Gedanken und Hintergründe zu den teilweise absurden Auseinandersetzungen um den Schulentwicklungsplan in einer ziemlich vergifteten Diskussion
Am 21. Juli 2011 beschloss der Mülheimer Stadtrat nach stundenlanger Diskussion mit 32 gegen 26 Stimmen von SPD und verschiedenen Schattierungen der Linken den Bildungsentwicklungsplan, der neben der Schließung von Grundschulen auch die Schließung der Hauptschule Bruchstraße vorsieht. Dem war eine monatelange, teils sehr emotionale Auseinandersetzung hauptsächlich um diese Eppinghofer Schule vorausgegangen.
- Dez. 11: Bürgerbegehren zum Erhalt der HS Bruchstraße erfolgreich, aber unzulässig? Lasst doch die Bürger entscheiden! hier
- März/April 12: MBI-Stellungnahme zum Bürgerentscheid am 22.4. für oder gegen den Erhalt der Hauptschule Bruchstr. als pdf-Datei (8 KB).
Flugblatt der Befürworter der HS als pdf-Datei (678 KB)
Gemeinsames Flugblatt von CDU, MBI, FDP und Grünen gegen den Erhalt der HS Bruchstr. als pdf-Datei (767 KB)
Anfang Sept. 2011 startete ein „Bündnis für Bildung“ ein Bürgerbegehren zur Frage: „Soll die weiterführende Schule (GHS Bruchstr.) in Mülheim Eppinghofen auf Dauer erhalten bleiben?“. Unterstützt wird das Begehren von SPD, WirLinke, Linke, DGB, GEW und beiden Kirchen.
Für jemand von außerhalb der Mölmschen Kirchturmsgrenzen scheinen die Uhren im hiesigen Bildungsstreit nicht nur anders zu schlagen als im Rest von NRW, sie ticken sogar regelrecht aus!
Da kämpfte der SPD-Ortsverband der NRW-Ministerpräsidentin verbissen und mit Haken und Ösen für den Erhalt der Hauptschule (HS) Bruchstr., während die Parteigenossin Kraft gerade vorbereitet, diese Schulform als verpflichtend aus der Landesverfassung zu streichen. Da wirft sich die örtliche GEW vor die HS, obwohl just die GEW seit Jahrzehnten deren Abschaffung fordert. Da fühlten sich fast alle Subventionsabhängigen der Stadt vepflichtet, ihren Beitrag für diese HS zu leisten und selbst beide Kirchen brabbelten unverdrossen vom drohenden sozialen Niedergang eines ganzen Stadtteils ohne diese HS. Unterschriftenlisten, Demonstrationen und viele böse Worte für den Erhalt einer Hauptschule mit zuletzt 29 Anmeldungen, davor sogar noch weniger, bevor im letzten Herbst der Schulk(r)ampf mit ununterbrochener PR für diese Schule begann. Mehr auch hier
In vielen Nachbarstädten werden die Hauptschulen serienweise geschlossen, ohne großen Aufschrei. Hat also die HS Bruchstr. in Pisa-Zeiten als Hauptschulsolitär den Stein der Weisen gefunden? Oder wie oder was?
Oder alles nur das typisch Mölmsche Absurdistan, ähnlich wie zu Ruhrbania, der Diskussion um den Fachhochschulstandort, den quasi-griechischen Umwegfinanzierungen oder den irrwitzigen Diskussionen um B-Pläne selbst in sensibelsten Außenbereichen wie Mendener, Tilsiter Str., Kuhlendahl u.v.m.?
Eigentlich ging es „nur“ um den gesetzlich vorgeschriebenen Schulentwicklungsplan.
Seit Jahren war dieser überfällig, weil die Schülerzahlen dramatisch sanken und weiter sinken. Der Versuch in 2007, wenigstens für die Grundschulen einen solchen Bedarfsplan aufzustellen, wurde derart dilettantisch durchgeführt, dass wenig dabei zustande kam, außer Murks in Speldorf, Unausgegorenes in Styrum und sonst nichts. Weiterführende Schulen aber waren gänzlich ausgeklammert.
