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OVG Münster stoppt Einbaupflicht für sog. „intelligente Stromzähler“

Die (fast) unendliche Geschichte des smart meter, dem sog. „intelligenten Stromzähler“

Zur Erinnerung: WAZ Mülheim 28.2.2008: „„RWE installiert 100.000 “intelligente Zähler”. Ortsunübliche Werbung gab es gestern mittag auf dem

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist RWE-Daggi.jpg

Rathausmarkt: Während Händler ihre Hänger vom Platz ziehen, fährt RWE-Chef Jürgen Großmann im offenen Elektro-Smart vor, die Oberbürgermeisterin auf dem Beifahrsitz.“ Mit einer blauen Box, einem ”intelligenten Stromzähler” – genannt ”smart meter” – wolle Großmann Mülheim zur „Modellstadt für moderne Messtechnik” machen. Das blaue Kästchen solle, so die WAZ, wenn dessen Software spätestens 2009 entwickelt sei, über das Internet anzeigen, welche Elektrogeräte im Haus gerade eingeschaltet sind und wie viel Strom man verbrauche…..“
Im Juli 2008 warb Europas größter Klimakiller RWE mit einem PR-Gag, siehe Bild links, mehrfach ganzseitig im SPIEGEL für den “smart meter“ – als Vorzeigemodell in Mülheim, der „intelligenten“ Stadt a.d. Ruhr. Und außerdem sollte die Stadt an der Ruhr ab 2008 neben Berlin auch noch Modellstadt für den Daimler-RWE-Elektro-Städte-Smart werden, vgl. Foto oben.
Daraus wurde nichts. Hatte das RWE noch 2009/10 behauptet, niemand dürfe den Einbau verweigern, so war das 2012/13 bereits anders. Wenn jemand Bedenken hatte, wurde der smart meter auch nicht installiert. Mehr u.a. in MBI » RWE-Öko-Modellstadt Mülheim ein Riesenflop? Smart Meter nicht datensicher, Pflichteinbau um weitere Jahre verschoben – MBI (mbi-mh.de)

Laut EU-Vorgabe sollte ab dem 1. Januar 2015 in allen Neubauten, bei Renovierungen oder bei einem Jahresstromverbrauch von mehr als 6.000 Kilowattstunden (kWh) auf die intelligenten Stromzähler umgerüstet werden. Nun wird der Stichtag voraussichtlich mindestens bis zur  Bundestagswahl 2017 verschoben. Laut Spiegel vom 22.12.14: „Energiewende: Deutschland droht das Stromzähler-Chaos“, nachzulesen hier, hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bereits einige Geräte auf ihre Sicherheit untersucht. Doch keines genügte weder den Anforderungen zum Datenschutz, noch gab es bis dahin gesetzlich festgelegte Vorgaben bezüglich einheitlicher Sicherheitsstandards bei den Stromzählern. 

Nachdem 2017 eine holländische Studie zeigte, dass Stromrechnungen vieler smart-meter-Kunden falsch sein könnten, weil ein Teil der neuen digitalen Zähler viel zu hohe Verbrauchswerte auswies – in manchen Fällen das Fünffache! hörte man lange Zeit nichts mehr vom geplanten Zwangseinbau der smart meter.
Mit dem Corona-lockdown EU-weit kam der Ruf nach beschleunigter Digitalisierung. Und unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde die Einbaupflicht gesetzlich erneuert. Doch jetzt stoppte das OVG das, aus guten Gründen.

Smart Meter Rollout: Stopp per Gerichtsbeschluss

Der folgende Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (pf) 2021 verfasst 

Die Einbaupflicht für intelligente Messsysteme wurde gerichtlich gestoppt. Nach Auffassung der Richter hat das BSI die Anforderungen an die Smart Meter Gateways so verändert, dass sie nicht mehr den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechen.

Der Smart-Meter-Rollout ist seit letztem Jahr im Gange, nun wurde er gerichtlich gestoppt. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in einem Eilbeschluss vom 4.3.2021 den Vollzug der Allgemeinverfügung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ausgesetzt. Messstellenbetreiber sind nun vorläufig nicht mehr zum Pflichteinbau zertifizierter intelligenter Messsysteme verpflichtet.

