9.8.10: Die WAZ hat es endlich entdeckt, das gewisse Etwas, was die kleine Großstadt zwischen Duisburg, Essen und Düsseldorf im westlichen Ruhrgebiet auszeichnet: „Das Dorf der Mächtigen und Klugen“(s.u.)
Ja, Mülheim war schon immer etwas Besonderes bis Seltsames: Wurde doch z.B. hier im Streithof, der Villa des damaligen Industriellen Kirdorf, ein gewisser Hitler bei Stahl- und Wirtschaftsbaronen hoffähig gemacht, womit eine Weltkatastrophe in Gang gesetzt wurde. Neben dem Stinnes- und dem Thyssen-Konzern entstanden mit Tengelmann, Metro und Aldi-Süd weitere Weltkonzerne hier. Mülheim war in den 70iger Jahren Zentrum der AKW-Industrie mit der KWU, die Röhren aus dem daneben liegenden Mannesmann-Werk waren wesentlicher Bestandteil in der Brandtschen Ostpolitik und selbst in der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise war das Röhrengeschäft für Schröders Ostsee-Pipeline krisensicher. Das Conle- Imperium inkl. damals LTU u.v.a. mittel- bis größerständische Firmen stammen aus dem „Dorf“.
Übrigens: Aus Mülheim kommen noch viele, viele andere Berühmtheiten jeglicher Art, nicht nur die Hitler-Förderer Emil Kirdorf und Fritz Thyssen, ein Herr Albrecht von Aldi oder Metrogründer Beisheim oder Frau Grillo, ex-Olympiasiegerin und erfolgreiche Unternehmerin, ex-KFW-Bankchefin Matthäus-Maier, der ex-Bundesvorsitzende der Grünen W. Knabe, ex-Minister Müller, bis vor kurzem RAG-Chef und Bahn-Aufsichtsratsvorsitzende,ex-Schröder-Spezi und nun WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach, der Kraft-VorvorVorsitzende der NRW-SPD Schartau, ex-Karstadt-Vorständler, der ex-und hopp-OB und nun auch ex-Staastsekretär Baganz, der ex-Überläufer Mounir Yassine mit dem gefälschten Diplom uswusf. Ja selbst die Castoren für Gorleben und letztes Jahr der dümmste Bankräuber der Republik oder die Knast-Ausbrecher aus Aachen: alle geisterten erst einmal durch Mülheim wie viele andere auch. Irgendwie muss Mülheim ein Nest sein u.a. für Führungsstellen, doch ob es sich immer um die „Klugen“ handelt, da mag man mitunter Zweifel hegen …. In der WAZ-Printausgabe sind unten dann 4 berühmte Mülheimer Köpfe nebeneinander: Hugo Stinnes, Barbara Steffens, Jürgen Großmann und Helge Schneider. Im folgenden Netzartikel der WAZ war Frau Kraft im Bild auch im Vergleich zur Printausgabe ohne Hund und nicht im Grünen, sondern vor einer Industriekulisse.
Im Westen, 08.08.2010, Andreas Heinrich
MÜLHEIM : Ein Dorf der Mächtigen und Klugen
Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wohnt in Mülheim, im Bild aus vergangenen Tagen mit ex-SPD-Mitglied Wüllenkemper, der 2009 zum Mülheimer „Unternehmer des Jahres“ gekürt wurde, nachdem er den Weggang seiner Firma aus Mülheim angekündigt hatte. Quelle: MBI-Archiv
Mülheim. In Mülheim wohnt nicht nur die erste Frau des Landes NRW, Hannelore Kraft. Viele andere Promis fühlen sich in der Stadt wohl. Helge Schneider zum Beispiel.
Was ist das nur für ein Nest, in dem sich der Vater vom „Olle Hansen“, einer der meistverkauften Autoren Deutschlands, niederließ? Wo Helge Schneider blödelt? Wo Otto Beisheim seinen ersten Cash & Carry-Markt eröffnete, Ursprung des heutigen Metrokonzerns? Oder wo quasi die Wiege der weltweiten Kunststoffindustrie steht und deren Vater und spätere Nobelpreisträger Karl Ziegler zu Hause war. Ein Dorf der Klugen, der Mächtigen?
Immerhin kommt auch die Erste Frau des Landes, Hannelore Kraft, aus Mülheim, wohnt dort mit der Familie im eher unauffälligen Stadtteil Dümpten. Immerhin kommt die neue Gesundheitsministerin des Landes, Barbara Steffens (Grüne), aus Mülheim, immerhin hat auch der neue Justizminister des Landes, Thomas Kutschaty, zumindest einen Teil seines Wahlkreises in Mülheim. Die jüngsten Mitglieder in der Mülheimer Garde der Großen, die zurückreicht bis zu Wirtschaftsgiganten wie August Thyssen oder Hugo Stinnes, die in Mülheim ihre Weltkonzerne aufbauten und steuerten.
