Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, von manchen völlig zu Unrecht auch als „Pannen-Lore“ verspottet, will die Olympischen Spiele nach NRW holen. Mit einem solchen Leuchtturmprojekt hofft sie, dem kränkelnden größten deutschen Bundesland mit seiner Hauptproblemregion Ruhrgebiet einen Modernisierungsschub geben zu können.
Bereits Mitte der 80er Jahre wollte sich das Ruhrgebiet, damals noch eher vorbildhaft beim Strukturwandel einer Kohle- und Stahlregion, erstmals für Olympia 1996 bewerben. Als aus der Kandidatur nichts wurde, begann man im großen Stil mit den Vorbereitungen für die Bewerbung für Olympia 2000. Die Planungen waren bereits weit gediehen, doch dann kam der Zusammenbruch des Ostblocks und vor allem die deutsche Wiedervereinigung dazwischen. So geriet das Ruhrgebiet vollständig aus dem Fokus und das nun mauerlose Berlin wurde auserkoren, um sich als Olympiastadt zu bewerben. 1993 wurde aber Sydney für Olympia 2000 ausgewählt.
Dann strebte NRW kurz nach der Jahrtausendwende danach, die Spiele auszurichten – für 2012. Damals wollte die Regierung Clement die Rhein-Ruhr-Region mit Fußball-WM und Olympia aufwerten. Der Metrorapid zwischen Dortmund und Köln sollte die Modernität des Landes symbolisieren und sie bei den Spielen in NRW der ganzen Welt demonstrieren. Beide Visionen, Metrorapid und Olympia in NRW, erwiesen sich als Luftnummern. Sie platzten wie Seifenblasen. Die Olympia-Bewerbung scheiterte nämlich schon bei der nationalen Vorauswahl. Deutscher Kandidat wurde Leipzig. Die Spiele dort sollten die Wiedervereinigung krönen und in den neuen Ländern für Aufbruchstimmung sorgen. Dabei wusste eigentlich jeder, dass Leipzig chancenlos war. Die ostdeutsche Provinzstadt kam nicht einmal in die Endauswahl und die Weltmetropole London wurde vom IOC ausgewählt.
Nun könnte also der nächste Versuch für eine Olympia-Bewerbung der Rhein-Ruhr-Region gestartet werden. Doch wie realistisch wäre das und vor allem, was könnte das bringen?
Olympia ist endgültig anrüchig geworden, seit bewiesen ist, dass Putins Regierung bei den Winterspielen 2014 in Sotschi viele russische Athleten dopte. Die Olympischen Spiele haben sich als Tummelfeld von Lügnern und Betrügern entpuppt. Sportfunktionäre und Athleten trauen sich nicht mehr über den Weg. Den Olympia-Gedanken hat die Politik unterminiert. Sportler und Sportfunktionäre, die ihn schützen sollten, haben ihn verraten. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) half mit, die Spiele zu desavouieren. Sein Umgang mit dem Dopingskandal vergrößerte ihn noch und wurde selbst zum Skandal.
In Rio konnte man Olympias Trümmerstücke bestaunen.
Das IOC ist diskreditiert, über Athleten und Funktionären schwebt der Dopingverdacht. Das arme Schwellenland Brasilien verschwendete Milliarden, um einige Wochen lang zu protzen. Ein riesiger Sicherheitsapparat hielt um die Sportstätten herum Arme und Kriminelle in Schach. Die Stadien blieben oft leer. Die Zuschauer vor den Bildschirmen wussten nicht, ob sie sich über die Leistungen der Athleten freuen durften oder ob sie sich gelinkt fühlen mussten.
Olympische Spiele werden von Regierungen seit Jahrzehnten zur Stadt- und Regionalentwicklung missbraucht. Zur Vorbereitung der Wettkämpfe flossen riesige Mittel in Sportstätten und Infrastruktur. Die Bewerberstaaten nutzten die Spiele, um ihre Leistungskraft zu demonstrieren und im internationalen Standortwettbewerb zu punkten.
Olympia als Frage des politischen Prestiges und des staatlichen Renommees!
Rio hat sich über Olympia wohl umfassend ruiniert.
Mit Rio de Janeiro verband die Welt Dolce Vita, Samba, Karneval, das Girl von Ipanema und die Mädels von der Copacabana. Die Olympischen Spiele haben dieses Klischee zerstört. Sie machten die riesigen Probleme der Stadt, der Region und des Landes bewusst. Die Spiele dort wirkten gänzlich deplatziert. Olympia hat Rio entzaubert.
Dem Bild, das Ministerpräsidentin Kraft von NRW und der Rhein-Ruhr-Region zeichnet, könnte es ähnlich ergehen.
Setzt sich Olympias Ansehensverlust fort, wird es IOC-Chef Bach schwer haben, akzeptable Ausrichter für die Spiele zu finden. Dann dürfte für die Rhein-Ruhr-Region die große Stunde schlagen. Hinter Rio braucht sie sich nicht zu verstecken. An Rhein und Ruhr gibt es zwar heute noch keine Favelas, aber genügend No-go-Areas, die auf dem besten Weg dahin sind.
Bevor die NRW-Regierung mithilfe der Olympischen Spiele das Land modernisieren könnte, müsste sie das ins Trudeln geratene Bundesland wohl zunächst einmal auf Vordermann bringen, damit es für Olympia überhaupt erst bewerbungsfähig wird. Bisher deutet nichts darauf hin, dass die Landesregierung dieses Problem in den Blick bekommen und die Energie und Kreativität zu seiner Lösung aufbringen könnte:
Ministerpräsidentin Kraft jedenfalls sieht laut WAZ NRW und das Ruhrgebiet in gutem Zustand. Zumindest was das Ruhrgebiet angeht, gilt diese Einschätzung vielerorts in NRW als realitätsfern, auch innerhalb des Ruhrgebietes.