der ganze Brief hier. Bilder von der damaligen Demo der Wissollaner vor dem Tengelmann-Lauf 2003 hier
Doch Tengelmann nutzte damals die Steuervorteile des Aufbau Ost und verlegte das Werk nach Delitzsch/Sachsen. Auch der Verkauf von Plus an Edeka in 2009 kostete ca. 300 Arbeitsplätze in der Plus-Zentrale in Speldorf. Auch die Immobilientochter von Tengelmann, die zuletzt die ex-Woolworth-Gebäude außer dem in Mülheim übernahm, ist nicht nur durch nachhaltige Politik bekannt. Deren Zentrale als unpassender Anbau am denkmalgeschützten ex-Stadtbad in Mülheim wurde Mitte 2011 leergezogen. Mehr in „Ruhrbania Desolata“ hier
Als besonders rücksichtslos bis brutal war sehr lange die Tengelmann-Tochter KiK berüchtigt. Deren Lohnpolitik war über Jahre als Lohndumping heftig in der bundesdeutschen Kritik. Auch das Behindern von Betriebsräten bei KiK, miserable Arbeitsbedingungen, das Ausspähen der Mitarbeiter/innen und die Kinderarbeit in Bangladesh, mit der KiK-Produkte hergestellt wurden oder noch werden(?), war immer wieder in der öffentlichen Kritik. Mehr dazu weiter unten und als ARD-Film „KiK Die Story – die miesen Methoden der Textilindustrie“ auf youtube hier
Doch zuerst zum Firmenjubiläum
Tengelmann spendet 100.000 €
WAZ 16.10.2012 | der ganze Artikel hier
Am 15.10.2012 sitzt Karl Erivan Haub in einem VW-Bus aus der Firmengeschichte. Eine neu errichtete Halle auf dem Firmengelände in Mülheim beherbergt neben einem Veranstaltungsbereich auch das Technikum, ein kleines Museum mit Objekten und alten Fahrzeugen aus der Firmengeschichte. Foto: Matthias Graben
Mülheim. Mülheim ist um ein Museum und ein Veranstaltungszentrum reicher: Zu ihrem hundertjährigen Standort-Jubiläum weihte die Unternehmensgruppe Tengelmann in Speldorf ihr „Technikum“ ein. Auch die Stadt soll von dem runden Geburtstag profitieren: Der Konzern schenkt der Bürgerschaft 100.000 Euro – 1000 Euro für jedes Jahr in Mülheim………………
Bürgerinitiative protestiert vor der Tengelmann-Party
WAZ 16.10.2012 | der ganze Artikel hier
Während in der Zentrale gefeiert wurde, machten die Nachbarn draußen mit Plakaten auf sich aufmerksam. Foto: Picasa
Mülheim. Die Bürgerinitiative an der Wissollstraße kämpft weiter um den Erhalt ihres Wohnraums. Jetzt nutzen die Nachbarn die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum der Firma Tengelmann , um die Aufmerksamkeit der feiernden Gäste auf ihr Anliegen zu lenken. Gemeinsam gingen sie zum Protest auf die Straße. Tengelmann ist Eigentümerin ihrer Häuser, die Mieter haben Angst, dass diese für eine weitere Konzern-Erweiterung abgerissen werden sollen .
Auf dem Weg zur Betriebsfeier mussten die geladenen Gäste an ihnen vorbei. Gleich vor die Einfahrt zur Firmenzentrale an der Wissollstraße hatten sich etwa 20 Nachbarn platziert, mit Plakaten und Schildern. Auf diesen forderten sie: „Kein Abriss der Häuser an der Wissollstraße“, „Bezahlbaren Wohnraum erhalten“ und „Lieber alte Häuser statt alte Autos“. Gleich daneben wohnen sie – es geht vor allem um die Dreierreihe der Häuser Nummer 51 bis 55, eines der Gebäude steht bereits leer. Die Anwohner sehen mit einem möglichen Abriss der Gebäude auch die Wohnzufriedenheit des kleinen Viertels schwinden.
Mangelhafte Kommunikation
Laut Aussage der Bürgerinitiative habe Tengelmann im April dieses Jahres angekündigt, die vorderen Häuser der Wohnsiedlung zwischen Klimamarkt und Firmenzentrale abreißen zu lassen, da diese baufällig seien. Die Nachbarn glauben aber, dass der Wohnraum den Firmeninteressen Tengelmanns weichen soll.
