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Mandela und die deutschen Solidaritätsgruppen zum südlichen Afrika

Wir alle haben es in den Nachrichten wahrgenommen, haben es lange erwartet und können es doch nicht fassen – Nelson Mandela ist am 5. Dezember gestorben. Es scheint, als würde die ganz Welt innehalten und um ihn trauern, nur um dann wieder zum Tagesgeschäft überzugehen. Am Sonntag, den 15. Dezember wird er in Südafrika beerdigt werden.

Viele Menschen auch in Deutschland haben eine lange Tradition mit Südafrika, manche sogar persönliche Erlebnisse mit Mandela, eigene Zugänge und ganz vielfältige Erinnerungen an ihn, sein Leben und Wirken, sein Erbe und das, was er uns als Aufgabe hinterlassen hat. Dem soll in einer gemeinsamen Gedenkfeier Raum gegeben werden.

Die Feier wird am Freitag, den 20. Dezember um 18:30 Uhr in der St. Katharinenkirche in Frankfurt (An der Hauptwache) stattfinden. 

Lothar Reinhard, Mülheim-Ruhr, 10.12.13, auch in

Ich war von Ende 1982 bis Ende 87 in Zimbabwe als Lehrer beim Aufbau einer Schule usw. tätig, seit der Gründung 1982 bin ich Mitglied des Zimbabwe Netzwerk, einem Zusammenschluss ehemaliger Solidaritäts-gruppen und Einzelmenschen zur Unabhängigkeit und zum Aufbau von Zimbabwe


Auch ich habe im Laufe der Jahrzehnte an verschiedenen Aktivitäten zur Beseitigung der Apartheid insbesondere in Südafrika teilgenommen. In dem Bild rechts von der Titelseite der Frakfurter Rundschau aus 88 oder 89 bin ich der 2. von rechts neben dem Polizisten.

Der Tod von Nelson Mandela hat mich persönlich wie sicherlich die meisten Menschen aus der ehemaligen Solidaritätsbewegung zum südlichen Afrika sehr berührt und aufgewühlt. Kein Mensch hat mich so inspiriert und motiviert wie Nelson Mandela. Ich habe mir nach der Meldung von seinem Tod die halbe Nacht Berichte und Filme über ihn angesehen, auf SWF, CNN, euronews, AlJazeera, BBC ….. Ich konnte stellenweise die Tränen nicht unterdrücken, weil ganze Teile meines Lebens hochkamen, auch viele schöne Erlebnisse.

Ich danke Gott, wenn es ihn gibt, dass Mandela trotz jahrzehntelanger Haft vergönnt war, 95 Jahre alt zu werden. Die seinerzeitige Trennung von Winnie war sicher für Mandela sehr schmerzlich, war sie doch während Mandibas jahrzehntelanger Haftzeit sein wichtigstes Sprachrohr nach draußen und eine zentrale Person für die gesamte Anti-Apartheids-Bewegung weltweit. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass Mandela mit Graca Machel, der Frau des ermordeten mozambikanischen Freiheitskämpfers und späteren Staatspräsidenten Samora Machel, eine würdige und ebenbürtige neue Partnerin fand, deren ebenfalls außergewöhnliche Persönlichkeit im gesamten südafrikanischen Raum seit Jahrzehnten von unzähligen Menschen hochangesehen und verehrt wurde und wird.

Ich möchte hier nicht in dem Chor der weltweiten Bewunderer der außergewöhnlichen Führungsgestalt Mandela und seiner Fähigkeiten, Eigenschaften und Errungenschaften mitsingen, sondern einige Worte verlieren dazu, wie die menschenverachtende Apartheid und der Kampf dagegen auch mein kleines Leben stark beeinflusst und geprägt hat, wie sicherlich bei vielen anderen Menschen aus der Solibewegung ähnlich. Ich selbst kam weder aus irgendwelchen K-Gruppen noch aus kirchlichen Zusammenhängen, so dass mein Interesse und Engagement für die Abschaffung des schrecklichen Rassismus im südlichen Afrika anders entstand.


