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Fallwerkverlagerung: Endlich Ende eines 50 Jahre dauernden Mehrfachskandals

Lothar Reinhard, MBI-Fraktionssprecher und davor lange, lange Jahre Sprecher der BI „Fallwerk“

Die WAZ Mülheim berichtete am 15.1.15 in ihrem Hauptartikel

  • „Erfolgreicher Protest nach 50 Jahren“, nachzulesen hier oder in Ausschnitten weiter unten,

darüber, dass die Verträge für das neue Gelände Timmerhellstr. für das umstrittene Fallwerk Jost, heute noch am Rande der Wohngebiete in Speldorf, im Dezember 2014 endgültig unterschrieben wurden. Damit ist ein langes, nicht immer schönes Kapitel zum Glück bald endgültig abgehakt!

Hurra, das Fallwerk ist bis Herbst 2015 verlagert! Halbwegs ein gutes Ende eines himmelschreienden Dauerskandals? Insgesamt ja, wenn auch mit Wermutstropfen!

Es gibt schwerwiegende städtebauliche Fehler, die irgendwann aber auch korrigiert werden müssen, um sinnvollere Möglichkeiten der Stadtentwicklung nicht auf weitere Zukunft zu blockieren. Ein solches 50 Jahre altes Ururururururalt-Problem ist bzw. war (bald) der Standort des sog. „Fallwerk Jost“ an der Weseler Str., richtiger des schrottverarbeitenden Betriebes am Rande der Wohnbebauung Hofacker- und Eltener Str. in Mülheim-Speldorf. Mehr in „Den gravierenden Fehler Standort “Fallwerk” Jost, Weseler Straße, endlich korrigieren!“ von Ende Aug. 2013 hier und darin:
• Fallwerk-Saga, Teil 1: ”Die Vielfachproblematik als Folge eines gravierenden Fehlers bei der Standortzulassung eines solchen Werks am Rand der Wohngebiete und im Wasserschutzgebiet“ sowie
• Fallwerk-Saga, Teil 2 oder „Warum eine derartig krasse Fehlentscheidung wie der Fallwerk-Standort Weseler Str. , möglich war und über Jahrzehnte nicht korrigiert wurde“
Ich habe in den beiden Teilen der Saga versucht, das Problem Fallwerk in einen größeren Zusammenhang zu stellen, um verständlich zu machen, wie und warum ein derart extrem unverträglicher Standort überhaupt zustande kommen konnte und auch nach dem Verlagerungsbeschluss 1992 nicht korrigiert wurde.

Mein besonderer Nicht- bzw. Undank gilt dabei den Grünen, für die wir von der BI in Speldorf 1994 einen sehr hohen Stimmenanteil einfuhren, der Schwarz-Grün in Mülheim als der ersten Großstadt Deutschlands ermöglichte, und zwar hauptsächlich aufgrund der Speldorfer Geschichten. Und die Grünen, namentlich an vorderster Front der damalige neue Bürgermeister Knabe (Grünen-Promi als ex-Bundes- und Landesvorstand sowie MdB der „Öko“partei), gleichzeitig damals auch 1. grüner Vorsitzender eines Mülheimer Umweltausschusses, ließen dann das Thema Fallwerk als allerallererstes fallen, in einer geradezu atemberaubenden Schnelligkeit. Die 1 Jahr später einzig über Quote installierte grüne Dezernentin für Planung und(!) Umwelt, Frau Sander, war insgesamt in ihrer Schwäche eine Katastrophe für Speldorf, am schlimmsten aber zum Fallwerk. Auch der spätere grüne Vorsitzende des Umweltausschusses, Niehoff, hatte in den Jahren 2009 bis 2014 mehr gebremst als geholfen.
Das alles besserte sich leider auch nicht mit einer (und neuerdings einem) grüner/n Düsseldorfer Umweltminister/in in den 90er Jahren oder zuletzt sogar noch zusätzlich inkl. einer grünen Regierungspräsidentin in Düsseldorf.

So standen Bürgerinitiative und MBI über viele, viel zu viele Jahre nahezu alleine da.