„Wir können die von Tengelmann proklamierte Baufälligkeit der Häuser in keiner Weise erkennen und fordern auch weiterhin die Begutachtung der Häuser durch einen unabhängigen Gutachter“, so Malte Schiefer, Sprecher der Initiative. „Zynisch“, findet er es, dass der Konzern Werbung für das 100-jährige Jubiläum auf großen Plakaten schaltete, „wo doch Tengelmann die Wohnhäuser am Firmengelände abreißen möchte, in denen die Bewohner zum Teil schon über 30 Jahre wohnen und auch gerne dort wohnen bleiben würden“.
Verschiedene Optionen offen
Das Unternehmen gab in einer Stellungnahme bekannt, verschiedene Optionen zu prüfen – die Überlegungen seien jedoch noch nicht abgeschlossen. „Mit einer Entscheidung ist in diesem Kalenderjahr nicht mehr zu rechnen.“ Die Hausverwaltung sei offen auf die Mieter zugegangen und habe eine sozialverträgliche, einvernehmliche Lösung finden wollen.
Malte Schiefer, Sprecher der Bürgerinitiative, sieht das anders: „Bislang haben wir noch nichts von Tengelmann gehört.“ Dafür aber von politischen Parteien. Unterstützer finden sie bei MBI, der Linken und Grünen.
Kristina Mader
Auszüge aus Wikipedia
Stichwort „KiK“
KiK Textilien und Non-Food GmbH ist ein deutscher Textil-Discounter mit Sitz in Bönen, der im Jahr 1994 von Stefan Heinig zusammen mit der Unternehmensgruppe Tengelmann gegründet wurde. Das Unternehmen ist die größte Textil-Discount-Kette in Deutschland und verfügt über ca. 3200 Filialen in Deutschland, Österreich, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Kroatien und Polen. KiK ist ein Backronym und bedeutet „Kunde ist König“
Unternehmenskritik
2007 hatten Mitarbeiter von KiK Textilien und Non Food GmbH & Co. KG in Österreich eine Betriebsratswahl zustande gebracht. Der Spitzenkandidat und dessen Liste wurde aber von der mehrheitlich unternehmensnahen Wahlkommission nicht zugelassen, da diese behauptete, dass sie 3 von 15 Unterstützungserklärungen nicht lesen könne und diese somit ungültig seien. Der Spitzenkandidat, Andreas Fillei, wurde zwei Tage nach Ausschreibung der Wahl ohne Angabe von Gründen fristlos entlassen. Gleichzeitig erhielt er in allen KiK-Filialen Hausverbot. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien hatte diese Entlassung als rechtswidrig erkannt und das Hausverbot musste zurückgenommen werden. Die wahlwerbende verbliebene Liste wurde vom KiK-Management Österreich und Deutschland aufgestellt. Nach der Wahl haben die Mitglieder dieser Liste die Wahl nicht angenommen. Somit hat KiK Österreich keinen Betriebsrat.
Der Textildiscounter hatte sich monatelang gegen Betriebsratswahlen zur Wehr gesetzt. Nach der Entlassung des Spitzenkandidaten demonstrierten etwa 300 Mitarbeiter und Gewerkschafter vor der KiK-Zentrale in Wien. Es wird vorgeworfen, dass Vor- und Abschlussarbeiten von mindestens einer Stunde am Tag trotz Niedrigstgehältern nicht ausgezahlt werden und Arbeitszeiten extrem kurzfristig verschoben wurden.
Strafanzeige wegen Lohndumpings
Am 9. Oktober 2007 erstattete die Gewerkschaft ver.di Anzeige gegen KiK. Sie wirft dem Textildiscounter Lohndumping vor. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat am 26. November 2007 das Verfahren gegen KiK wegen Lohndumpings eingestellt. Es konnten keine strafrechtlich relevanten Hinweise festgestellt werden.In einem nicht rechtskräftigen Urteil (Aktenzeichen 4 Ca 274/08) stufte das Arbeitsgericht Dortmund die Bezahlung einer Teilzeitangestellten als sittenwidrig ein. Im August 2010 kündigte das Unternehmen an, allen Mitarbeitern ab 1. Oktober 2010 einen Mindestlohn von 7,50 Euro zahlen zu wollen. Diese Entscheidung sei vor dem Hintergrund eines langfristigen Strategiewechsels zu sehen.
