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Kanal-Kartell auch in Mülheim?

Nach Aufzugs-, Schokoladen und Schienenkartell nun das für Abwassergebühren wichtige Kanal-Kartell? Kein Zufall?

Nachdem letztes Jahr das jahrelange betrügerische Schienenkartell von Thyssen-Krupp und Voest Alpine aufgeflogen war, das neben der Bahn auch viele kommunale Verkehrsgesellschaften durch illegale Absprachen mit überhöhten Preisen über viele Jahre betrogen hatte, nun auch noch ein Kanal-Kartell? Am 30. Jan. 2013 gab es dazu eine „Razzia in Büros der Stadtwerke Essen gegen Kanal-Kartell“, vgl. Link zu WAZ-Artikel unten. 

Die MBI haben daraufhin folgenden Fragenkatalog eingereicht für die Sitzung des Umweltausschusses am 28.02.2013 zu einem evtl. Kanal-Kartell auch in Mülheim: Im Zusammenhang mit der Problematik „Kanal-Kartell“ möge die Verwaltung folgende Fragen beantworten (Antworten der Verwaltung kursiv)

  1. Wer genau ist in Mülheim für die Vergabe von Kanalbauaufträgen zuständig, das Umweltamt, die medl oder/und??? Wie genau läuft das Verfahren im Einzelnen ab? Die sehr ausführliche Antwort unterhalb der Fragen 2-6
  2. Inwieweit sind die Vorgänge in der Nachbarstadt Essen der Mülheimer Verwaltung bekannt? Wurden auch die für Kanalbauvergabe zuständigen Mülheimer Stellen bei den Ermittlungen eingeweiht oder zu Rate gezogen? Wenn ja, welche und wann?
    Wie bereits vorab (s.u.) erläutert, sind die Vorgänge aus der Nachbarstadt Essen nicht bekannt. Weder die Stadt Mülheim an der Ruhr noch die sem GmbH / medl GmbH wurden über die Ermittlungen informiert oder zu Rate gezogen.
  3. Hat die Staatsanwaltschaft auch Ermittlungen im Zusammenhang mit Mülheimer Kanalbauaufträgen durchgeführt? Wenn ja mit welchen bisherigen Ergebnissen?
    Nach Mitteilung der sem GmbH / medl GmbH liegen keine Informationen vor, dass auch Ermittlungen im Zusammenhang mit Mülheimer Kanalbauaufträgen durch die Staatsanwaltschaft durchgeführt wurden.
  4. Inwieweit hat die Verwaltung unabhängig von der Staatsanwaltschaft bisher Untersuchungen durchgeführt, um evtl. Aktivitäten eines „Kanal-Kartells“ auch in Mülheim aufzuspüren und ggfs. in Zukunft zu verunmöglichen oder zumindest zu erschweren? Welche Stellen der Verwaltung haben ggfs. diese Untersuchungen durchgeführt? Welche Rolle spielt dabei die „Leitstelle zur Korruptionsbekämpfung“? Wurde auch das Rechnungsprüfungsamt eingeschaltet?
    Da die Kanalbaumaßnahmen entsprechend des o.g. Betriebsführungsvertrages durch die sem GmbH / medl GmbH beauftragt und durchgeführt werden, nimmt die sem GmbH / medl GmbH hierzu wie folgt Stellung: „Die Korruptionsbekämpfung hat im Hause der medl GmbH eine hohe Priorität. Das Vier-Augenprinzip in den jeweiligen Entscheidungsbereichen, die Sensibilisierung der Mitarbeiter und insbesondere der Führungskräfte, gezielte Stichproben aber auch regelmäßige „Revisionsaufträge“ sind geeignet, Korruption zu erschweren.“
  5. Wieviele der laut WAZ insgesamt 14 Tiefbaufirmen des Kartells haben im letzten Jahrzehnt auch für die Stadt Mülheim gearbeitet? Wieviele auch beim Kanalbau?
    Aus dem Kreis der in der WAZ zitierten 14 Tiefbaufirmen sind lediglich 2 bekannt geworden. Ob weitere Firmen beteiligt sind, ist nicht bekannt.
  6. Trifft es z.B. zu, dass eine Firma aus dem Westfälischen, die im Zentrum des „Kanal-Kartells“ steht, auch nach dessen Auffliegen (s.u.) kürzlich noch den Auftrag für den Kanalbau an der Gracht erhalten hat? Wenn ja: Inwieweit werden die Erkenntnisse der StA bei Kanalbauvergaben in Mülheim berücksichtigt?
    Da die Kanalbaumaßnahmen entsprechend des o.g. Betriebsführungsvertrages durch die sem GmbH / medl GmbH beauftragt und durchgeführt werden, nimmt die sem GmbH / medl GmbH auch zu diesem Punkt wie folgt Stellung: „Die medl GmbH empfiehlt, auch den Vertretern des Umweltausschusses mit der notwendigen Sensibilität die „öffentliche Diskussion im Ausschuss“ zu führen. Eine „öffentliche Vorverurteilung“ kann im Einzelfall auch zu Schadensersatzforderungen führen. Sollten allerdings konkrete Erkenntnisse, z.B. durch die ermittelnde Staatsanwaltschaft, vorliegen, werden die Firmen umgehend von der Bieterliste gestrichen. Dies ist aktuell im Falle einer betreffenden Firma (inhaftierter Geschäftsführer) bereits geschehen.“