Die Bilder vom niedergeschossenen Soweto-Aufstand 1976 haben sich bei mir ganz tief in der Seele festgesetzt. Ich befasste mich in der Folge näher mit den Befreiuungskriegen in Südafrika, Namibia und dem damaligen Rhodesien, nahm in der Folge auch gelegentlich an Aktionen oder Kampagnen verschiedener Gruppen zum südlichen Afrika teil. Obwohl mein politischer Hauptschwerpunkt damals in der Anti-AKW-Arbeit lag, beteiligte ich mich an der Gründung eines Dritte-Welt-Ladens in Mülheim, dessen Hauptträger die Menschen um Ilse und Markus Braun bildeten, die bekanntlich beharrlich und überzeugend u.a. den Früchteboykott u.v.m. im Kampf gegen Apartheid organisierten. Für mich kam das südliche Afrika immer näher, eine rege, unabhängige Zimbabwe-Schüler-Gruppe und eine Namibia-Gruppe kamen vor Ort hinzu, ebenso Flüchtlinge aus dem südlichen Afrika.
Dann ging 1980 der Befreiungskrieg in Rhodesien zu Ende und die Hoffnung bei vielen engagierten Menschen war groß, dass damit auch das Ende des Burenstaates eingeläutet werde, damit auch die Unabhängigkeit Namibias, das von Südafrika verwaltet wurde. Ich selbst befasste mich bereits intensiver mit den durchaus zähen und widersprüchlichen Friedensverhandlungen für ein unabhängiges Zimbabwe. Als Mugabe und die ZANU 1980 mit großer Mehrheit bei den ersten Wahlen gewählt wurde, überraschte mich das weniger als die meisten Berufsanalytiker in Ost und West, weil nach meinem Wissen die ZANU im Befreiungskrieg viel stärker in der Bevölkerung verankert war als die ZAPU des weltweit bekannteren und als Verhandlungsführer anerkannteren Nkomo. Mit dem unabhängigen Zimbabwe war das hochgerüstete Rassistenregime in Pretoria umgeben von sog. Frontstaaten, die alle die Kolonialherrschaft beendet hatten und wie Zimbabwe auch ein dem südafrikanischen vergleichbares Siedlerregime. Es war klar, dass der Aufbau des Frontstaats Zimbabwe gelingen musste, wollte man auch in Südafrika den Burenstaat beenden können, der im Westen starke und einflussreiche Freunde hatte.

Auf einem großen Treffen in Schalksmühle 1982, aus dem heraus auch später das Zimbabwe Netzwerk entstand, war derart viel Euphorie über das neue Zimbabwe, dass auch ich mich entschloss, am Aufbau dieses neuen Landes mitzuwirken. Es war alles noch schwierig, weil es noch keine deutschen Dienste geben durfte, da die neue schwarze Regierung noch als Terroristen eingestuft war. Schließlich ging ich wie andere auch über DAPP (Development Aid from People to People), die Entwicklungshilfeorganisation der großen dänischen Alternativschule Tvind, in das Abenteuer. In zähen Verhandlungen war es mir noch kurz vor Ausreise sogar gelungen, als Lehrer beurlaubt zu werden, wenn auch anrechnungsfrei. Ich wäre wahrscheinlich auch ohne nach Zimbabwe gegangen, wie es andere taten, die sich oft auch ganz auf eigene Faust eine Stelle zur Mithilfe beim Aufbau des neues Staates besorgt hatten. Die Hoffnung und Euphorie damals war jedenfalls auch im entwickelten Westen in manchen Kreisen groß. Education with productionhieß zudem das Zauberwort, mit dem der Aufbau des Schulwesens praxisorientierter gestaltet werden sollte.

