Die Ruhrgebietskrise, die anachronistische Wirtschaftsförderung im Revier und die überflüssigen Zwischenbehörden des Landes
Die 53 Kommunen des RVR (Regionalverband Ruhr mit über 5 Mio. Bewohnern) konkurrieren weiter nahezu selbstmörderisch um Firmenansiedlungen, Einkaufszentren, Woh- nungen im Grünen uswusf.. Fast jede Kommune leistet sich den Luxus einer Tourismus-GmbH, einer Wirtschaftsförderung, einer eigenen ÖPNV-Gesellschaft uswusf.. Bisher gab noch keine der 53 Revier-Kommunen etwas ab. Wenn interkommunale Zusammenarbeit, dann bedeutete dies bisher fast immer nur was Zusätzliches. Das aber führt nicht mehr wirklich weiter.
Auch die „metropole Ruhr“ als gemeinsame Wirtschaftsförderungsgesellschaft ist so ein zahnloser, teurer Zusatz-Tiger, mal unabhängig davon, dass sie gegründet wurde, um darin erst einmal Herrn Brauser nach vielen Jahren der überteuerten Sterbehilfe für die Clement-Schöpfung „Projekt Ruhr“ unterzubringen und zu versorgen. Zum 1.2.2011 wurde dann ex-Juso-Chef Thomas Westphal Nachfolger des verstorbenen Brauser als Geschäftsführer von “metropole Ruhr”, der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des RVR (WMR). Nun wechselt er nach Dortmund, vgl. WAZ-Artikel unten.
Die „metropole Ruhr“ sitzt übrigens in Mülheim im gleichen Gebäude Ruhrstr. 1 des Stahlimperiums des Milliardärs Großmann, nebenbei auch ex-RWE-Chef, Aufsichtsratsmitglied diverser Großunternehmen, u.a. der Bahn, und jetzt noch Vorsitzender des Kuratoriums der für die „Ewigkeitskosten“ zuständigen RAG-Stiftung. In dem altehrwürdigen Gebäude Ruhrstr. 1 residierte auch die Mülheimer OB, nebenbei u.a. RWE-Aufsichtsrätin, bis 2012, solange das verbliebene Mülheimer Restrathaus für satte 49 Mio. saniert wurde. (Bis Ende 2013 muss nun das Mülheimer Sozialamt vorübergehend in die für knapp 40 €/qm(!) weiterhin angemieteten Räume. Für danach werden noch Lösungen gesucht. Mehr in „Mülheim, Ruhrbania und die Verschwendungsorgien als Gesellschaftsspiel der Reise nach Jerusalem?“ hier
Die WMR erhält 2,3 Mio. € jährlich, deren Nutzen für das Ruhrgebiet sich nicht wirklich erschließt, denn
Wirtschaftsförderung ist im Ruhrgebiet bisher im wesentlichen die Selbstförderung der Wirtschaftsförderer. Es gibt wohl keinen städtischen Ballungsraum auf dieser Welt, der pro Einwohner über derart viele öffentlich finanzierte Wirtschaftsförderer verfügt, wie das RVR-Gebiet. Die sind, vor allem auf kommunalen Ebene, im wesentlichen damit beschäftigt, ihre Existenzberechtigung nachzuweisen. Mehr auch in „Ruhrstadt tot noch vor Geburt?“ hier
Es wäre übrigens endlich an der Zeit, mal systematisch aufzubereiten, wieviel Geld im Ruhrgebiet für die öffentliche Wirtschaftsförderung insgesamt ausgeben wurde und wird, um diese Ausgaben dann in Bezug zu den Ansiedlungserfolgen zu setzen, wenn man dabei reale Neuansiedlungen und nicht innerregionale bzw. interkommunale Umsiedlungen/Erweiterungen betrachtet.