Macht Mülheim mächtig? Zumindest wurde und wird hier mächtig Politik gemacht. Gehen wir in das Haus Urge. Es liegt in einem jener Viertel mit dem Prädikat „da möchte ich auch wohnen“. Es ist die einstige Villa von Stinnes, 1100 Quadratmeter, Pool im Garten. Noch heute kommt einem beim Betreten eine historische Aura entgegen. Großer Kamin im Eingang und jener Flügel, an dem Albert Schweitzer einst als Gast saß. Ein Haus, das Größe ausstrahlt und von denen es noch etliche in Mülheim gibt. Eben in jenem Haus Urge trafen sich auch Willy Brandt und Walter Scheel und besiegelten damals die sozial-liberale Koalition. „Da an dem Tisch haben sie gesessen“, sagt Dr. Otmar Schuster von Zenit, ein Unternehmen, das heute das Haus nutzt und den Unternehmen im Land von Mülheim aus europaweite Kontakte vermittelt und Fördertöpfe öffnet. Auch Hannelore Kraft hat hier einst gearbeitet.
Es gibt Politiker jüngster Zeit, deren Wurzeln in Mülheim liegen. Einer von ihnen ist der Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, Bodo Hombach, früher Landtagsabgeordneter, Wirtschaftsminister, Kanzleramtschef. Oder Monika Griefahn: von 2005 bis 2009 kulturpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, zuvor acht Jahre lang Umweltministerin in Niedersachsen. Viele Jahre Vorsitzender des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag war bis vor kurzen der Mülheimer Anwalt Andreas Schmidt (CDU). Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach, lebt hier.
Mülheim gilt als beschaulich, gar nicht so typisch für das Ruhrgebiet. Die höchste Rate an Schulabgängern mit Abitur in NRW gibt es. Seit ein paar Monaten darf sich Mülheim Hochschulstadt nennen, Schwerpunkt Ingenieurwissenschaften. Das freut Siemens am Ort, das Unternehmen, das kürzlich die weltweit größte Turbine ausgeliefert hat. Die Arbeitslosigkeit ist im Vergleich eher gering, die Wirtschaftskraft hoch. „Stadt der Millionäre“ heißt es oft. Ja, es gibt sie hier, weil sie hier gut leben, sehr vornehm, sehr teuer, etwas abgeschirmt, mitten im reichlich vorhandenen Grün, einen Sprung nur bis Düsseldorf, gleich um die Ecke von Essen. Die SPD war stets die große Kraft in der Stadt, heute ist sie es nicht mehr. Machtlos ist sie ohne Partner. Da reicht die alte Größe nicht aus, um zu verhindern, dass der von der Wirtschaft gewünschte Flughafen zum Auslaufmodell erklärt wird.
Was ist das für ein Nest, in dem der RWE-Chef Jürgen Grossmann zur Welt kam und noch gerne lebt, wo der ADAC-Boss Peter A. Meyer wohnt, wo die Bundeskanzlerin zum Privatbesuch bei der Familie Haub, den Tengelmännern, auftaucht? Zumindest ist es eine Stadt, in der viele gerne auch Führung übernehmen wollen. Auch Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld richtet ihre Stimme gerne über die Stadt hinaus. Die eher zierliche Frau wurde in der Männerwelt der Stadt-Chefs schnell zur Sprecherin all jener 19 Städte und Landkreise gemacht, die es leid sind, immer tiefer in den finanziellen Abgrund zu stürzen.
Da geht es Mülheim mit bald einer Milliarde Schulden auch nicht besser. Muss in vielem viel kleiner treten, Großes verschieben. Aber aufgeben? Nein, da hat man ja jetzt die Ministerpräsidentin, die soll den Rettungsschirm für die Kommunen aufspannen, auch für Mülheim. Schließlich ist sie eine von hier.
Im separaten Kasten ist zu lesen:
„Kritische Bürger – Politik darf nicht alles
Mülheim wirbt als Wohnstadt, ist dabei, dieses Image zu forcieren, Bauland auszuweisen, nicht ohne Widerstand in der Bevölkerung. Gegenwind gibt es im 170.000 Einwohner zählenden Mülheim oft und reichlich. Das Bildungsbürgertum lässt sich vieles von der Politik nicht bieten. Dass eine Wählerinitiative die drittstärkste Kraft im Rat ist, sagt viel über Einmischen und Mitmischen aus. Das pflegt man, schaltet häufiger als anderswo höhere Instanzen und Gerichte zum Schlichten und Klären ein.“ Soweit die WAZ. Man kann die vielen Bürgerinitiativen und Beschwerden auch gänzlich anders begründen! Vielleicht hat die Vielzahl der Widerstände ja auch mit dem besonders stark verankerten Filz zu tun!
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