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Kontra „Pro NRW“, aber wie?

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14974
Wer hat hier eigentlich hauptsächlich und wem was demonstriert?
Fragen zu den “Pro NRW“-Gegendemos
Von Lothar Reinhard

„Gedanken zum Wochenende mit der ganz rechten “Pro NRW“ und den Gegenaktionen“, hat sich der Fraktionsvorsitzende der Mülheimer Bürger-Initiativen (MBI), Lothar Reinhard, als einer der vielen tausend antifaschistischen GegendemonstrantInnen gemacht. „Irgendwie seltsam und ziemlich unverhältnismäßig!“ meint er im Rückblick. Denn: „Fragen über Fragen bleiben.“ – Die Redaktion leitet das Ergebnis seines Nachdenkens an die LeserInnen weiter – auch an die, die am Wochenende dabei gewesen sind:

Foto:  MBI
Lothar Reinhard – MBI-Fraktionsvorsitzender und Autor dieses Artikels

Am Freitag rund um die Fatih-Moschee an der Sandstraße in Mülheim: Hundertschaften von Polizisten riegelten alles ab, damit knapp über 30 „Pro-NRW“ler `ne halbe Stunde ihre dümmlichen Plakate hochhalten konnten, bevor sie weiter nach Essen fuhren zur ähnlichen Zeremonie; vorher waren sie bereits in Oberhausen. Dagegen gab es ein breites Bündnis, dem neben den üblichen Verdächtigen nahezu alle angehörten. Fast alle wichtigen Leute Mülheims ließen sich zum Schutz der Moschee beim Gemeindefest dort blicken, ganze Schulklassen bekamen frei dafür, ja selbst SPD-Bundeschef Gabriel war da mit dem Wahlkampfgefolge für Frau Kraft. Und OB Frau Mühlenfeld fand starke Worte wie „Wir dulden hier keine Rechtsextremen. Und sie sind auch auf der Durchreise unerwünscht“. Na denn!

Am Sonntag in Marxloh dann Großkampftag im ganzen Stadtteil, wie man ihn in Nachkriegsdeutschland sehr selten sah. Je drei nicht einmal volle Busse von NPD und Pro NRW brachten insgesamt kaum mehr als 300 oder 400 Demonstranten, die in getrennten Zügen für „Das Abendland in Christenhand“ und gegen die Merkez-Moschee demonstrierten. Tausende Sicherheitskräfte von Polizei, Grenzschutz, GSG 9 bis Bundeswehreinheiten hatten Autobahnabfahrten und Ausfallstraßen gesperrt, alle Seitenstraßen etwa der Weseler Straße, ja selbst Wanderwege besetzt und abgeriegelt, Straßenbahnen fuhren nicht mehr, Hubschrauber kreisten, Sicherheitskräfte auf etlichen Dächern usw.usf.. Kurzum der absolute Ausnahmezustand. Wo Gegendemonstranten etwa den NPD-Weg per Sitzen blockierten, wurden sie flugs von Hunderschaften und zwei bis drei Reihen Wannen mit allen nur möglichen Kennzeichen eingekesselt. Die von oben mehrfach gefilmten Blockierer wurden dann weggetragen.

Genug Futter für die Kamerateams

Ganz Marxloh war aber voll mit Gegendemonstranten und vor der Moschee auch die Wahlkämpfer/innen wie Gabriel/Kraft und Beck/Löhrmann von den Grünen, so dass die vielen Kamerateams aller möglichen Sender auch genug Futter bekamen. Marxloh war somit für einen Tag so was wie die Hauptstadt der ganzen Republik und viele Abertausende hatten Gesicht gezeigt gegen Rassismus, darunter viele Jugendliche und viele Türken bzw. Türkischstämmige, darunter leider auch Gruppen mit türkischen Fahnen.

Dennoch bleiben große Fragezeichen: „Was war das nun, dieses martialische Spektakel?“ Probten die Sicherheitskräfte den Ausnahmezustand für ganz andere Fälle oder hat nur dieser Totaleinsatz dafür gesorgt, dass die Rechtsextremen so wenige blieben? Was hat der ganze Riesenaufwand gekostet, um NPD + “Pro NRW“ die Meinungsfreiheit abzusichern? Irgendwie war die völlige Unverhältnismäßigkeit des gesamten Einsatzes nicht zu erklären. Oder wissen Polizei und Geheimdienst etwa mehr?

Bundesweite PR-Wirkung für “Pro NRW“

Bzw. andersherum gefragt: Wer hat hier eigentlich hauptsächlich und wem was demonstriert? Die Rechten, deren Gegendemonstranten oder die Staatsmacht jeweils dem anderen? Wäre es etwa klüger gewesen, den paar extrem Rechten nicht derart viel Aufmerksamkeit zu schenken, um sie nicht aufzuwerten?

