Der erfolgreiche Bürger-entscheid in Essen vom 19.1.14 gegen die teuren Umbaupläne für die Messe hat nicht nur die Essener Würdenträger stark verunsichert. Die WAZ fragte in ihrem Hauptkommentar vom 20.1.14 auf der Titelseite u.a.: „Welche Chancen haben wirtschaftliche Projekte noch im Ruhrgebiet, wenn es möglich ist, dass die Bürger in dessen zweitgrößter Stadt sich über beinahe das gesamte politische Establishment inklusive der Gewerkschaften hinweg setzen können?“ Andere rätseln herum, ob man bei solch „wichtigen“ Dingen denn wirklich die „dummen“ Bürger entscheiden lassen dürfe. (Nicht vergessen: Die bayrischen Bürger haben kürzlich Olympia dort abgelehnt, was ebenfalls das gesamte Establishment inkl. der Sportelite massiv erschreckt hat.)
- Gemeingut in Bürger/innenhand: „Essener Bürgerentscheid kippt Messepläne und nu?“ hier
Doch egal und unabhängig von demokratietheoretischen Überlegungen, sollte man das Essener Ergebnis auch aus Sicht des kriselnden Ruhrgebiets betrachten. (Die Olympia-Entscheidung übrigens ähnlich u.a. auch im Zusammenhang mit Sotschi und Katar)
Im folgenden Ausschnitte aus 2 unterschiedlichen Kommentaren: Einmal mit der Schlußfolgerung, dass eine Messe in Dortmund für das Ruhrgebiet ausreicht (ohne zu bedenken, dass die Messe Essen bekanntlich per crossborder-leasing 2002 an einen „US-Investor“ verkauft wurde und bei Schließung vor 2032 hohe Schadensersatzforderung nach sich ziehen würde). Vielleicht bringt der Essener Bürgerentscheid ja unabhängig davon die überfällige Diskussion um Reduzierung der sprichwörtlichen, längst antagonistischen Kirchtürmelei in Deutschlands größtem Ballungsgebiet endlich voran! Bekanntlich wurde das Ruhrgebiet zuletzt von diversen Instituten als Absteigerregion und Armenhaus der Republik identifiziert!
Der Kommentar in der Essener WAZ, Ausschnitt davon weiter unten, deutet den Erfolg des Essener Bürgerentscheids auch als Vertrauenskrise und „Quittung für 10, 15 Jahre Autismus“, vornehm ausgedrückt für Filz, Vettern- und Cousinenwirtschaft insbesondere der Essener SPD (Nowack&CO), wie sie in vielen Ruhrgebietsstädten vorherrschte und z.T. noch vorherrscht, wobei CDU und meist auch Grüne sich bei Machtübernahme darin recht nahtlos einfädelten!
Zur Wahrheit, die in den Medien zur Messe Essen meist ausgeklammert wird, gehört aber auch, dass die Messe Essen in 2002 per Crossboeder-leasing an einen US-Investor verkauft wurde und deshalb bis mind. 2032 weiterbetrieben werden muss, sollen keine hohe Schadensersatzzahlungen für die bankrotte Stadt Essen (mit 3,2 Milliarden Euro Schulden Spitzenreiter aller deutschen Schuldenstädte!) fällig werden.
Messe: Eine reicht für das Ruhrgebiet
In Ruhrbarone, der ganze Artikel hier | Am 20 Januar 2014 | Von Stefan Laurin
Die Essener haben gestern gegen den Ausbau der Messe gestimmt. Zeit, sich Gedanken über die Zukunft des Messestandortes Ruhr zu machen.
Die Messe Essen wird nicht ausgebaut – es ist den Befürwortern nicht gelungen, die Bürger von dem wirtschaftlichen Sinn der 123 Millionen Investition zu überzeugen. dafür gibt es gute Gründe: Die Messe Essen steckt seit langer Zeit in der Krise, macht Verluste und verlor attraktive Messen wie die FIBO oder die Caravan. Never catch a falling Knife – warum mehr Geld in ein Unternehmen stecken, das im Niedergang ist, vor allem wenn die Hoffnung auf bessere Zeiten eher vage ist?