Da alle Revier-Kommunen extrem hoch verschuldet sind und an tiefgreifenden strukturellen Problemen leiden wie schrumpfende Bevölkerungszahl, hoher Altersdurchschnitt, hohe Arbeitslosigkeit und sehr hohe Transferleistungen, hohe Zuwanderung von Armutsflüchtlingen und Wegbrechen großer Konzerne oder Konzernteile wie Opel, RWE, Hochtief, Karstadt bis hin zu Thyssen-Krupp, ist die Lage bei Verlängerung des Status Quo der alten polyzentrischen Strukturen hoffnungslos, selbst wenn Euro- oder/und Wirtschaftskrise alsbald ohne größere Verwerfungen überwunden werden könnten (was aber eher unwahrscheinlich ist).
Es gibt also keine wirkliche Alternative zur alsbaldigen konsequenten interkommunalen Zusammenarbeit und Verschmelzung der vielen Kirchtürme zu sinnvolleren Einheiten, egal wie das Kind heißt. Die Wirtschaftsförderung sollte eines der ersten Felder für diesen Prozess sein, wobei parallel „natürlich“ auch die Einnahmen durch Gewerbesteuer Stück für Stück in einen gemeinsamen Topf umgelenkt werden müssen, auch um die bisherige selbstmörderische Konkurrenz untereinander um Firmensitze etc. in den Griff zu bekommen.
Das von SPD, CDU und Grünen im Frühjahr angekündigte bißchen mehr RVR wäre nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Dennoch: Kaum wurde die seit vielen Jahren überfällige Neustrukturierung des krisengeschüttelten Ruhrgebietes auch nur erwähnt, schossen sofort die 3 Regierungspräsidien Düsseldorf, Münster und Arnsberg, in die das Revier anachronistisch aufgeteilt ist, massiv und gemeinsam dagegen. Diese Mammutbehörden wollen mit Gewalt bestehen bleiben. Wer aber das Ruhrgebiet umstrukturieren will, weil es sonst nach und nach zusammenbricht, der muss auch notgedrungen diese überflüssigen, aber mächtigen NRW-Zwischenbehörden angehen. Mehr hier
Die Rüttgers-Regierung hatte das zwar versprochen und war dafür auch gewählt worden, doch sie kniff allzu schnell. Die Kraft-Regierung hat das nicht zufällig nicht versprochen, doch wird sie wohl nicht umhin kommen, diese pöstchenintensiven Probleme anzufassen, ob im Ruhrgebiet selbst oder in den Landesbehörden. Der faktisch drohende Zusammenbruch ihres „Stärkungspakts Stadtfinanzen“ als Notprogramm insbesondere für die Revierstädte ist wahrscheinlich nicht einmal bis hinter die Kommunalwahlen 2014 zu verschieben. „Jäger beruhigt Revierstädte: Der Stärkungspakt gilt – Zumindest 2014. Experten fordern Änderungen“ lautet nicht zufällig die Überschrift heute im Hauptteil der Print-WAZ. Im Netz klingt das etwas gemäßigter: „Jäger distanziert sich vorsichtig von Finanz-Gutachten“. Beide Überschriften zeigen aber die Brisanz! Der ganze WAZ-Artikel im Netz hier
WAZ 03.05.2013, der ganze Artikel hier
“Wirtschaftsförderung “Metropole Ruhr” sucht neuen Geschäftsführer
Essen. Nach der Wahl von Thomas Westphal an die Spitze der Dortmunder Wirtschaftsförderung will die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr rasch einen neuen Geschäftsführer suchen. Dem Regionalverband Ruhr schwebt eine deutlichere Aufgabentrennung zwischen kommunaler und regionaler Wirtschaftsförderung vor. Nach nur zweieinhalb Jahren muss sich die Metropole Ruhr erneut einen Chefwirtschaftsförderer suchen. Der bisherige WMR-Geschäftsführer Thomas Westphal wechselt in seine Heimatstadt Dortmund, um dort die Wirtschaftsförderungsgesellschaft zu leiten. …..
Anders als bei der Gründung der WMR zum 1. Januar 2007 haben sich die 53 Revier-Kommunen offenbar mit der Metropolwirtschaftsförderung versöhnt. Immerhin lässt sich ihre Mutter, der Regionalverband Ruhr (RVR), die in Mülheim beheimatete Gesellschaft jährlich 2,3 Millionen Euro kosten. Parallel dazu finanzieren die Städte ihre eigenen Wirtschaftsförderungsämter oder -Gesellschaften. Und in Düsseldorf sitzt mit NRW-Invest auch noch eine Landeseinrichtung. ………………
Wann Westphal nach Dortmund wechseln wird, steht noch nicht fest. Ein Termin im Sommer wird angepeilt.