Wie groß schätzen eigentlich die Sicherheitskräfte und Geheimdienste die Gefahr einer aufkeimenden braunen Gefahr wirklich ein? Insbesondere Pro NRW hat mit Minimaleinsatz sicherlich optimale und bundesweite PR-Wirkung erzielt. Und die nicht unwesentlichen Vorbehalte gegen Moscheen etc. in der nicht-demonstrierenden Bevölkerung sind bekanntlich nicht wegzuleugnen. Verstärkt wird das noch durch den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, der letzte Woche auch noch türkische Gymnasien in Deutschland forderte. Ganz so, als wolle er unbedingt die Rechtsaußen in Deutschland stärken.

„Ihr“ Volk endlich wieder ernster nehmen?

Also: Wer waren eigentlich die Gewinner des ganzen Riesenspektakels seit Freitag? Keine Ahnung, doch eines ist gewiss: Die deutsche Bevölkerung wird den rechten Rattenfängern nur dann nicht in größerer Zahl auf den Leim gehen, wenn die Demokraten aus den Parteien „ihr“ Volk endlich wieder ernster nehmen. Das wirklich gefährliche Potenzial wird nämlich dadurch genährt bzw. erst erzeugt, dass immer mehr deutsche Mitbürger sich im Stich gelassen fühlen. Und die stört dann eine Moschee viel schneller, selbst wenn sie nicht wirklich stört. Die hier im Bild stehende Merkez-Moschee soll ja die größte in Deutschland sein, doch sie dominiert das Stadtbild von Marxloh eindeutig nicht. Trotzdem würden die Islam-Gegner von “Pro NRW“ sie am liebsten abreißen und machen damit Publicity.

Foto: MBI
Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh – vorn im Bild Gabriela Grillo, Chefin der Duisburger Grillo-Werke, Olympiasiegerin im Dressurreiten und Kunstmäzenin

Viele Städte, insbesondere die bankrotten Großstädte im Ruhrgebiet oder dem Bergischen, legen rabiate Sparprogramme auf, die das kulturelle und soziale Leben in den Städten massiv beschneiden. Es geht in Wuppertal, Mülheim oder woanders ans Eingemachte. Doch vor den Kommunalwahlen am 30. August letzten Jahres redeten die meisten Politiker vieles schön, nicht nur in Dortmund, wo nun wegen Wählertäuschung neu gewählt werden muss. Ein großer Teil der Bürger ahnte oder wusste, dass geschwindelt wurde. Und nun müssen sie bluten über höhere Grund- und Hundesteuern, höhere KiGa-Gebühren, geschlossene Bäder, Büchereien, Museen usw.usf.. Die gewählten Stadtspitzen sparen aber ihre eigenen Spielwiesen und Prestigeprojekte beim Sparen aus, selbst wenn sie nicht funktionieren. Wenn die Bürger dies anmahnen, werden sie auf die Beschlusslage oder unterzeichnete, aber geheime Verträge verwiesen. Ganz extrem ist das Beispiel des trudelnden Mülheimer Prestigeprojektes Ruhrbania, das Teile unserer Stadt in Schutt und Asche legte, bei dem aber nicht geklärt ist, was auf den Trümmern überhaupt entstehen wird. Dennoch wird der übernächste Schritt mit dem 15 Millionen teuren Umbau des Brückenkopfs begonnen, was selbst verkehrlich kontraproduktiv ist. Das ist alles nicht mehr vermittelbar.
„Die machen doch eh, was sie wollen“

Oder lieber entrechten?

Hartz IV hat bereits Teile der sog. Unterschichten deutlich entrechtet und zum Prekariat gemacht, das sich zu großen Teilen ausgegrenzt fühlt. Nun kommen größere Teile der Mittelschichten dran. Und „die da oben“ machen weiter wie gehabt, in erschreckend unseriöser Art und Weise. Die Vorgänge um den U-Bahn-Bau in Köln wirken genau wie das sture Weitermachen bei “Ruhrbania“ hier in Mülheim verheerend auf das Selbstverständnis insbesondere der „eingeborenen“ Bürger. Die Menschen mit Migrationshintergrund ficht das i.d.R. weniger an, sie haben ganz andere Probleme. Viele haben den Glauben daran verloren, dass ihre gewählten Vertreter das Beste für sie wollen. Der Satz „Die machen doch eh, was sie wollen“, ist derart vorherrschend geworden, dass es schon erschreckt. Und diese Bürger haben ja nicht Unrecht – wenn sie Merkel, Gabriel, Westerwelle und unsere OB Mühlenfeld weiter tun lassen, was sie wollen und nur gegen „Pro NRW“ aufstehen..

Zu allem Unglück führt die Bundesregierung mit dem fatalen FDP-Chaos und dessen konzeptloser Klientelpolitik das gleiche Spiel auch noch im Affentempo vor. Und dann noch der Rüttgers mit seinen käuflichen Audienzen.

Immer mehr Menschen bis tief ins Bildungsbürgertum fühlen sich von der politischen Klasse kaum noch vertreten. Zerfallsprozesse quer durch die Gesellschaft sind als Folge virulent. Und je mehr die Gesellschaft sich atomisiert, desto komplizierter wird logischerweise die Integration der Migranten. Ihnen gegenüber ist der Toleranzpegel merklich gesunken, und „Pro NRW“ kann sich darüber freuen. (PK)