Und wir wurden mit offenen Armen empfangen, zumindest von den Schwarzen. Und wir erlebten im Umgang mit den „normalen“ Menschen tagtäglich das, wofür Nelson Mandela als Gallionsfigur von allen heute gerühmt wird. „Reconciliation“ nach einem jahrzehntelangen brutalen Befreiungskrig war nicht nur eine Parole, sondern Alltag und kam aus der Überzeugung heraus. Das hat auch etwas mit der Kultur zu tun, die in vielen Dingen nicht so dogmatisch ist wie die europäische. Ich könnte stundenlang Erlebniss aufzählen, um das zu belegen. Nur soviel: Als ich im fast ganz von den Rhodesiern zerstörten Marktort Jerera, 400 km von Harare, ankam und zusammen mit meinen 2 Kolleg/innen ein verbliebenes Haus beziehen durfte, wurden wir so begrüßt: „Wärst Du vor 3 Jahren gekommen, hätten wir dich in Scheiben geschnitten. Jetzt aber freuen wir uns, dass du da bist“. In den ersten Jahren kamen manche mit ihren Kindern nicht selten gar von weit her, um den verängstigten Kindern einen leibhaftigen „murungu“ zu zeigen  und sie anhielten, mir die Hand zu geben, damit diese die Angst verlören. Oder, wenn ich in den ersten Jahren mit afrikanischen Kollegen zusammen per Anhalter fuhr, hielten nicht selten ehemalige Rhodies und wollten mich mitnehmen, den Kollegen aber nicht. Ich verzichtete dann ebenfalls und war ein ums andere Mal erstaunt, wie wenig Hass oder Zorn die Kollegen ob dieser Diskriminierung an den Tag legten. „Das wächst sich aus“ oder ähnliche Erklärungen erstaunten mich jedes Mal aufs Neue. Oder wenn mich irgendein besoffener Soldat in der beerhall irgendwie schräg anmachte, waren jedes Mal sofort andere zur Stelle, die ihm klarmachten, dass jede Form rassistischen Streits nicht erwünscht sei. Uswusf..

Nun sind Afrikaner genauso Menschen wie Europäer auch, da gibt es faule, fleißige, dumme, schlaue, hinterhältige, eitle, naive, egoistische und altruistische Menschen, exakt wie in Deutschland, nur die Kultur ist eben eine andere. Das erklärt auch, warum ein außergewöhnlicher Mensch wie Mandela unumstrittene Leitfigur im Kampf gegen die brutale Apartheid werden konnte und den Versöhnungsprozess einleiten konnte.

Das ändert noch nicht die ökonomisch und sozial gigantischen Verwerfungen einer nachkolonialen Gesellschaft, ist aber Voraussetzung, dass Änderungen nicht nur über Blutvergießen und massive Unterdrückung geschehen können.

In den 5 Jahren meiner Tätigkeit in Zimbabwe gab es insgesamt eine Aufbruchstimmung, die auch bedingt war dadurch, dass eben nicht Rache, Hass o.ä. den Alltag dominierten. Bis 1990 wurde trotz aller Fehler und Widrigkeiten vieles aufgebaut, was Zimbabwe bis dahin für schwarafrikanische Staaten zum Vorbild machte. Das Schulwesen, das flächendeckende Gesundheitswesen inkl. des vorbildhaften Systems der Gesundheitsarbeiter und flächendeckend Blair-Toiletten, der Aufbau von Kleinstädten ( Growth Points) mit geteerten Straßen auch und gerade in ehemaligen Reservatsgebieten seien nur beispielhaft  genannt.

Nicht selten kamen in den 80er Jahren weiße Südafrikaner nach Zimbabwe, um zu sehen, ob ein Leben ohne Rassentrennung denn funktionieren könne. Sie konnten sich überzeugen, dass ja.

Trotz der brutalen Destabilisierungspolitik aller Frontstaaten durch das Apartheids-Regime war Zimbabwe, anders als z.B. Angola und Mocambique, damals ein eher aufblühendes Land, entscheidend wichtig auch dafür, dass das inzwischen immer mehr international isolierte Südafrika ein Ende der Apartheid in Betracht ziehen musste.

Als das Flugzeug mit dem mozambikanischen Präsidenten Samora Machel abgeschossen wurde, war die Wut und Trauer auch in Zimbabwe sehr groß und quer durch die Bevölkerung. Als Hauptunterstützer im Befreiungskrieg wurde er in Zimbabwe hoch verehrt. Danach entstand auch eine breite Kampagne „Heal the wounds“ in Zimbabwe, die Versöhnung in Angriff nahm insbesondere mit den von Südafrika (und u.a. Strauß) unterstützten RENAMO-Rebellen, die nicht nur Mocambique nahezu lahmgelegt hatten, sondern auch nach Zimbabwe hinein agierten und wüteten. Auch „Heal the Wounds“ war ein Moaiksteinchen, das die Befreiung Südafrikas vom Joch der Apartheid durch ein unblutigen Versöhnungskurs ermöglichte.