Das Gericht hat aufgrund der Beschwerde eines privaten Unternehmens aus Aachen, das auch andere Messsysteme vertreibt, die Vollziehung der Allgemeinverfügung ausgesetzt. Das hat zur Folge, dass nun vorläufig weiterhin andere Messsysteme eingebaut werden dürfen. Bereits verbaute intelligente Messsysteme müssen aber nicht ausgetauscht werden.

Intelligente Messsysteme bestehen aus einem digitalen Zähler und einer Kommunikationseinheit, die Daten übermittelt. Dieses Smart Meter Gateway muss höchsten Sicherheitsanforderungen entsprechen. Erst nachdem drei Geräte verschiedener Hersteller die Systemanforderungen erfüllten, initiierte das BSI den Pflichteinbau. Er erfolgt seit letztem Jahr zunächst bei großen Verbrauchern, wird aber im Laufe der Jahre stufenweise auf kleinere Verbraucher ausgedehnt. Die zeitnahe Übermittlung von Verbrauchsdaten ist eine Grundvoraussetzung für das Angebot flexibler Stromtarife. Die Vorgabe dazu kam von der EU.

Anforderungen an Datenaustausch nicht erfüllt

In ihrer Begründung argumentieren die Richter, dass die Allgemeinverfügung des BSI voraussichtlich rechtswidrig sei. Zum einen seien die Zertifizierungen auf Basis einer technischen Richtlinie erfolgt, die das BSI erlassen habe, ohne alle vorgeschriebenen Gremien einzubinden. Neben diesem formalen Fehler seien die Vorgaben auch materiell rechtswidrig, weil sie hinsichtlich der Anforderungen zum Datenaustausch hinter den gesetzlich normierten Mindestanforderungen zurückbleiben. Seien die Mindestanforderungen nicht erfüllbar, müsse der Gesetzgeber tätig werden. Das BSI habe dazu keinen Auftrag.

Der Eilbeschluss ist unanfechtbar. Die Hauptklage muss aber noch entschieden werden. Sie liegt beim Verwaltungsgericht Köln. Dieses Gericht hatte auch erstinstanzlich die Klage des Aachener Unternehmens zugunsten des BSI entschieden.

Die sogenannte Marktverfügbarkeitserklärung des BSI gibt nach dem Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) den Startschuss für den verpflichtenden Einbau intelligenter Messsysteme. Die lange erwartete Erklärung hatte das BSI Anfang des letzten Jahres veröffentlicht. Rund 50 Messstellenbetreiber hatten sich im Eilrechtsschutz dagegen gewandt, diese Marktverfügbarkeitserklärung vollziehen zu müssen – denn entgegen den Vorgaben des MsbG blieben nach Auffassung der Messstellenbetreiber die aktuell vom BSI zertifizierten und für marktverfügbar erklärten intelligenten Messsysteme weit hinter den gesetzlich vorgegebenen technischen Anforderungen zurück.

Zu viel Regulierung behindert Innovation

Nach Auffassung des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne) fehlen dem Energiemarkt ohne geeignete intelligente Messysteme wichtige technische Voraussetzungen für die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle und zur Erreichung der Klimaziele.

bne-Geschäftsführer Robert Busch kommentiert: „Es ist schade, dass erst ein Gerichtsurteil knapp fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende den von an Anfang an verkorksten Prozess stoppen muss.“ Der im Messtellenbetriebsgesetz angelegte Zertifizierungsprozess sei ein strukturell überfrachtetes Desaster – er sei zeitraubend und ersticke Innovationen. Wenn Deutschland seine Führungsrolle bei der Digitalisierung der Energiewende wieder zurückholen wolle, müsse ein schnellerer und besserer Weg zur Wiedererlangung der Innovationsfähigkeit eingeschlagen werden. Strukturelle und prozessuale Abrüstung sei nun das Gebot.