Denn auch in Dortmund, dem zweiten größeren Messestandort, knallen nicht die Sektkorken: Dort ist man froh über eine schwarze Null – und das nach mehr als zehn Jahren in der Verlustzone. Betrachtet man die Situation realistisch, ist das Ruhrgebiet kein starker Messestandort. Darin spiegelt sich der wirtschaftliche Bedeutungsverlust der Region ebenso wieder, wie das mangelnde internationale Prestige. Zwei Messestandorte sind für das Ruhrgebiet offenbar zu viel – das ist nicht weiter tragisch, auch andere Städte und Regionen wie Köln, Hannover, Frankfurt oder München kommen mit einem aus. Und mit Köln und Düsseldorf liegen zwei starke Wettbewerber in der direkten Nachbarschaft, Frankfurt und Hannover sind auch nur gut zwei Stunden entfernt. Und der sollte nach dem gestrigen Entscheid Dortmund sein. Ihn auszubauen, seine Attraktivität zu steigern ist eine sinnvolle regionale Aufgabe. Der Standort Essen könnte mittelfristig aufgegeben werden, es sollte versucht werden, die wenige attraktiven Essener Messen – Security, Energy&Water, Spiel und Motor Show in die Dortmunder Messe zu integrieren. Der Verkauf der Flächen am Standort Rüttenscheid dürfte auch finanziell lukrativ sein. Büros, Wohnungen – man kann sich dort viele vorstellen.
Es macht regional mehr Sinn, einen starken Messestandort zu haben als zwei schwache.
OB Paß verliert und Essen steckt in einer Vertrauenskrise
WAZ 20.1.13, der ganze Artikel hier
Essen. Die Messe Essen hat beim Bürgerentscheid die Quittung bekommen für den Autismus der letzten 10, 15 Jahre, für Kommunikationsfehler am laufenden Band. Oberbürgermeister Paß trägt die erste, die größte Verantwortung für das Messe-Desaster. Ein Kommentar.
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Die Stadt ist gespalten – und das ist kein Nord-Süd-Problem
Dieser Befund würde übrigens nicht viel anders ausfallen, wenn es ähnlich knapp für die andere Seite ausgegangen wäre. Essen steckt in einer Vertrauenskrise, die Stadt ist gespalten, und das ist ausdrücklich diesmal kein Nord-Süd-Problem. Denn im wohlhabenderen Süden haben letztlich nur unwesentlich mehr Menschen für die Messe-Modernisierung gestimmt, für die die städtische Elite vehement und über viele Parteigrenzen hinweg gekämpft hat.
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Quittung für 10, 15 Jahre Autismus
Das ist der politische „Überbau“, aber es gibt natürlich auch eine Fülle von einzelnen Gründen, warum die Sache schief lief. Die Messe hat die harte Quittung bekommen für den Autismus der letzten 10, 15 Jahre, für Kommunikationsfehler am laufenden Band. Sie konnte nicht nachweisen, dass die Investition wirklich wirkt.
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Die Bürger haben außerdem nicht zusammen bekommen, dass die Stadt einerseits sparen muss , andererseits aber an dieser Stelle soviel investieren wollte. Sie sorgten sich wohl auch um die Aufgaben, die ihnen näher liegen, um Schulen, Kitas, Sportplätze, Straßen – die Kampagne der Umbau-Gegner traf hier einen Nerv. Generell haben es Wirtschaftsthemen wohl auch schwer bei einer direkten Abstimmung zu obsiegen.
Wie es nun weitergeht, ist völlig unklar. Einige Millionen Euro, die für die Ausarbeitung der Pläne bereits anfielen, sind verloren. Ob ein deutlich preiswerter „Plan B“ überhaupt etwas bringt oder die Messe trotzdem in ein Siechtum fällt, all das steht in den Sternen. Es beginnt nun das Zittern, ob die großen Leitmessen an Bord bleiben. Aber wie man es auch dreht und wendet: Die Bürger haben es so gewollt, das ist zu respektieren. Mit den Folgen gilt es dann allerdings auch zu leben.