Anlage: Link zu WAZ-Artikel auf derWesten.de (s.u.)

Antwort zu Frage 1.
Da die Kanalbaumaßnahmen in Mülheim an der Ruhr in einer vertraglich geregelten Zusammenarbeit zwischen der Stadt Mülheim an der Ruhr – Amt für Umweltschutz und der sem GmbH / medl GmbH erfolgt, wurde die sem GmbH / medl GmbH zu dem o.g. Vorschlag ebenfalls um Stellungnahme gebeten.
Nach Mitteilung der sem GmbH / medl GmbH wurde diese, wie alle Leser der WAZ, durch den zitierten Presseartikel informiert. Alle sonstigen der sem GmbH / medl GmbH vorliegenden Informationen haben lediglich informellen Charakter.
Staatsanwaltschaft, Polizei aber auch die Stadtwerke Essen geben zum laufenden Ermittlungsverfahren keine Informationen.

Weiter teilt die sem GmbH / medl GmbH mit, dass es allerdings bekannt ist, dass Führungskräfte zweier Essener Kanalbaufirmen inhaftiert wurden. Gleiches gilt für einen Mitarbeiter der Stadtwerke Essen. Eine der betroffenen Kanalbaufirmen hat bis vor einigen Monaten auch in Mülheim an der Ruhr gearbeitet.

Ansonsten bleibt festzuhalten, dass wie in derartigen Fällen üblich, in der Baubranche bewusst oder unbewusst „Meldungen“ lanciert werden, die möglicherweise nicht den Tatsachen entsprechen.

Zum Kreis der in Essen beauftragten Firmen, die im Übrigen offensichtlich auch im Ermittlungsverfahren einbezogen sind, gehört eine derzeit in Mülheim an der Ruhr mit Kanalbauarbeiten beauftragte Firma. Nach nochmaliger Überprüfung der Vergabevorgänge durch die sem GmbH / medl GmbH, Anfrage (nach § 8 des Gesetzes zur Verbesserung der Korruptionsbekämpfung und Errichtung und Führung eines Vergaberegisters in NRW vom 15.12.2004) bei der Informationsstelle für Vergabeausschlüsse beim Finanzministerium des Landes NRW sowie einem Informationsgespräch mit dem Vorstand der Stadtwerke Essen wurden die bereits beauftragten Maßnahmen weitergeführt bzw. begonnen.

Wie die sem GmbH / medl GmbH weiterhin mitteilt, wurde die Geschäftsführung der betreffenden Firma vorher allerdings zu einem Gespräch einbestellt. Im Rahmen dieses Gespräches hat die Firma ihre Beteiligung an den Korruptionsvorfällen ausgeschlossen und es wurde für den Fall der Fehlinformation eine sofortige Aufhebung der Aufträge vereinbart.

Eine andere Vorgehensweise wäre nach dem derzeitigen Stand der Recherchen nach Ansicht der sem GmbH / medl GmbH nicht angemessen und hätte möglicherweise im erheblichen Umfang Schadenersatzforderungen ausgelöst.

Grundsätzliches zu bedenklichen Zuständen im kommunalen Abwasserbereich, Bspl. Mülheim

Unabhängig von der Frage, ob denn Teile der deutschen Wirtschaft und der deutschen Städte mehr und mehr Methoden mittelamerikanischer (oder afrikanischer oder …) Bananenrepubliken übernommen haben, und wenn ja, warum das sich überhaupt so entwickeln konnte, sollte es natürlich jeden Gebührenzahler, also eigentlich alle Bürger, da Anschlusszwang an das Abwassernetz besteht, interessieren, inwieweit auch seine Stadt, Gemeinde oder Abwasserverband von einem Kanal-Kartell betroffen sein könnte und wie sich das bei den Gebühren niederschlägt.  

