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Demokratiedebakel in Duisburg statt Neuanfang – warum?

Auf dem Weg in die Operetten- demokratie einer Bananen- republik nur in Duisburg?

24. Juli 12: Am heutigen zweiten Jahrestag der Loveparade-Katastrophegedenkt Duisburg mit einem Trauermarsch und einer Feier in der Innenstadt der Loveparade-Opfer. Trauer und Stille inmitten eines roten Lichtermeeres bereits gestern: Opfer der Loveparade-Katastrophe, Duisburger Bürger und Mitglieder der Initiative „Gegen das Vergessen“ entzündeten am Vorabend des zweiten Jahrestages Grablichter auf der Rampe und im Tunnel. Duisburgs neuer OB Sören Link hat lange an den richtigen Worten für die Angehörigen der Loveparade-Opfer gefeilt: „Das ist eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Rede meines politischen Lebens.“ (Zitat aus der WAZ) Die verheerende Außenwirkung seines Vorgängers Adolf Sauerland ist nicht vergessen. So waren wenigstens die Trauerfeiern dieses Mal der Schwere der Tragödie angemessen würdevoller. Das ist gut so. Dennoch:
1. Juli 12: Stichwahl bei der OB-Nachwahl in Duisburg: 
Sören Link (SPD) wurde mit 71,96 Prozent zum neuen Oberbürgermeister der Stadt Duisburg gewählt. In der Stichwahl setzte er sich überdeutlich gegen den CDU-Kandidaten Benno Lensdorf durch, der auf einen Stimmenanteil von 28,04 Prozent kommt. Noch nie seit der kommunalen Neugliederung 1975 beteiligten sich weniger Duisburger an einer Wahl in ihrer Stadt: Die Wahlbeteiligung sank weiter auf 25,75 Prozent. Drei Viertel der Wähler/innen stimmten also mit den Füßen ab und blieben der Wahl fern. Dieses Debakel für die Demokratie sollte als Warnschuss, aber auch als Hilfeschrei gewertet werden!

Der OB nur noch von 18% der Wahlberechtigten gewählt und das nach dem ganzen Spektakel um den peinlichen Sauerland und dessen Abwahl durch einen Bürgerentscheid mit immerhin 41% Wahlbeteiligung.

Sicher ist die Politik- bzw. besser Parteienverdrossenheit woanders ähnlich und nicht nur in Duisburgs Nachbarstadt Mülheim, die wie Duisburg in ein Chaos hineinregiert wurde, auch ohne loveparade-Desaster, dafür mit u.a. Ruhrbania, Haushaltskatastrophe mit „kreativer“ Bilanzführung u.a. durch PPP-Umwegfinanzierungen, Gutachteritis, Pöstchenschacherei usw. ! Doch wen interessiert das alles schon in der Heimatstadt der glorreichen Landtagswahlgewinnerin H. Kraft??

Im folgenden ein Versuch der Erklärung aus MBI-Sicht zum Desaster mit weniger als 33% zur OB-Wahl in Duisburg vor 2 Wochen:

Duisburg hat am 17. Juni 2012 – gleichzeitig mit den Griechen! – neu gewählt bzw. Duisburg hat nicht gewählt, auch noch keinen neuen Oberbürgermeister. Doch die Stichwahl am 1. Juli ist nebensächlich, wenn man die erschreckend niedrige Wahlbeteiligung von weniger als ein Drittel bedenkt (noch einmal 15% weniger als bei der letzten Wahl!). Ein richtiges Wahldebakel nicht für irgendeine der Parteien, sondern für die (Parteien-)Demokratie als solche, insbesondere nach der vorhergehenden für Deutschland erstmaligen Abwahl eines OBs durch „sein“ Volk..

Die Kommentare zu dieser bedenklichen OB-Nachwahl in Duisburg bewegten sich meist zwischen arroganten Sprüchen wie „Dumm, dümmer, Duisburg“ und dem schlichten Negieren der Wahlabstinenz der allermeisten Bürger, indem nur die beiden SPD- und CDU-Kandidaten ausführlich dargestellt wurden oder dass das Ruhrgebiet nun wieder ganz fest in SPD-Hand sei (nur noch ca. 15% der Wahlberechtigten stimmten für den zukünftigen SPD-OB, von wegen fest in SPD-Hand).

