Mit rasantem Tempo in die Überschuldung gegen Bundes- und selbst Ruhrgebietstrend!
WAZ Politik, 22.3.14: „Zahl des Tages
1,1 Milliarden Euro Überschuss haben Kommunen und Landkreise 2013 erzielt. Grund: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt, hohe Gewerbesteuereinnahmen.“
Im kriselnden Ruhrgebiet, im Bergischen Land und in manch anderen Städten ist davon aber wenig zu spüren gewesen. In der lokalen WAZ in Mülheim/Ruhr ein Bericht vom großen Treffen der Pleitestädte in Mülheim gestern: „NRW-Bündnis der Pleitestädte wächst über Landesgrenze hinaus“ nachzulesen hier. Darin ist u.a. zu lesen: „Die Finanzmisere von (nicht nur) Mülheim hat auch Ursachen, die Städte kaum beeinflussen können. Es sind hohe Soziallasten , die vor allem Kommunen im Ruhrgebiet, im Bergischen Land und in Rheinland-Pfalz drücken……….. Aber es gebe halt diesen Systemfehler, so Junkernheinrich: „Der Bund ist großzügig und lässt es andere ausbaden . . .“ Gefordert werden also Milliarden vom Bund.
Der Gastgeberstadt Mülheim selbst steht dabei das Wasser völlig am Halse bzw. längst darüber hinaus, denn zum 31. März droht die auch bilanzielle Überschuldung. Dabei hat die Heimatstadt von Ministerpräsidentin Kraft stets die niedrigste Arbeitslosigkeit im Revier und eine ausgesprochen robuste, diversifizierte Wirtschaft, bedeutend besser als in Essen, Oberhausen oder Bochum. Auch jahrelange Rekordeinnahmen bei Gewerbesteuer haben die explodierende Verschuldung Mülheims nicht einmal verlangsamt. Nun droht der Absturz aus 3 Gründen:
- Eine exzessive Ausgabenpolitik für zweifelhafte Prestigeprojekte in Serie (insbesondere Ruhrbania) über viele Jahre,
- die übermäßig starke Bindung an das RWE und
- die ständigen Bilanzverfälschungen durch Umwegfinanzierungen über PPP und PPP-ähnliche Projekte.
All das holt die Schuldenkönige und –innen nun ein und überrollt sie wie ein Tsunami, so z.B. die PPP-Folgekosten, also der enorm gesteigerte Millionen-Sockel an Ausgaben für die Rückmietung der eigenen Gebäude etc. und das auf Jahrzehnte und per „Forfaitierung mit Einredeverzicht“ kaum korrigierbar!!. Mehr im WAZ-Artikel von heute weiter unten.
Seit vielen Jahren warnten die MBI und sagten genau das alles voraus. Braucht man auch kein Fachmann für zu sein. Parteien und Medien vor Ort haben die Warnungen lange Zeit einfach ausgeblendet. Als die WAZ letzten Sommer endlich einmal die MBI zur heraufziehenden Katastrophe auch zitierten, schoss der Kämmerer tags darauf zurück mit „Alles Populismus“ und zack war die öffentliche Debatte beendet. Noch bedenklicher sind die Aufsichtsbehörden in Düsseldorf, die immer alle Äuglein zudrückten, gegen besseren Wissens. Und nun? Soll Berlin die Suppe auslöffeln, damit vor Ort die Misswirtschaft weiter gemacht werden kann? Wohl kaum, unabhängig von der Frage, dass das Konnexitätsprinzip („wer bestell, bezahlt“) endlich konsequenter für die Städte gelten muss oder auch, dass es absurd ist, wenn die westdeutschen Pleitestädte bis 2019 weiter Millionen in den Soli „Stärkungspakt Ost“ zahlen müssen.
Mehr zur selbstmachten Mülheimer Haushaltskatastrophe u.a. in:
- MBI-Haushaltsrede vom 18.12.13: „Hoffnungslose Haushaltslage von Mülheim durch gigantische Misswirtschaft und zu große RWE-Bindung!“ hier
- Juni 13: Bonan und der Populismus-Vorwurf als Ablenkung und Augenwischerei hier
Mülheim mit rasantem Tempo in die Überschuldung
WAZ Mülheim 21.3.14, der ganze Artikel hier
Am Freitag bei der Pressekonferenz des Aktionsbündnisses „Raus aus den Schulden“ forderte Mülheims OB Dagmar Mühlenfeld Milliarden-Hilfen von Bund und Land.