Auch in Mülheim und anderswo ist die Abwasserbeseitigung privatisiert, d.h. die private oder teilprivate Firma ist Betreiberin mit einem festen jährlichen Entgelt, das „natürlich“ per geheimer Preisanpassungsklausel jährlich „angepasst“ wird. Die Kanäle selbst sind meist weiter im städtischen Eigentum, deren Sanierung oder Neubau aber die Betreiberfirma durchführen lässt. Welche Firma sie dabei wie beschäftigt, ist für die gewählten Volksvertreter nach der Privatisierung nicht mehr wirklich kontrollierbar, egal ob dies wie in Mülheim durch das Umweltamt als Auftraggeber oder wie in Essen durch die Stadtwerke geschieht. Zumeist aber wollen die „Volksvertreter“ mit voller Absicht im Abwasserbereich auch nichts kontrollieren.

Beispiel Mülheim/Ruhr, wo die MBI als drittstärkste Kraft mit immerhin 7 Vertreter/innen im Stadtrat vertreten ist.
Als in Mülheim zu Ruhrbania-Beginn z.B. die Kosten für den Kanalbau Friedrich-Ebert-Straße (Hauptsammler Rechtsruhr) von 3,5 Mio. auf fast 12 Mio. hochschnellten, nickte zwar der Stadtrat mehrheitlich ab, doch ohne genau zu wissen, wofür und warum. Die MBI beantragten daraufhin Akteneinsicht, die zuerst nicht gewährt werden wollte, weil die Betreiberfirma medl (51% Stadt, 49% RWE) privat sei und im Umweltamt nur ganz wenige Seiten zu der Angelegenheit vorhanden seien. Nach einigem Hin und Her bekam der MBI-Vertreter dann doch Akteneinsicht beim Umweltamt, dem die medl ganze 12 dicke Aktenordner mit Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung gestellt hatte.  Der Kanalverlauf dieses Hauptkanals war geändert worden. Auf wessen Anweisung hin, war den Akten nicht zu entnehmen. Ob die dann erfolgte abschnittsweise Ausschreibung und Vergabe ok war, darüber darf dann der Akteneinsichtsnehmende ungestraft ohnehin nicht öffentlich reden. Der Versuch der MBI, im Rat nichtöffentlich die Erkenntnisse aus der Akteneinsicht zu besprechen, stieß auf Ablehnung der Ruhrbania-Befürworter, also SPD, CDU FDP und Grüne. So ist das mit der Transparenz in der Mölmschen Demokratie nach all den Privatisierungen und Ausgliederungen

Hier 2 Bilder von 2008 aus dem seinerzeitigen „Rohrbania“, dem 1. Schritt zur endgültigen „Stilllegung“ der Mülheimer Innenstadt

Richtig Erschreckendes aber kam bei dem Gerichtsverfahren zu den Kanalerneuerungsgebühren im Haydnweg in Speldorf zutage: Der Kanal wurde 2008 erneuert und vergrößert, um das damals noch geplante Baugebiet Blötterweg zu erschließen, wo bis dahin der VfB Speldorf sein Stadion hatte. Um für den VfB u.a. ein völlig erneuertes Stadion im Ruhrstadion in Styrum herzustellen, wurden der Schulsportplatz Hochfelder Str. (ohne Ersatz!) und das VfB-Stadion in Bauland umgewandelt und verkauft zur Stadionfinanzierung.
Die Anlieger Haydnweg, zu denen auch der MBI-Sprecher gehört, mussten dann den vergrößerten Kanal zumindest teilweise bezahlen. Begründung der Stadt: Der Kanal sei 80 Jahre alt und daher erneuerungsbedürftig gewesen, was höchstrichterlich ausgeurteilt als Kriterium ausreiche. Die medl aber weigerte sich, genauere Auskünfte zu geben. Den Sachbearbeitern wurde gar jede Auskunft verboten, das dürfe nur die Geschäftsleitung. Als u.a. der MBI-Sprecher Klage einreichte, geschah Ungeheuerliches: Die Stadt musste eingestehen, dass der Kanal keine 80, sondern nur 50 Jahre alt sei – ein Missverständnis in der Kommunikation mit der medl!! Außerdem wurde überraschend und nur 1 Monat nach dem Satzungsbeschluss für den B-Plan zur Sportplatzbebauung plötzlich geändert, dass der nun größere Kanal Haydnweg doch nicht das Neubaugebiet entwässern werde. Die Nachfrage des MBI-Sprechers im Planungsausschuss, warum die B-Plan-Vorgabe geändert worden sei, wurde 2 Sitzungen nicht einmal behandelt. Begründung: Der MBI-Sprecher sei als Kläger befangen. So wurde dann auch noch der Kanal Blötterweg erneuert, um das Baugebiet für die Fa. ten Brinke zu erschließen. Noch sind die Anlieger dort dafür nicht zur Kasse gebeten worden, kommt sicher noch. Egal, denn dann behauptete die Stadt, der Kanal Haydnweg sei im Kanalbauprogramm für 2008 enthalten gewesen. Als das Gericht dieses dann anforderte, stellte sich heraus, das dem nicht so war. Dann behauptete die Stadt, der Kanal sei so schadhaft gewesen, dass er hätte erneuert werden müssen und belegte das mit Bildern, die aber nur ans Gericht gingen. Als der MBI-Sprecher dann Akteneinsicht beim Gericht erhielt, stellte er fest, dass die Bilder von 2001 waren uswusf..