So ganz richtig herangetraut an eine Analyse dieser Wahl nach der beschämenden Sauerland-Geschichte hat sich aber kaum ein Kommentator. Lieber wegschauen, passt auch besser in diese ungewisse Zeit mit fundamentaler Eurokrise, die schnell zur System- und Wirtschaftskrise werden kann. Dabei hätte sich ein genaueres Hinschauen auf Duisburg sich gelohnt, weil Duisburg sich als Stadt in sehr dramatischen Veränderungsprozessen befindet, als eine Art Vorreiter für das Ruhrgebiet, damit für NRW und somit für Deutschland und …. Ganze Teile werden oder sollen abgerissen werden, weitere, riesige Einkaufsflächen sollen mit FOC in Hamborn/Marxloh, auf dem Zeusgelände in Obermeiderich, auf dem loveparade-Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs usw. zusätzlich entstehen.
Gleichzeitig gehört Duisburg zu den am höchsten und hoffnungslos verschuldeten Städten, ist der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund mit am höchsten, genau wie die Arbeitslosigkeit, aber auch das Problem der bulgarischen oder rumänischen Sinti und Roma, die aus Dortmund-Nordstadt großteils vertrieben wurden, ist virulent, egal ob aus vermeintlicher „political correctness“ darüber geschwiegen wird oder nicht.
Duisburg ist immerhin eine Halb-Millionenstadt, hat Europas größten Binnenhafen, die Stahlindustrie und auch sonst einiges zu bieten. Da ist oder wäre es höchst spannend zu beobachten, ob dort Auswege aus einer recht großen Krise gefunden werden oder ob Niedergang und „Abbruch West“ sich noch beschleunigen.
Die schlimme Geschichte mit der loveparade, für deren schlimme Tragödie nahezu alle Verantwortlichen in Stadt und Land inkl. der Medien Mitschuld trugen und tragen, hat erst die Aufmerksamkeit auf Duisburg gelenkt und dann die ohnehin geplagte Stadt im Regen stehen lassen.

Unbekannte haben übrigens am gestrigen Donnerstag, 4 Tage nach der OB-Neuwahl, die sechs Meter hohe David-Skulptur des Künstlers Hans-Peter Feldmann vor dem Lehmbruck-Museum im Duisburger Kantpark entmannt. Fast gleichzeitig schändeten Vandalen die loveparade-Gedenkstätte. Mehr hier. Überdeutliche Menetekel am Himmel zwischen Rhein und Ruhr??

Doch zurück zur Wahl am Sonntag, dem 17. Juni:

„Peinlich für die Nichtwähler – Ein Armutszeugnis für die Bürger der Stadt“, meinte z.B. Benjamin Sartory in seinem WDR 2 Klartext zur Duisburg-Wahl, Die angebliche Wahlmüdigkeit ist in Wirklichkeit eine Faulheit. Die Faulheit, sich mit Problemen einer Gesellschaft ernsthaft auseinanderzusetzen“,  nachzulesen hier

Im Kommentar von Dr. Werner Jurga in xtranews (nachzulesen hier, Auszug weiter unten) wird da schon nachdenklicher resümiert: „Doch keine Frage: was sich in den letzten (beiden) Jahren in Duisburg abgespielt hat, ist keine Werbung für die Demokratie. Es gibt tolle Leute innerhalb und außerhalb der Parteien, die sich in Duisburg für die Interessen der Bürger abstrampeln. Und doch: irgendetwas stimmt nicht. So systemisch und strukturell und so.“

Fragen also:

Sind die Duisburger mehrheitlich wirklich der Demokratie nicht würdig, weil zu dumm, zu faul oder apathisch, oder ist vielmehr die Demokratie bereits in schwerer Krise?
Ist Duisburg u.a. wegen der Loveparade-Ausnahmekatastrophe ein Sonderfall oder befindet sich gar die ganze deutsche Parteien-Demokratie in einer viel fundamentaleren Krise, die in Duisburg durch die loveparade-Tragödie nur deutlicher zu Tage trat?