Im WAZ-Städtevergleich im o.g. Artikel liegt nur Hagen beim Verschuldungstempo vor Mülheim und in acht Tagen wird der Stadtkämmerer wohl die Überschuldung feststellen müssen, denn die Städte dürfen die Wertberichtigung für ihre RWE-Aktien nicht auf Jahre strecken. In 8 Tagen wird Mülheim mit dem Jahresabschluss 2013 wohl den Offenbarungseid leisten müssen. Die Verhandlungen mit dem NRW-Innenministerium, eine Wertberichtigung der RWE-Aktien über Jahre strecken zu dürfen, sind an der Gesetzeslage gescheitert. Wenn Mülheim für sein Eigenkapital eine dem Kursverfall entsprechende Abschreibung vornimmt, rutscht die Stadt absehbar in die Überschuldung.
Mülheim – ein Sanierungsfall. Die Stadt ist alles andere als schuldlos daran, wie selbst der NRW-Städtevergleich zeigt.
„Die WAZ hat die Entwicklung der Pro-Kopf-Verschuldung von 14 nordrhein-westfälischen Städten zwischen den Jahren 2002 und 2012 untersucht (neuere Daten werden erst im Mai veröffentlicht). Dabei hat sie insbesondere Städte in den Blick genommen, die schwer in der Kreide stehen. Ergebnis: Unter den untersuchten Städten hat Mülheim im vergangenen Jahrzehnt das zweithöchste Verschuldungstempo an den Tag gelegt. Innerhalb von nur zehn Jahren haben sich Mülheims Schulden fast verdreifacht. Nur in Hagen ist ein marginal höheres Tempo festzustellen.“
Strukturelle Vorteile, aber höheres Verschuldungstempo
Andere Ruhrgebietsstädte wie z.B. Gelsenkirchen und Duisburg verfügen über eine deutlich schlechtere Steuerkraft und leiden unter mehr sozialen Verwerfunge, doch sie schneiden in der Bilanz wesentlich besser ab. Dass andere Städte über den Stärkungspakt seit 2011 Landeshilfen zur Sanierung ihres Haushaltes erhalten (Duisburg, Hagen, Hamm, Oberhausen, Remscheid, Wuppertal), begründet nicht Mülheims Spitzenstellung des Vergleichs des Verschuldungstempos. Bereinigt man etwa die Daten für Wuppertal um die bis Ende 2012 geflossenen Landeshilfen, so kommt auch kein wesentlich höheres Verschuldungstempo heraus (238 %) und Wuppertal liegt trotzdem weit unter dem Mülheimer Wert.
WAZ:„Mülheim hat sich vieles eine Nummer zu groß geleistet“, nicht nur auf die Feuerwache oder das Medienhaus bezogen. Die gesamte städtische Infrastruktur gehöre auf den Prüfstand. Der Personalbestand in der Verwaltung sei zu hoch, ebenso das Defizit im ÖPNV. Der Politik wird aus Reihen der Verwaltung vorgeworfen, nicht mal „einen ehrlichen Kassensturz“ gemacht zu haben.“
Und Ruhrbania?
WAZ weiter in einem Infokasten:
„Das Innenministerium pocht auf eine sofortige und dem Kursverfall angemessene Wertberichtigung für die kommunalen RWE-Aktien. „Wir haben auf die haushaltsrechtlichen Regelungen hingewiesen“, erklärte eine Ministeriumssprecherin die Verhandlungen mit Kommunen (u.a. Mülheim) für beendet. Die Sprecherin verwies auf die Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage aus Mai 2013, wonach eine auf Jahre gestreckte Wertberichtigung inakzeptabel ist. Den Kommunen komme gleichwohl ein Ermessensspielraum zu. Die Kommunalaufsicht prüfe die Angemessenheit.“