Auch ohne aktuellen Schulbedarfsplan wurden aber wesentliche Entscheidungen gefällt, die diesen nachhaltig bestimmen, ohne dass sie als solche gehandelt wurden. Das gravierendste war die Vergabe in 2010 von 4 Schulen zur 25jährigen Betreibung an die österreichische Baufirma Strabag: Luisen- und Karl-Ziegler-Gymnasium, Gesamtschule Styrum und Grundschule Augustastr.. Ursprünglich sollten auch noch die Realschule Broich und die Berufsschule Kluse zum PPP-Gesamtpaket gehören. Als die fiktive Investitionssumme der teuren Gutachter für die gleichzeitige Sanierung per PPP-Umwegfinanzierung inkl. „Forfaitierung mit Einredeverzicht“ ins Astronomische kletterte, wurde die Sanierung auf Luise, KZ und GS Styrum reduziert mit bereits weit über 50 Mio. €. Mit diesem PPP-Paket sind die 4 Schulen aus jeder Schließungsdiskussion heraus, der Schuletat ist auf 25 Jahre um jährlich viele Mio. in der Verfügungsgewalt der Stadt unkorrigierbar reduziert und welche „Überraschungen“ noch kommen werden, zeigte die zum spekulativen Finanzprodukt degenerierte Feuerwehr, aber bereits auch die überraschende neue Pelletsheizung im KZ im Fernwärme-Vorranggebiet, wo gleichzeitig gerade erst die Leitungen neu zum Krankenhaus daneben und zum Hospiz gegenüber verlegt wurden.
Ein weiteres PPP-Projekt wollte Hochtief an der Bruchstr. für 40 Mio. errichten und dann 25 Jahre betreiben, genannt „Zukunftsschule“. Die Baufirma(!) stellte der Stadt dafür eine Pädagogin zur Seite und bezahlte die Machbarkeitsstudie. Als sich zeigte, dass Fördergelder nicht so schnell fließen würden, zog Hochtief sich heraus und die „Bildungsexpertin“ Mühlenfeld übernahm und tingelte durch die Republik mit „ihrem“ Konzept der „Zukunfts“- als Stadtteilschule. Ein extra dafür geschaffenes Bildungsbüro und nahezu alle Ämter waren dann jahrelang mit der Ausarbeitung einer Konzeption beschäftigt. Stadtteilbüro, CBE (Centrum für bürgerschaftliches Engagemen), Kirchen, AWO, Jugendamt, -verbände, –heime, Sportverein usw. beteiligten sich, kurzum alles, was als SPD-nah erreichbar war, um dieses persönliche Prestigeprojekt der ex-Schulleiterin als OB in den Griff zu bekommen.
Doch ein riesiger Pferdefuss war einfach nicht zu beseitigen. Eine Hauptschule, die 2008 gerade noch 9 Anmeldungen hatte, läßt sich schwer als „Zukunftsschule“ verkaufen. Alle Versuche, eine Realschule (RS) zum Verbund zu finden, scheiterten kläglich. Die nahe RS Mellinghofer Str. in neu saniertem Gebäude winkte sofort ab, denn sie boomte. Auch die RS Stadtmitte drohte mit Aufstand, als sie Stück für Stück zur Bruchstr. sollte, denn auch ihre Gebäude waren nach jahzehntelangem Vertrösten gerade frisch saniert und auch diese Schule boomte. Ohne verbundene RS aber waren auch die mind. 28 Mio.€ Zuschüsse von Land, Bund und EU nicht zu bekommen, auch nach 4 Jahren gab es keine einzige konkrete Zusage.
Die hyperteuren Gutachter für den Schulentwicklungsplan sollten erste Vorschläge im April 2010 vorlegen. Das ging aber nicht, weil die Zukunftsschule der OB noch nicht gesichert war. Als im Sommer immer noch nichts absehbar war, setzten CDU, MBI, FDP und Grüne sich mehrfach zusammen, um Vorschläge zu erarbeiten zur Beendung der Blockade. Als erstes beendeten sie dann im Okt. 2010 das zukunftslose Projekt „Zukunftsschule“, was zu einem Aufschrei aller SPD- und OB-nahen Organisationen, Medien und Personen führte. Die Gutachter warfen (zum Glück) hin, ein angedrohtes Bürgerbegehren fand (nicht zufällig) keine Aktivisten. Die Hauptschule aber wurde seither als Fels in der Brandung der bundesdeutschen Bildungsmisere gehandelt, die Schließung als Untergang des ganzen Stadtteils an die Wand gemalt und die Schulleiterin als Heldin und eine Art Jeanne d`arc d`Eppinghofen gefeiert. Nur: Keine Schule erhält auch nur annähernd so viel kostenlose Unterstützung von außen. Diese aber stammte zumeist aus dem Projekt Zukunftsschule auch in der Hoffnung, dadurch später an den immensen Investitionen teilhaben zu können. Doch egal, bei der Frage des Schulentwicklungsplans muss auch erkennbar sein, welche Überlebenschance die Schule auch ohne hat.