Hier ein paar Gedanken und Stichpunkte dazu

  • Die Wähler- bzw. Nichtwählerbeschimpfung des WDR-Kommentars führt sicher wenig weiter, egal ob in Duisburg oder anderswo. Wenn die Menschen nicht zur Wahl gehen, sehen sie für sich halt wenig Sinn darin, weil sie den Eindruck haben, „die da oben“ machen eh, was sie wollen, egal wer dran ist …..  Unberechtigt ist diese für eine aktive Bürgergesellschaft verheerende Grundstimmung nicht gerade, wenn man sich die Entwicklungen in Stadt, Land, Bund, EU anschaut, dafür aber demokratiegefährdend. Mehr auch in „Duisburg braucht einen Schimanski als after-Sauerland!“ hier
  • Im Übrigen bewegt sich die deutsche Demokratie vielerorts ohnehin auf manche US-Zustände hin, wo häufig niedrige Wahlbeteiligungen einer durchaus gewollten Art von „Operettendemokratie“ entsprechen, in der dann häufig die Lobbyisten fast alles bestimmen, während die Politiker schöne Reden bzw. Gesänge von sich geben, die von der großen Mehrheit der Menschen aber kaum noch gehört werden oder auch nicht werden sollen.
  • Andauernd fällt das Bundesverfassungsgericht immer neue Urteile dazu, dass die Demokratie wenigstens in Grundregeln eingehalten werden muss. Auch auf Landes- und kommunaler Ebene wurden zusehends viele Grundregeln von Transparenz und Bürgernähe ausgehebelt, Entscheidungen finden ohnehin oft in ausgelagerten GmbHs. statt oder nichtöffentlich usw.. All das hat die Demokratie insgesamt, und nicht nur in Duisburg, immer weiter von den Wahlbürgern entfernt.
  • Die loveparade-Tragödie hat zudem sehr deutlich demonstriert, dass die eingefahrenen Verhaltensmuster und Spielchen der repräsentativen Demokratie nicht in der Lage sind, auf Ausnahmesituationen auch nur entfernt adäquat zu reagieren. Die traurige Figur des unfähigen Adolf S., der gegen jede Einsicht einfach nicht zurücktreten wollte, ist symptomatisch. Doch auch die endlos zähe (Nicht-)Aufklärung dieser vorhersehbaren und selbstgemachten Katastrophe mit Todesfolge ist symptomatisch, für „normale“ Menschen schwer nachvollziehbar und unerträglich.
  • Viele Ruhrgebietsmenschen sind geraderaus und haben einen gesunden Gerechtigkeitssinn. Das endlose Palaver um Sauerland ohne jegliche Konsequenzen und die Skandalfülle um Eurogate, Landesarchiv, Küppersmühle usw. (und alles ohne baldige Lösungen) nervt und ödet an, zu recht. Wenn viele Menschen sich dann einfach nur abwenden, wenn keine Änderung in Sicht ist, so ist das verständlich, aber für das Gemeinwesen schädlich.
  • Die Mechanismen des Rechtsstaats sind auch zu sehr darauf angelegt, dass möglichst niemand aus der Entscheiderkaste von schwarz bis grün, rot oder gelb zur Rechenschaft gezogen werden kann und wird, selbst wenn die haarsträubende Fahrlässigkeit der Entscheidungsträger wie bei der loveparade jedem offensichtlich ist. Auch zu Diäten, „Ehren“solden für abgängige Bundespräsidenten, zu anrüchigen Kostenexplosionen bei öffentlichen Projekten wie in DU u.a. dem Landesarchiv, bei Parteispenden und zu vielen Selbstbedienungsaktivitäten passiert nichts. Die Staatsanwaltschaft (StA) Duisburg z.B. ermittelt auch fast nie von selbst, wie es eigentlich ihre Aufgabe wäre, nachdem unsaubere Machenschaften den Medien zu entnehmen waren oder sind.
  • Gerade die Duisburger StA ist im Übrigen bekannt dafür, dass sie sich gegen Politiker und gegen Korruption oder Veruntreuung öffentlicher Gelder entweder weigert, überhaupt zu ermitteln, oder aber bei erwiesenen Straftaten sehr milde Vergleiche mit Samthandschuhen durchzieht. Knallhart aber geht sie gegen Kritiker von Filz und Korruption vor und macht aus unwichtigen Lapalien große Strafprozesse. Die MBI könnten stundenlang ganze Arien davon singen und das nur auf die Nachbarstadt Mülheim bezogen. ( Duisburgs Nachbarstadt befindet sich übrigens auch ohne loveparade in einem ähnlich rasanten Prozess der Stadt- und Demokratiegefährdung)
  • Das Geflecht des Genossenfilzes in weiten Teilen des Ruhrgebietes nach 40jähriger SPD-Alleinherrschaft ist fast nirgends durch die CDU oder/und die Grünen auch nur angekratzt, geschweige denn zerschlagen worden, wenn diese an die kommunale Macht kamen, egal in welcher Konstellation. Häufig haben sie sich beide sehr schnell und reibungslos in den Filz eingebaut. Der greuliche Grüne (oder umgekehrt?) in Duisburg ist dafür ein markantes Beispiel.

