Griechische Zustände a. d. Ruhr?
Die größtenteils selbstgemachten Mölmschen finanziellen Abgründe
- MBI-Etatrede vom 19.12.12 zum Haushalt 2013: „Etat? Pourquoi? Der vorgelegte Etat ist ohnehin hoffnungslos! Schluss mit Prestigeprojekten, Umwegfinanzierung und unseriöser kreativer Buchführung“ als pdf-Datei (128 KB)
- 19.4.2013: “Die Stadt hat wieder einen Haushalt – Regierungspräsidentin genehmigt Etat” (NRZ) und “Trotz akuter Krise: Haushalt genehmigt” (WAZ). Damit ist Mülheim als zuletzt einzige Großstadt in NRW ebenfalls nicht mehr im Nothaushalt. Also gerettet? Im exakten Gegenteil! Katastrophenhaushalt genehmigt, eine Lachnummer mit sehr bitterem Nachgeschmack! hier
Die Haushaltslage der eigentlich reichen kleinen Großstadt Mülheim ist trotz sehr robuster Wirtschaft und für das Ruhrgebiet niedriger Arbeitslosigkeit schwindelerregend katastrophal. Der WAZ-Titel am 5.10. 12 lautete: „Bald 1000.000.000 Euro Schulden“.
Leider stimmt selbst das nicht ganz. Mülheim geht zielstrebig „nur“ bei Kassenkrediten und „nur“ für den Kernhaushalts auf 1 Milliarde € zu. Kassenkredite heißen im Fachjargon „Kredite zur Liquiditätssicherung“ und sie entsprechen ungefähr den Überziehungskrediten bei Privatpersonen. Die Höhe der Kassenkredite ist aber nicht gleichzusetzen mit der Verschuldung einer Kommune. Mehr dazu weiter unten.
Dennoch spiegelt sich das finanzielle Desaster etlicher Städte im Ruhrgebiet oder dem Bergischen Land in dem gigantischen Anschwellen dieser „Liquiditätskredite“ bereits deutlich wieder. (in Nachkriegs-Mülheim gab es diese vor 1995 nie und richtig auch erst ab 2003).
Im folgenden 3 Diagramme aus den Jahren 2010, 2011 und 2012 mit den Prognosen der Kassenkredite der Stadt Mülheim, jeweils für den Haushaltsplanentwurf des/der folgenden Jahre/s und ohne Haushaltssicherungskonzepte (HSK). Diese sprechen für sich und sie offenbaren das ganze quasi-griechische Debakel einer fortgesetzten Misswirtschaft gigantischen Ausmaßes.
Vergleichen wir z.B. die Prognosewerte für die Kassenkredite nur für das Jahr 2014 aus den 3 letzten Haushaltsentwürfen und die realen Entwicklungen:
- Wurde in 2010 für den Doppelhaushalt noch ein Anwachsen der kurzfristigen Kassenkredite von real 415 Mio. € im Krisenjahr 2009 auf 755 Mio. € in 2014 berechnet, wie gesagt ohne HSK-Maßnahmen. Weniger durch das HSK als vielmehr durch die wiedererstarkte Wirtschaft konnte die prognostizierte Höhe der Kassenkredite in 2010 von 515 Mio. auf real 499 Mio. € gesenkt werden, also fast nichts.
- In 2011 bei boomender Wirtschaft ging der Kämmerer von real 499 Mio. € Kassenkredite nur für 2010 aus und prognostizierte für 2014 bereits 805 Mio. € ohne HSK-Maßnahmen. Real wurden aus den prognostizierten 605 Mio. Kassenkredite für 2011 dann aber trotz HSK und Wirtschaftsbooms 616 Mio.€ Kassenkredite! Unfassbar
- In 2012 bei weiterhin noch boomender Wirtschaft und den historisch niedrigsten Zinsen aller Zeiten von 0,25% für Kommunalkredite hat der Kämmerer auf der Basis der realen 616 Mio. € Kassenkredite nur für 2011 und er prognostiziert ohne HSK bereits irrwitzige 845 Mio. € für 2014.
Man sieht also:
- Die HSK-Maßnahmen haben absolut nichts bewirkt, um das exponenzielle Anschwellen der Kassenkredite zu stoppen oder gar zu verringern, im Gegenteil.
- Die realen Kassenkredite sind von 2009 auf 2011 von 415 Mio. auf 616 Mio. € (= 48% Zuwachs!) weiter explodiert. Die prognostizierten Kassenkredite nur für das Jahr 2014 sind innerhalb von nur 2 Jahren um weitere 90 Mio. € angewachsen trotz HSK, boomender Wirtschaft und Minimalzinsen!
- Die Ergebnisse des Doppelhaushalts 2010/11 waren katastrophal, denn selbst die düsteren Prognosewerte für Kassenkredite ohne HSK wurden von der Realität noch übertroffen. Wie der Kämmerer den erneuten Versuch des Doppelhaushalts in der Ratssitzung mit den „guten Erfahrungen mit dem Doppelhaushalt 2010/11“ rechtfertigen konnte, ist mehr als bedenklich, für einen Kämmerer aber eher verantwortungslos.
