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An Minister Voigtsberger

Mülheim, den 9. August 2010

An den Minister für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes NRW, Herrn Voigtsberger

Betr.: Bericht des Landesrechnungshofs zum Flughafen Essen-Mülheim und
Inflationäre Baugenehmigungen über § 34 BauGB auch konträr zu erklärten Zielen der Stadtentwicklung

Sehr geehrter Herr Minister Voigtsberger,

wir gratulieren Ihnen zur Ernennung als Minister in einem Ressort, das uns als kommunale Wählergemeinschaft und insbesondere Bürgerinitiativen am meisten von allen betrifft. Wir freuen uns auf daraus erwachsende Zusammenarbeit und wir hoffen, dass diese insbesondere an Zeiten des ehemaligen Städtebauminister Zöpel anknüpfen zu können, in dessen Ära es aus Sicht von Mülheimer Bürgerinitiativen eine durchaus fruchtbare Zusammenarbeit gab. In den letzten Jahren ist dies leider etwas eingeschlafen. Die Mülheimer Bevölkerung ist sehr rege und unsere Stadt ist seit langem so etwas wie eine Art „Hauptstadt“ von Bürgerinitiativen, was Ihnen die Ministerpräsidentin sicher bestätigen wird.

Wir möchten Sie zu Beginn Ihrer Amtszeit nicht überfallen, doch haben wir 2 Anliegen, die uns auf den Nägeln brennen. Wir wären Ihnen verbunden, wenn Sie uns dabei hilfreich sein könnten.

1. Die Bitte um Unterlagen des Landesrechnungshofes zum Flughafen Essen-Mülheim

Die Städte Mülheim und Essen sowie das Land NRW sind zu jeweils einem Drittel am Flughafen Essen/Mülheim beteiligt. Unabhängig von der jahrzehntelangen Diskussion um die Zukunft die Flugplatzes hat das Kapitel 27 „Förderung des Luftverkehrs“ des diesjährigen Jahresberichts des Landesrechnungshofes vom 28.6.2010 Irritationen ausgelöst und Fragen aufgeworfen. Der Landesrechnungshof übt darin deutliche Kritik am Flughafen Essen/Mülheim. Er empfiehlt dem Land, seine Anteile abzugeben. Er bemängelt u.a. die “unterdurchschnittlichen” Lande- und Abstellgebühren. Unabhängig davon hat der LRH massive Unregelmäßigkeiten festgestellt, die bis hin zum Korruptionsverdacht gehen (vgl. u.a. S. 287 des LRH-Berichts in der pdf-Datei (104 KB). Sowohl bei der neuen Flugzeughalle (Kosten 1,14 Mio. €)  wie bei den diversen anderen Baumaßnahmen (Kanalerneuerung, Regenwasserbehandlungsanlage, Kontrollturmkanzel) bemängelt der LRH fundamentale Vergaberechtsverstöße und bedenkliche Abrechnungen (für nicht bewilligte Leistungen).

Der Geschäftsführer der BHM (Beteiligungsholding Mülheim), Herr Dönnebrink, versuchte diese massiven Vorwürfe im Hauptausschuss der Stadt Mülheim am 30.6. zu entkräften, ging allerdings auf keine Einzelheiten ein. Auch der Flughafen-Geschäftsführer, Herr Eismann, verwies in der Ratssitzung am 8.7. immer wieder auf seine 50seitige Stellungnahme, in der alles widerlegt worden sei. Dennoch blieb der LRH laut WAZ und NRZ bei seinen Behauptungen.

Ohne die Einzelheiten zu kennen, ist es uns nicht möglich, zu einer abschließenden Beurteilung zu gelangen. Das aber ist alleine deshalb bereits wichtig, weil es auch um potenzielle Rückzahlungen von Fördergeldern an das Land geht. Unabhängig davon sind die Vorwürfe des LRH in einigen Punkten derart massiv, dass sie der Aufklärung in jedem Fall bedürfen. Wir forderten deshalb die Oberbürgermeisterin auf, allen Ratsfraktionen wenigstens die o.g. 50-seitige Stellungnahme zur Verfügung zu stellen. Dies wurde leider abgelehnt. Unserem Vertreter im Aufsichtsrat wurde dann zumindest eine Einsicht darin gewährt. Doch wir können nicht behaupten, dass die ganzen Unklarheiten ausgeräumt seien.

Da die Stadt Mülheim offensichtlich mauert, bitten wir Sie als obersten Dienstherrn sowohl des Flughafen-Gesellschafter Land NRW, als auch des zuständigen Ministeriums, uns den ausführlichen Bericht des LRH zu der Angelegenheit zugänglich zu machen. Als immerhin drittstärkste Fraktion im Rat der Stadt Mülheim finden wir es nicht hinnehmbar, trotz der massiven Vorwürfe des LRH im Unklaren gelassen zu werden. Es handelt sich um öffentliche Gelder und wir sind es den Mülheimer Bürger/innen gegenüber schuldig, ihnen fundiert Rede und Antwort stehen zu können. Das können wir erst, wenn wir genauer wissen, worum es im Einzelnen geht. Deshalb wären wir Ihnen verbunden, wenn Sie uns die o.g. Unterlagen zugängig machen könnten.