Westphal löst den bisherigen Wirtschaftsförderer Udo Mager ab, der Geschäftsführer des Dortmunder Flughafens wird.”
Ruhrgebietskrise verschärft sich
Das Ruhrgebiet mit seinen über 5 Mio. Einwohnern schliddert zusehends in eine schwere Krise. Hoffnungslose Verschuldung fast aller Städte, dennoch auf Teufel komm raus Weitermachen mit Pöstchenhuberei und den vielen Prestigeprojekten, anstatt gezielt und konsequent die interkommunale Kooperation bis zur teilweisen Verschmelzung anzugehen, ist eigentlich fahrlässig und dumm! Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass mit Opel, Thyssen-Krupp, Hochtief, Karstadt RWE, Eon u.v.m. Grundpfeiler der Ruhrgebietswirtschaft bereits auf Talfahrt sind! Die Armutszuwanderung verschärft die Problematik und auch der BVB und Schalke können das nicht retten, höchstens die Stimmung zwischendurch verbessern. Manche Leute fangen an zu verzweifeln, wie der Beitrag von Reinhard Mattern unten zeigt, insbesondere, wenn man das mit seinen Gedanken von vor 1 Jahr vergleicht. Auch die MBI in Mülheim fordern seit Jahren und immer vehementer Strukturreformen Richtung Ruhrstadt oder wie auch immer man das nennen mag. Das Weiterwurschteln im jeweiligen Kirchturmssaft geht nicht mehr lange gut, ob beim ÖPNV, bei „Leuchtturm“projekten, bei immer neuen Verkaufsflächen, immer neuen Wohnbauflächen in den verbliebenen grünen Randbereichen, bei der Versorgung mit Schulen u.v.m.. Die Zerfallserscheinungen, ob in Duisburg, Mülheim, Oberhausen, Essen oder Bochum uswusf. werden dagegen immer häufiger und offensichtlicher.
Schluss aus! Bagger drüber –
10. Mai 2013 | xtranews, der ganze Artikel hier
Beitrag von: Reinhard Matern
Es geht schon lange nicht mehr um Kultur, auch nicht um Wirtschaft, sondern um Leben und Tod. Die Politik gesteht dies öffentlich jedoch nicht ein. Ihre Zukunft wäre gefährdet, und nur um ihre Zukunft geht es ihr noch. Und um den Schein. Die Region ist längst reif für den Urwald, der nach den Baggern käme!
Das heißt aber auch, dass es für typische Kritiken zu spät ist, in denen z.B. die Kultur als Teil des Lebens, ja des demokratischen Lebens der Bürger ausgewiesen wird. Sie verfangen nicht mehr. Die Kultur ist am Ende, weil die Wirtschaft schon lange am Ende ist. Und die Wirtschaft ist am Ende, weil die Politik fachlich bereits sehr sehr lange am Ende ist. Und doch ist es gerade sie, der es von allen am besten geht. Eine Zukunft sehe ich – unter gleichbleibenden Bedingungen – nicht.
Zu beantworten wäre, was unter Berücksichtigung ALLER relevanter Faktoren getan werden könnte … Ich fragte in diesem Zusammenhang schon einmal – speziell mit Bezug aufs Ruhrgebiet: Wie wärs mit einer Revolution?
Anm. MBI: Hier der Artikel von R. Mattern von vor 1 Jahr
Wie wärs mit einer Revolution?!