- Zukunftsschule ohne Zukunft! hier
- Schulentwicklungsplanung auf Mölmsch hier
- Schulbedarfsplanung mit oder ohne den Standort Bruchstraße? Mit oder ohne Getöse? hier
Dabei hat Mülheim wegen der immer wieder verschobenen und unterlassenen Festlegung auf das zukünftige Schulkonzept gerade erst böse Erfahrungen hinter sich. Die Grundschule Muhrenkamp wurde teuer für OGS umgebaut und dann mangels Schüler geschlossen. Die Hauptschule Frühlingstr. wurde für Millionen noch letztes Jahr saniert, um jetzt mangels Schüleranmeldungen geschlossen werden zu müssen. Weitere derartige Verschwendung kann das hyper bankrotte Mülheim sich nicht mehr leisten!
Die MBI haben seit Beginn des Projekts der Hochtief-„Zukunftsschule“ in 2005 gefordert, wenn überhaupt, dann an der Bruchstr. eine Gesamtschule zu errichten oder dorthin umzusiedeln. Aber nur, wenn anderen Schulen offen gesagt würde, dass sie dafür auf Dauer geschlossen würden, sprich, wenn dies in einen ohnehin überfälligen Schulbedarfsplan für weiterführende Schulen hineinpasse. Die jahrelange Aussage „Erst bauen wir die Gebäude, welche Schulform dann letztendlich hineinkommt, findet sich später“ war und ist für die MBI nie hinnehmbar.
Die SPD-Ausrede, die schwarz-grüne Landesregierung würde das nicht zulassen, ist seit eineinhalb Jahren obsolet, doch bis heute ist von der Mülheimer SPD noch kein gangbares Konzept außer „keine Schließung der Hauptschule Bruchstr.“ erkennbar bzw. nicht einmal gewollt gewesen. Zu sehr scheint sie noch durch das Ende der „Zukunftsschulen“träume beleidigt zu sein.
Zusammenfassend: Auch die Schulpolitik der Stadt Mülheim glänzt durch z.T. gigantische und konzeptlose Verschwendung, durch Luftschlösser, durch Harakiri-Privatisierung per PPP und unsachliche, teils absurde Argumentationen. Dabei hat Mülheim etliche richtig gute Schulen. Nur das in Zeiten sinkender Schülerzahlen mehr als notwendige Gesamtkonzept ist nicht erkennbar und nicht zukunftsfähig, so dass weitere böse Überraschungen wie Muhrenkamp und Frühlingstr. drohen!
Wenn nun im Rat am 21. Juli so entschieden hat, aber auch wenn anders entschieden worden wäre, ein Ergebnis ist das gleiche: Politikverdrossenheit und böses Blut. Und wofür das alles?
Zum Erhalt einer Hauptschule, die wie alle Hauptschulen in NRW ohnehin vom Artensterben massiv bedroht ist, jedenfalls nicht wirklich. Neben den sinkenden Schülerzahlen bedeutet nämlich die Aufhebung der verbindlichen Schulempfehlung der Grundschule zur Schulwahl der Eltern das schnellere Aus vieler Hauptschulen! Das gilt für Mülheim genauso wie für zumindest alle größeren Städte in NRW!
P.S.: Ein Glück, dass das PPP-Projekt mit Hochtief platzte. Wer weiß, was mit den Schulen Bruchstr. bei dem neuen spanischen Eigentümer passiert wäre, dem Real Madrid sicherlich wichtiger gewesen wäre. Mehr zum Hochtief-Projekt und dessen Ableben hier