  • Korruption am Flughafen? Der Landesrechnungshof übt deutliche Kritik am Flughafen Essen/Mülheim und bemängelt massive Unregelmäßigkeiten, die bis hin zum Korruptionsverdacht gehen. Mehr hier
  • Flughafen-Geschäftsgebahren – Lehrstück für Vertuschung?! Filzverdacht erhärtet! hier
  • Auszug aus dem Jahresbericht des Landesrechnungshofes vom 28.6.2010 zum Flughafen Essen-Mülheim. Kapitel 27 „Förderung des Luftverkehrs“. Das ganze Kapitel als pdf-Datei (104 KB)

2. Baugenehmigungen über § 34 BauGB konträr zu erklärten Zielen der Stadtentwicklung

Seit Jahren müssen wir mit ansehen, wie über Genehmigungen nach §34 BauGB Ziele von Stadtplanung konterkariert werden. Dies trifft insbesondere auf den Wildwuchs von Discountern überall im Mülheimer Stadtgebiet zu, womit die Innenstadt und die Stadtteilzentren weiter geschwächt wurden.

Mülheims mit Abstand am besten funktionierendes und das einzig richtig florierende Stadtteilzentrum ist „Das Dorf in Saarn“. Doch außerhalb des „Dorfs“ im ehemaligen Gewerbegebiet an der Düsseldorfer Straße (B 223) zeichnen sich deutlich Fehlentwicklungen ab, die dem Stadtteilzentrum nur schaden können. Erst kamen ein Extra- und ein Getränkemarkt, genehmigt nach § 34. Auf der gegenüberliegenden Seite auf dem Gelände einer ehemaligen Lederfabrik gestattete man Aldi, dort neben seine neue Zentrale einen großen Supermarkt zu setzen, der angeblich Vorführ- und Lernzwecken dienen sollte, real aber ein normaler Discountmarkt ist. Dann beantragte Lidl auf der gegenüberliegenden Seite ebenfalls einen Supermarkt. Zusammen mit Lampengeschäft, Getränkemarkt und Postbank wurde dieser nach § 34 genehmigt. Daraufhin leitete die Stadt endlich den Bebauungsplan „Düsseldorfer Str./Alte Str. – Y 8„ mit Veränderungssperre ein, weil zu befürchten war und ist, dass sich auf den Flächen daneben, u.a. demnächst noch das THW-Übungsgelände, weiterer Einzelhandel ansiedeln würde.
Trotz der Veränderungssperre wurde dem Planungsausschuss am 6.7.10 der Bauantrag für die Errichtung eines „Entertainement-Centers“ – sprich Spielhalle – vorgelegt. Der Planungsausschuss verwies einstimmig auf die Veränderungssperre und stimmte wegen Beratungsbedarfs nicht ab. Wenige Tage später verwies das Bauordnungsamt darauf, es müsse die Spielhalle nach § 34 genehmigen, weil im zukünftigen B-Plan Spielhallen nicht explizit ausgeschlossen seien. Bei Ablehnung drohe Schadensersatz. Die MBI verweigerten dennoch ihre Zustimmung mit Verweis auf die Veränderungssperre. Eine Mehrheit ließ sich aber zur Zustimmung überreden. Allerdings sind alle der Ansicht, dass diese Spielhalle dem Dorf Saarn nur schaden werde.

Diese Problematik gibt es sicherlich in vielen Städten und Gemeinden. Deshalb würden wir es begrüßen, wenn sich Ihr Ministerium dieser etwas misslichen Lage von Kommunen annehmen würde.  Es sollte nicht sein, dass Kommunen Genehmigungen erteile müssen, die ihnen nachweislich schaden. Deshalb bitten wir Sie um Prüfung folgender Fragestellungen:

  1. Welche Schutz- bzw. Interventionsmöglichkeiten stehen Kommunen bei heutiger Gesetzeslage überhaupt zur Verfügung? Gibt es seitens Ihres Ministeriums dazu Handreichungen oder Hinweise? Wenn ja, könnten Sie uns diese zukommen lassen?
  2. Inwieweit könnte durch Änderung bzw. Präzisierung der Landesbaugesetze den Kommunen zumindest ansatzweise eine bessere Berücksichtigung und Durchsetzbarkeit ihrer eigenen Interessen verschafft werden? Welche Möglichkeiten etwa über Erlasse o.ä. Ihres Ministeriums gäbe es, um kompliziertere Gesetzgebungsverfahren zu vermeiden?
  3. Oder müsste eine Gesetzesinitiative für Bundestag und Bundesrat auf den Weg gebracht werden, um u.a. den § 34 des BauGB anzupassen?

Für eine möglichst zeitnahe Rückmeldung zu unseren beiden Anliegen wären wir dankbar.

Mit freundlichen Grüßen
L. Reinhard, MBI-Fraktionssprecher