Leider hat Zimbabwe ab Ende der 90er Jahre einen Kurs der Zerstörung durchgeführt, u.a. auch weil der greise Mugabe nicht die Führungsqualitäten und nicht die Integrität eines Mandela besitzt. Mugabe und die abgewirtschaftete ZANU zogen dabei auch die Rassismus-Karte. Dreimal bin ich in den letzten Jahren in Zimbabwe gewesen. Trotz der Trauer über den Niedergang und die ausgeuferte Selbstbedienung weniger, habe ich aber an keiner Stelle erkennen können, dass der von der ZANU propagierte Gegen-Rassismus in der Bevölkerung verankert sei. Das hat mich beruhigt und bestätigt, dass diese Toleranzfähigkeit viel zu tun hat mit der Kultur der Shona, Ndebele u.a. Völker des südlichen Afrika.

Auch das habe ich als randlich Betroffener im Hinterkopf, wenn nun die Trauerfeiern für die Freiheitsikone Nelson Mandela unter dem Beisein vieler Staatschefs, die zumeist selbst weder die Größe noch die Ausstrahlung des Mandiba besitzen, stattfinden. Und ich weiß:

Die Trauer im gesamten südlichen Afrika von fast allen Menschen ist groß und echt!

Gedenkstein für Winnie und Nelson Mandela auf dem Friedensplatz in Oberhausen, 1989 von der Stadt Oberhausen dort angebracht

Warum Robert Mugabe sich Zeit ließ, sein Beileid zu bekunden…

Ruth Weiss

Während die Führer der Welt sich beeilten, ihre Trauer über Nelson Mandelas Tod auszusprechen, nahm sich Präsident Robert Mugabe 24 Stunden Zeit, ehe er sich aufraffte und dem südafrikanischen Präsidenten Zuma sein Beileid ausdrückte. Am 6. Dezember überging das staatliche Radio das Ereignis nahezu, während gleichzeitig fast alle zehn Minuten über einen gestorbenen zimbabwischen Freiheitskämpfer berichtet wurde. Das Staatsorgan The Herald veröffentlichte einen Artikel, in dem er Mandelas Rolle anzweifelte. Afrikas Helden seien sozusagen von den einstigen Kolonialherren ernannt worden. Mandela sei zum Held seiner ehemaligen Folterknechte geworden. Mandela habe zwar Blutvergießen vermieden, aber Südafrika –sprich, Mandela – habe es versäumt die Führerschaft zu übernehmen, die es Afrika ermöglicht hätte, mit Würde voran zu schreiten. Viele afrikanische Führer wollten Mandela nachahmen und hätten nicht den Mut, für die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu kämpfen und die Ungerechtigkeiten des Westens zu konfrontieren. Aber er habe sein Ziel erreicht und dann den Pfad der Versöhnung gewählt. Nun müssten die heutigen Führer um die Kontrolle ihrer eigenen Ressourcen kämpfen…

Der Herald scheint vergessen zu haben, dass auch Mugabe überzeugend und berührend Versöhnung versprach. Das war 1980 – bis er es sich zehn Jahre später aus politischen Gründen anders überlegte.

Das Verhältnis zwischen Mugabe und Mandela war gespannt, obwohl Mandela in Zimbabwe verehrt wurde und es eines der ersten Länder war, die Mandela 1990 besuchte. Internationale Medien sprachen von Mugabes Eifersucht auf Mandela. Nachdem 1990 Mandela aus dem Gefängnis gekommen war, wurde er zum Liebling der Welt. Der „Held Mugabe“ war vergessen.

Der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy erzählte einmal nach einer Begegnung mit Mandela, dieser habe ihm gesagt, Mugabe sei gegen seine Freilassung gewesen. Und in einem TV Interview von 2012 kritisierte Mugabe den Südafrikaner und meinte, dieser sei gegenüber Weißen ein allzu großer Heiliger gewesen. Mandela hatte Mugabe zuvor kritisiert, indem er von „tragischem Versagen“ der Führerschaft in Zimbabwe sprach.

Eine Geschichte menschlicher Gefühle – denn auch Führer sind eben Menschen. Was sicher nicht heißt, dass Mugabe den Festlichkeiten fern bleiben wird…

was auch nicht geschah!