Das Gericht hob schließlich die Gebührenbescheide für alle Kläger auf, allerdings nicht wegen der ganzen Schwindeleien oder weil der grundsätzliche Bedarf für diese Kanalvergrößerung nicht nachgewiesen war, sondern weil bereits die Abschnittsbildung ungesetzlich gewesen sei. Die Stadt legte selbst dagegen Berufung beim OVG ein, die aber recht schnell verworfen wurde. Danach stellten die MBI den Antrag, allen Anliegern die zu Unrecht kassierten Kanalgebühren zu erstatten. Das aber wurde in der Ratssitzung am 5.7.2012 von allen (!) außer den MBI-Vertretern niedergestimmt! Mehr u.a. hier
Gebührenwillkür ist wohl für die Volksvertreter genausowenig ein Thema wie Gebührengerechtigkeit. Erschreckend! Auch die Mülheimer Medien weigerten sich leider wieder und immer wieder, über diese Geschichte zu berichten, warum auch immer.

Ähnlich verhält es sich mit dem Problem der kalkulatorischen Kosten, insbesondere der fiktiven kalk. Zinsen, mit Hilfe derer der angebliche Gebührenbedarf fiktiv hochgetrieben wird, um immer höhere Abwassergebühren zu rechtfertigen (in Mülheim bereits ca. 50% Gebührenerhöhungen in wenigen Jahren!), unabhängig von realen Kosten. Die Überschüsse streicht der Kämmerer ein, obwohl die Kosten der Abwasserbeseitigung kostendeckend in ein separaten Gebührenhaushalt einmal pro Jahr berechnet werden müssen. Dabei erhöhen dann hohe Kanalbaukosten im jeweiligen die Riesenbeträge für Abschreibung und kalk. Zinsen deutlich. Diese fiktiven kalk. Kosten machen übrigens den weitaus größten Teil des von der Stadt auf dem Papier errechneten angeblichen Gebührenbedarfs aus! Auch bei dieser Problematik stimmte, außer den Linken in diesem Fall, kein/e Volksvertreter/in in Mülheim zuletzt selbst dem MBI-Antrag auf Senkung der kalk. Zinsen von 6% zu.

Auf der Basis fast vollständiger Intransparenz nach der Abwasserprivatisierung und dem gierigen Verlangen der bankrotten Stadt, die als kostendeckend vorgeschriebene Gebühren z.T. unter Einnahmen zu verbuchen, verwundert es nicht besonders, dass in der Folge Kanal-Kartelle u.ä. nun zu Tage treten, siehe folgender WAZ-Artikel. Allerdings begünstigen auch die Verwaltungsgerichte und z.T. die Medien die gesamten Fehlentwicklungen bei der Abwasserbeseitigung und dem Kanalbau. Die Gerichte in NRW lassen den Kommunen fast alles durchgehen und die Medien halten sich oft und vielerorts leider sehr bedeckt, wenn es um Gebührenumlenkung in die maroden Stadtsäckel geht. Mehr zu

  • Abwassergebühren in Mülheim u.a. hier
  • Schienenkartell von Thyssen-Krupp hier

„Razzia in Büros der Stadtwerke Essen gegen Kanal-Kartell

Essen.   Die Polizei hat am Morgen Büros der Stadtwerke in Rüttenscheid und Altenessen durchsucht. Anlass der Razzia war der Vorwurf von Preisabsprachen bei Kanalbauaufträgen. Drei Haftbefehle gegen zwei Firmenchefs und einen Bauleiter der Stadtwerke wurden vollstreckt…….“ Von Kai Süselbeck in WAZ Essen vom 31.01.2013, der ganze Artikel hier