8. Juni 2012 in xtranews, der ganze Artikel hier
Beitrag von: Reinhard Matern
Und jede Stadt baut ihre eigenen Leuchtturmprojekte, die wie Kampagnen geplant werden, auch für Aufmerksamkeit sorgen, sich dann aber leicht als Investitionsgräber erweisen, wie beim Theater am Marientor in Duisburg, aktuell beim Erweiterungsbau der Küppersmühle, oder als Projekte, die die städtische Infrastruktur kippen lassen, wie beim Oberhausener CentrO, mit der Verlagerung und Neuansiedlung von Einkaufs- und Freizeitattraktionen am emschernahen Stadtrand, zu Lasten der Innenstadt. Ich möchte hier keine Liste mit all den verzweifelten Bemühungen aufmachen, die auch andere Städte und Gemeinden beträfe. Hervorheben möchte ich hingegen, dass Kampagnen nicht reichen, vor allem dann nicht, wenn es kein Produkt gibt! Die Wirtschaft ist an Rahmenbedingungen und Strukturen interessiert. Unter den derzeitigen Verhältnissen gibt es wenig, das für ein Engagement an der Ruhr spräche.
In Reaktion auf die Kirchturmpolitik der Städte wurde vor nicht allzu langer Zeit vom Initiativkreis Ruhrgebiet, einem Verein der Großbetriebe und Konzerne an der Ruhr, ein Wettbewerb ausgeschrieben, mit dem die mangelnde Kooperationsbereitschaft erhöht werden soll.
Dieses Vorgehen wird allerdings nicht ausreichen. Gegenüber einer Strukturreform handelt es sich nur um eine Beschäftigungstherapie. Es fehlt aber nicht nur ein gemeinsames politisches Handeln, um Ansiedlungen und kommunale Kostenersparnisse zu ermöglichen, sondern auch ein Interesse der Bürger, eine solche Reform mitzutragen, ja eine solche einzufordern. Kirchturmpolitik und Kirchturmfolklore ergänzen sich in wunderbarer Weise. Sogar im Zuge der aktuellen, keineswegs ersten Sparwellen, die über die Kommunen hinwegstürmen, bleibt der Blick auf die eigene Stadt geheftet, auf all das, was verloren gehen wird. Ein verstohlender Blick über die Stadtmauern hinaus dient allein dem eifersüchtigen Vergleich.
Gerade jetzt bietet sich ein Perspektivwechsel an: Innerhalb eines größeren Rahmens muss nicht jeder Partner ein Theater betreiben. Zu fragen wäre, was die Beteiligten in ein gemeinsames Projekt einbringen können. Sparpotenziale könnten auch in einer gemeinsamen Verwaltung stecken … Die Entwicklung einer Metropole wäre mit Sicherheit eine sehr große Herausforderung, auch eine, die nicht in wenigen Jahren zu bewältigen sein wird. Die Region kann ohne die Strukturreform jedoch nicht überleben. Gut die Hälfte der jeweiligen Haushaltsausgaben sind kommunale Sozialkosten, die durch die hohe Arbeitslosigkeit und die Hartz-IV-Gesetzgebung entstanden sind. Nur ein Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit könnte nach derzeit geltendem Recht die Städte und Gemeinden entlasten. Darüberhinaus wächst der Bedarf an Arbeitsplätzen, auch an hochwertigen. Die Dichte an Fachhochschulen und Universitäten gehört zu der höchsten weltweit. Unternehmen anzusiedeln, muss als zentrale Aufgabe gelten. Um dies erfolgreich zu können, sind die Bedingungen jedoch nicht ausreichend.
Die derzeitige Sparwelle, die auch Bezirksbibliotheken, Bäder, Hallen usw. betrifft, also direkt in das Leben der Menschen vor Ort eingreift, wird nicht die letzte bleiben können. Zwar wird vom Land versprochen, dass die Maßnahmen bis 2021 zur Schuldenfreiheit führen werden, doch nur unter ‘ceteris paribus’, unter sonst gleichbleibenden Bedingungen! Ändern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse, sinken die deutschen Exporte im Zuge der Eurokrise, dann wirkt sich eine solche Talfahrt auf die konjunkturabhängige Gewerbesteuer aus. Sinken die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen, erhöht sich der Kreditbedarf. Es kann noch weitaus schlimmer kommen, sollte der Euro zerfallen. Und bei all dem ohne Perspektive?
Wie wärs mit einer Revolution?!