Für viele Menschen im Ruhrgebiet unterscheiden sich viele Vorgänge halt nicht mehr allzusehr von Bananenrepubliken irgendwo in Zentralamerika oder Afrika.  Warum sollen die Menschen also unbedingt wählen gehen, wenn sie bereits überzeugt sind, dass die wichtigen Entscheidungen ohnehin im Mauschelverfahren, nach Vitamin B und per Handaufhalten gefällt werden?

Und in Duisburg wurde die einmalige Chance auf einen überfälligen Neuanfang nach der Sauerland-Abwahl völlig vertan, und zwar spätestens, als alle Parteien ihre Kandidat/innen aufgestellt hatten. Also: Alles wie immer und nicht erkennbar, dass die Hoffnungen vieler Menschen noch im Februar bei der Sauerland-Abwahl auf wirkliche Änderungen auch nur ernst genommen würden. Da muss man/frau nicht unbedingt wählen gehen, warum auch.
Der WDR-Kommentator kennt anscheinend die Menschen im Ruhrgebiet nicht und die Duisburger noch weniger. Nur-doof sind die nämlich nicht und faul noch weniger, dafür haben sie aber oft ein gutes Gespür, wenn was falsch läuft, und einen ausgeprägten Realitätssinn. Die machen nur mit, wenn es auch was zu tun und zu erreichen gibt. Das aber war in der OB-Neuwahl wohl nicht erkennbar. Da schien es doch sinnvoller, an der Sechs-Seen-Platte oder am Rhein zu grillen, als sich einen Kopp um hohle Sprüche von hohlen Kandidat/innen zu machen. Kommt doch eh nix bei rum, oder?
Und vera … können die Menschen sich bereits alleine oder untereinander genug, denn Probleme gibt es in Duisburg und für die Duisburger in Hülle und Fülle (aber auch viele schöne Ecken übrigens … und viele nette Leute!).

Doch wie gesagt: Für die Demokratie ist das alles gefährlich, so verständlich es auch sein mag.

Xtranews 19.6.12: OB-Wahlergebnis in Duisburg: Warum nur, warum? hier

„ …………. Die Frage lautete, warum die Duisburger, die ihren OB abgewählt hatten, wenig Lust verspüren, einen neuen zu wählen. Ganz richtig ist diese Frage so nicht gestellt. Die Duisburger oder jedenfalls: viele Duisburger haben die Erfahrung gemacht, dass sie für den, den sie gewählt haben, in gewisser Hinsicht auch den Kopf hinhalten. Zum Beispiel, wenn etwas völlig aus dem Ruder läuft. Jetzt sollten sie diesen jungen Mann von der SPD wählen, von dem sie nicht viel mehr wussten, als dass er Berufspolitiker ist. Der ältere Herr von der CDU – ein enger Gefährte und Nachlassverwalter dieses Sauerlands. Ein sympathischer ….. – aber wirklich kennen tut man den doch auch nicht.

Betrachten wir unter diesen Umständen die Wahlverweigerung der meisten Duisburger nicht allein als Verantwortungslosigkeit! Betrachten wir sie als Vorsicht, als Scheu gebrannter Kinder vor dem Feuer! Das Verhalten der Duisburger zeugt vom Missmut mit den Verhältnissen in ihrer Stadt, nicht mit der Demokratie an sich. Bei Landtags- und Bundestagswahlen machen sie ja genauso schlecht und recht mit wie ihre Nachbarn auch. Doch keine Frage: was sich in den letzten (beiden) Jahren in Duisburg abgespielt hat, ist keine Werbung für die Demokratie. Es gibt tolle Leute innerhalb und außerhalb der Parteien, die sich in Duisburg für die Interessen der Bürger abstrampeln. Und doch: irgendetwas stimmt nicht. So systemisch und strukturell und so.

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  • Aug. 10: Duisburg, Mülheim, Düsseldorf und Drumherum: Ein tödlicher Hauch von Bananenrepublik? hier
  • Juli 10: “Bad Reichenhall, Köln, Duisburg … Et hätt nit immer joot jejange” Gedanken zur loveparade-Tragodie hier oder als pdf-Datei (54 KB)