Zuletzt hatte selbst die Mülheimer SPD die Grünen bereits überholt, als die Skandalkette des hochgradig unverträglichen Fallwerks immer länger und unhaltbarer geworden war.
Falli-Luftbild3Im Juli 2013 hatten die MBI noch einmal versucht, im Rat einen Beschluss zur Bekräftigung und Erneuerung des Verlagerungsbeschlusses von 1992(!) zu erwirken. Der MBI-Antrag wurde erst verschoben, bei Enthaltung der Grünen im Planungsausschuss mehrheitlich abgelehnt und im Rat Anfang Okt. von der Tagesordnung gestimmt. Ein blamables Armutszeugnis für die sog. Volksvertreter, die sogar dann noch keine Farbe bekennen wollten, als all die vielen zwingenden Argumente für eine baldige Verlagerung längst offensichtlich waren. Nicht zufällig hatte der Fallwerksbetreiber 1 Jahr davor bereits angekündigt, in Krefeld einen verträglicheren Standort gefunden zu haben. Doch auch das löste sich in Luft auf, weil wohl in Mülheim der nötige Wille zum Handeln fehlte.

Seit ich Anfang 1988 zur Hofackerstr. nach Speldorf gezogen war, engagierte ich mich für die Verlagerung des Fallwerks Jost weg vom Rande der Wohngebiete. Über lange Zeit agierte ich als Sprecher der Initiative, auch noch viele Jahre, nachdem ich ab 1994 kein selbst betroffener Anlieger mehr war. Nachdem 1999 die MBI gegründet und ich seither für die MBI im Rat sitze, setzte ich meine Aktivitäten zur Lösung dieses unzumutbaren Uraltproblems auch in allen möglichen Gremien weiter fort, ohne gleichzeitig weiter als Sprecher der BI zu agieren. Für keine andere Sache habe ich persönlich derart viel Zeit meines Lebens verbracht, um die z.T. himmelschreienden skandalösen Geschichten zur Aufrechterhaltung des Status quo nicht als unabänderbar hinzunehmen. Etliche Schikanen und sogar unerquickliche Gerichtsverfahren musste ich einstecken dafür. Ich selbst habe Berge von Akten, Gutachten, Gegenstellungnahmen nur zu der Problematik, von den hundertfachen  Zeitungsartikeln, Radiobeiträgen oder Fernsehaufnahmen abgesehen.

Falli-Luftbild2Ich habe mich immer wieder geärgert, dass in der Mülheimer Politik und Verwaltung niemand die enormen städtebaulichen Blockaden und die sich ergebenden Möglichkeiten durch eine Verlagerung sehen oder ernst nehmen wollte, so oft ich diese auch darlegte.
Ich hoffte dann im Sommer 2014 natürlich, dass mit der bereits verkündeten Verlagerung des Fallwerks Weseler Straße für die Umnutzung dieses zentralen Geländes von ca. 33.000 qm an der Nahtstelle zwischen dem Gewerbegebiet Hafen und den Stadtteilen Broich/Speldorf inkl. der neuen Hochschule im Bau, eine transparentere Planung einsetzen würde, als in Mülheim zumeist üblich. Auch eine notwendige Verkehrsberuhigung für die überlastete Hansastr. und ebenso die Duisburger Str. hätte dadurch endlich ins Auge gefasst werden können. Ebenso dürfte die Beseitigung der arg störenden Unterführung zwischen Broich und Speldorf inkl. einer Entwicklung des völlig unteruntergenutzten Geländes des ehemaligen Bhf. Speldorf mit der Fallwerkverlagerung nicht unwesentlich vereinfacht worden sein, da ein nicht unwesentlicher Teil der insgesamt recht wenigen Fahrten der Hafenbahn die Duisburger Str. mit Fahrten von und für das Fallwerk kreuzt/e, was die Beseitigung der Unterführung blockierte. Die Unterführung ihrerseits macht eine bessere Entwicklung inkl. Anbindung an die Hochschule deutlich schwieriger.