Ausspähen von Mitarbeitern
Im Mai 2009 ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz, da das Unternehmen seit Januar 2008 seine Bestandsmitarbeiter viermal im Jahr bei der Auskunftei Creditreform überprüfen lässt. Insgesamt wurden dabei über 49.000 Auskunftsanfragen gestellt.[12][13] Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, da sie keine systematische Aussiebung der Mitarbeiter nachweisen konnte, prüfte jedoch im Juli 2010, ob sich der Anfangsverdacht für ein neues Verfahren ergibt, nachdem der ehemalige Bezirksleiter Guido Hagelstede aussagte, dass das Unternehmen diese Auskünfte benutzte, um Mitarbeiter mit finanziellen Schwierigkeiten zu entlassen.
Nach Recherchen des ARD-Magazins Panorama, deren Ergebnis in der Sendung vom 22. Juli 2010[15] veröffentlicht wurde, bestätigen sich die Vorwürfe. Im besagten Beitrag kommt unter anderem der ehemalige Bezirksleiter Guido Hagelstede zu Wort, der im Detail die Systematik des Ausspähens bestätigt und bezeugt, dass diese Praxis von der KiK-Personalleitung angewiesen wurde.
Kritik an den Arbeitsbedingungen in den Zuliefererländern
KiK kauft direkt über eigene Büros und über Importeure ein. Weder Länder, noch Namen und Anzahl der Lieferanten pro Land werden veröffentlicht. Bekannt ist nur, dass KiK unter anderem in China und Bangladesch einkauft. Die Kampagne für saubere Kleidung konnte drei der Lieferanten in Bangladesch ausfindig machen und massive Arbeiterrechtsverletzungen nachweisen.
Aufgrund von Kritik hat KiK seinen Verhaltenskodex überarbeitet, doch auch im neuen Verhaltenskodex wird den Arbeitnehmern kein existenzsichernder Lohn eingeräumt. Nur der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn wird ihnen zugestanden. Dieser liegt in Bangladesch bei circa 18–24 Euro pro Monat und reicht nicht zum Überleben. Es wird beklagt, dass es in den Zuliefererfabriken kein Recht auf Vereinigungsfreiheit gebe. Es gibt keine schriftlichen Arbeitsverträge, die Arbeitszeiten werden zum Teil massiv überschritten und die Entlohnung ist nicht transparent.Laut einer Reportage des NDR am 7. April 2010 hat sich trotz des Versprechens auf Besserung durch KiK nichts an den kritisierten Zuständen geändert.
In einer weiteren NDR-Reportage vom 5. August 2010 dokumentierte der NDR abermals die Zustände in Bangladesch. Aus der Reportage geht u. a. hervor, dass die Versprechen, die KiK zur Besserung der Arbeitsbedingungen gelobte, nicht eingehalten wurden.
KiK forderte seine Lieferanten in Bangladesch 2010 dazu auf, „seit dem 1. November die Lohnerhöhungen ausnahmslos umzusetzen.“ Gleiches forderte KiK nach eigenen Angaben für Sublieferanten seiner Partner vor Ort.
Im September 2012 kam es in Pakistan in einer Textilfabrik, die KiK belieferte, zu einem Brand, bei dem über 250 Menschen starben. Die Zahl der Opfer war so hoch, weil der Arbeitsschutz nicht eingehalten wurde. Es gab in dieser Fabrik keine Notausgänge, Fenster waren vergittert.
Qualitätsmängel
In den letzten Jahren wurde im europäischen Schnellwarnsystem RAPEX mehrfach vor gefährlichen Produkten aus dem Sortiment von KiK gewarnt. Erhöhte Bleigehalte, verbotene Azo-Farbstoffe und Formaldehyd in Kinderspielzeugen und -bekleidung sowie Biozid in Schuhen sind nur einige der dort gelisteten Beispiele. Eine Kommunikation dieser Gefahren findet jedoch so gut wie nicht statt.