- Es ist nicht schwer sich vorzustellen, welch raketenartige Steigerungsraten die Höhe der Kassenkredite annehmen werden, wenn die Wirtschaft abflaut oder/und die Zinsen auf 2,3,4 oder mehr % steigen. Bei den heutigen 0,25 – 3% beträgt die Zinslast bereits ca. 18 Mio. €.
Seit 10 Jahren haben die MBI genau das Jahr für Jahr vorher gesagt, doch es kam sogar noch schlimmer. Immer noch behauptet Kämmerer Bonan, mit seinen perspektivlosen Vorschlägen „könnte die Stadt 2020 die Ausgaben mit den Einnahmen komplett decken“, während die OB ganz staatsmännisch fordert: „OB appelliert: Das Große dauerhaft sichern“ (Zitate WAZ ).
Na denn, da hat wohl die gesamte Stadtspitze den Ernst und die Dramatik der Lage immer noch nicht erkannt oder aber man/frau will Sand in die Augen streuen, wofür der zum Glück gescheiterte Versuch des erneuten Zeitschindens per Doppelhaushalt eher spricht. Mehr dazu hier
Die MBI werden ihre Vorschläge aus 2010 für einen Einstieg in ernstgemeinte Haushaltssanierung trotz der katastrophalen Lage überarbeiten und in die Haushaltsberatungen einbringen. “Zu viele Häuptlinge, viel zu viel Verschwendung und völlig intransparent!” nachzulesen als pdf-Datei (144 KB). Darin u.a. als Fazit: „Für alles nämlich gilt: Die Wiedereinführung der Grundsätze von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit ist dringende Voraussetzung, um nicht wie die Griechen mit dem Rücken durch die Wand zu fallen!“
Ursachen der heillosen Hyperverschuldung von Mülheim
Neben den Kassenkrediten (s.o.) gibt es noch die Investitionskredite z.B. für Straßenbau und Schulsanierung (ohne PPP), die abbezahlt werden müssen. Doch inzwischen betragen die verschleierten Kredite für die vielen Umwegfinanzierungen der letzten Jahre per PPP- oder PPP-ähnlichen Finanzierungen fast aller großen Projekte (Medienhaus, 2x Feuerwehr, 3 große Schulen im Paket, Haus der Wirtschaft, Restrathaus, Haus der Stadtgeschichte, in Kürze Altenheim Kuhlendahl) bereits viel mehr an unabänderlichen Verbindlichkeiten als die auch so benannten Zinsen+Tilgungen (Schuldendienst). Zu diesen als „Mieten“ getarnten langfristigen Schuldendiestzahlungen kommen noch direkte Mieten hinzu für im Rahmen von Ruhrbania bereits zerstörte öffentliche Gebäude wie für das „technische Rathaus“ im ex-SWB-Wohnturm, für das Bürgeramt im ex-Möbel Nohlen uswusf..
Die ausgegliederten rein städtischen Beteiligungsgesellschaften wie u.a. die defizitären Ruhrbania GmbH&Co.KG, die MST, MVG und Sozialholding tauchen im Kernhaushalt nicht auf, sondern bei der ebenfalls ausgegliederten Beteiligungsholding BHM. Diese finanziert sich hauptsächlich aus den Dividenden der RWE-Aktien und den halben MEG- und medl-Überschüssen (teilprivatisierte Müllabfuhr und Straßenreinigung bzw. Gas und Abwasser) sowie dem 10%-Rest aus den Überschüssen des verkauften regionalen Wasserwerks RWW. Was bei der BHM dann noch fehlt, muss der Kämmerer zuschießen (für 2012 ca. 12 bis 14 Mio. €).
Kurzum: Den wahren Schuldenstand der Stadt Mülheim zu ermitteln, ist hochgradig schwierig und kompliziert Wie der Kämmerer laut WAZ auf 4600 € Pro-Kopf-Verschuldung kommt, ist schwer nachvollziehbar, doch egal, denn nur zwei Dinge sind ganz sicher.
- Der Grundsockel der unabänderlichen Verbindlichkeiten (egal wie sie heißen) wurde in den letzten Jahren durch die Umwegfinanzierungen derart in die Höhe geschraubt, dass das Haushaltsloch wächst und wächst, selbst in wirtschaftlich allerbesten Jahren.
- Die fast vollständige Privatisierung der Grundversorgung, die vielen PPP-Umweg-finanzierungen und die unüberschaubaren Ausgliederungen, meist in privatwirtschaftliche GmbHs, machen ein Umsteuern extrem schwierig. Hinzu kommt noch die fast sklavische Bindung an den RWE-Konzern, womit der Stadt diverse Zukunftsfelder verschlossen bleiben.
Die Heimatstadt von Ministerpräsidentin Kraft hat sich insgesamt vollständig übernommen mit Ruhrbania und den anderen Großprojekten gleichzeitig. Die jahrelang geschönten und mit PPP sowie Ausgliederungen entstellten Bilanzen haben zwar die Stadt formal davor bewahrt, von RP oder Innenminister gestoppt zu werden beim Verballern von Millionen und Abermillionen gegen alle Regeln von Haushaltsrecht sowie Sinn und Verstand! Doch genau das rächte sich, weil Mülheim so nicht in den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ aufgenommen werden konnte, womit die vom Kämmerer erhofften 423 Mio. € eben nicht fließen können und dürfen.