Ein städtebauliches Nachnutzungskonzept für das heutige Fallwerksgelände hätte wichtige Impulse und Möglichkeiten insbesondere für Speldorf, aber auch für die nahe Hochschule im Aufbau bringen können. Das aber wurde seitens der Stadt anscheinend bei den Verhandlungen über die Verlagerung des Fallwerks auf das für Jost viel größere und attraktivere städtische Grundstück (u.a. auch Wasseranschluss) entweder nicht versucht oder nicht durchgesetzt. Der MBI-Antrag, dazu den B-Plan Z 11 neu aufzulegen, neben Jost auch die Bürger mit einzubeziehen und die Ziele für das durchaus spannende Grundstück neu zu bestimmen, wurde von Verwaltung sowie SPCUFDGrünen abgelehnt. Als Reaktion auf den WAZ-Artikel vom 16.8. : “MBI fordern – Jetzt Speldorf reparieren”, nachzulesen hier, waren am 19.8.14, folgende Meldungen in WAZ: “Jost-Umzug: Mühlenfeld bremst die MBI – Areal nicht ohne Eigentümer zu planen” bzw. NRZ: “Jost-Umzug: OB setzt auf Frühjahr 2015″ zu lesen. OB und Fallwerksbetreiber fühlten sich nach dem Artikel mit den MBI-Forderungen genötigt, auch an die Öffentlichkeit zu gehen. Und wieder waren es die Mülheimer Grünen, die noch eine Schippe drauflegen mussten. Im WAZ-Artikel vom 3.9.15 stand: „Nichts halten die Grünen von der Forderung der MBI, jetzt schon eine Neuplanung des Areals in die Wege zu leiten. Man wisse noch nicht, was als Nachfolgenutzung auf die Stadt zukomme. Die Situation um den Umzug der Schrottverarbeitung sei momentan noch zu sensibel, als bereits das Fell des Bären zu verteilen. „Um die Verlagerung nicht noch zu gefährden“, fordern die Grünen, „sollte die MBI vorerst das Wasser halten.“ Dümmer geht nimmer! Aber wer sich anbiedern will oder glaubt, dies zu müssen ……

Insgesamt schade, weil erneut eine große Chance vertan wurde, die städtebaulichen Sünden der Vergangenheit wenigstens in Teilen zu korrigieren, die in wichtigen Teilen eben auch den Grünen anzulasten sind!
Dennoch: Auch ich bin froh, dass diese leidige, scheinbar „never ending story“ endlich abgehakt werden kann, und zwar zum guten Schluss doch noch einigermaßen erfolgreich! Mehr dazu u.a. in

  • Sept. 14: Speldorf: Schon wieder drohen die Chancen vertan zu werden! hier
  • MBI-Antrag für die Sitzung der Bezirksvertretung 3 am 14.09.14 und des Planungsausschusses am 16.09.14 zur zügigen Weiterbearbeitung des 1996 auf Eis gelegten B-Plans Z 11 „Emmericher Str./Weseler Straße“ für die Zeit nach der anstehenden Verlagerung des schrottverarbeitenden „Fallwerks“ von der Weseler an die Timmerhellstraße hier
  • 16.8.14: WAZ: “MBI fordern – Jetzt Speldorf reparieren” hier
  • Aug. 13: Den gravierenden Fehler Standort “Fallwerk” Jost, Weseler Straße, endlich korrigieren! Warum eine derartig krasse Fehlentscheidung wie der Fallwerk-Standort Weseler Str. , möglich war und über Jahrzehnte nicht korrigiert wurde. Oder: Das Fallwerk Weseler Str. als ein Baustein in dem städtebaulichen Fiasko in Mülheim-Speldorf hier
  • Juni 13: Speldorf: Städtebauliches Fiasko sondergleichen im reichsten Mülheimer Stadtteil hier
  • 6.9.12: “Sandersche Erblasten: Beispiel städtebauliches Fiasko in Speldorf” hier
  • 7.8.12: Fallwerkverlagerung möglich! Hoffnungsschimmer für Speldorf? hier
  • Juni 12: MBI-Flugblatt: “Die Fallwerk-Saga – eine Schande für Stadt und Land!” als pdf-Datei (85 KB)
  • Feb. 11: Endlich Bewegung beim Fallwerk Jost in Speldorf? hier
  • Nov. 10: MBI-Hilferuf an Umweltminister Remmel wegen des Dauer-Umweltskandals Fallwerk Weseler Str. im Trinkwasserschutzgebiet und am Rande der Wohnbebauung als pdf-Datei (36 KB)

Erfolgreicher Protest nach 50 Jahren

WAZ 15.1.15, der ganze Artikel hier
Mülheims älteste Bürgerinitiative zieht einen Schlussstrich. Die Verträge für Verlagerung der Schrottverarbeitung sind unterzeichnet.
Falli5An die 200.000 Tonnen Schrott wurden Jahr für Jahr vor ihrer Nase angeliefert, ausgekippt, umgeschichtet, zertrümmert, verladen. 50 Jahre lang haben sich Bürger in Speldorf gegen die Belastungen durch die Schrottverarbeitung an der Weseler Straße gewehrt, es war der längste Kampf einer Bürgerinitiative in der Stadt. Jetzt zieht sie einen Schlussstrich. Die Verträge für die Verlagerung der Firma Jost Schrottverarbeitung sind unterzeichnet, Mitte des Jahres soll für die Anwohner die Ruhe einkehren, auf die sie so lange gewartet haben.
Horst Buchmüller, Winfried Wenzek, später auch Roland Baldur Schäfer waren die federführenden Köpfe der Bürgerschaft, die den Widerstand über so lange Zeit aufrecht erhalten haben. „Von den Anwohnern“, berichtet Buchmüller, „wurden in den 50 Jahren mehrere tausend Briefe geschrieben“ – an Politiker, Minister, Umweltbehörden, Stadtämter, Landes- und Bundesbehörden, Juristen.
Oft Angst um Gesundheit gehabt
Über einen Beschwerdebrief von 1971 sagen die Anwohner heute: „Bis vor wenigen Wochen hätten wir ihn umdatieren und noch mal losschicken können.“ Es war ein endloser Protest gegen hohe Schwermetalle in Feinstäuben, die in ihrer Umgebung niedergingen, gegen Erschütterungen durch Falltürme, die das Metall zerschlagen, gegen höllischen Lärm, der morgens zwischen 7 und 7.10 Uhr begann.
„Ja, wir haben oft Angst um unsere Gesundheit gehabt“, berichten die Anwohner, die auch immer wieder von Politikern bedauert wurden. Ans Wegziehen hatte dennoch nie jemand gedacht. Die Hofacker- und die Eltener Straße – es ist für manche schon die Heimat der Elterngeneration gewesen. Lohnt sich ein so langer Kampf? „Unterm Strich schon“, sagt Buchmüller mit Blick auf das jetzige Ergebnis. Er will Mut machen.

Ende gut, alles gut?

Der Kampf am Tor zum Speldorfer Hafen ist auch eine der Wurzeln der Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI), die später zur drittgrößten politischen Kraft in der Stadt aufstiegen. „Wenn wir nicht dran- und hartnäckig geblieben wären“, sagt Lothar Reinhard von der MBI, „wäre hier nie etwas passiert.“ Für ihn ist der Fall ein Beispiel dafür, wie Bürger und selbst Politiker zuweilen im Geflecht der Gesetze und Verordnungen feststecken. Die Quintessenz für ihn ist: „Für den Menschen objektive Unzumutbarkeiten dürfen nicht mehr so lange hinausgeschoben werden.“ Er erinnert daran, dass der Stadtrat 1992 die Verlagerung des Unternehmens beschlossen hatte.
Falli-neuJetzt geht das Unternehmen Jost an die Timmerhellstraße, direkt an die Hafenkante, pachtet für Jahrzehnte ein Gelände von der Stadt. An der Weseler Straße darf sich künftig nur noch Gewerbe ansiedeln, das wohnortverträglich ist.
Ende gut, alles gut? An der Hofacker Straße steht die große Sektflasche bereit. Man freut sich auf den „Frieden“, auch mit dem Schrottbetrieb, der zum Jahreswechsel schöne Grüße schickte.
Andreas Heinrich
Versicherung lautete 1956: Keine Belastung
Die Genehmigung zur Errichtung eines Schrottplatzes an der Weseler Straße erfolgte 1956. Hugo Stinnes persönlich soll sich dafür eingesetzt haben, dass der Fallturm nicht vor seinem Werkshaus steht. Den Anwohnern wurde damals versichert, dass sie in keiner Weise belastet würden.