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Agenda21, Rio plus20 und Mülheim

20 verlorene Jahre für Nachhaltigkeit noch einmal verlängert! Steuern wir auf eine fundamentale Zivilisationskrise hin?!
Globalisierung auch lokal anstatt Nachhaltigkeit auch global?

Für den 20. bis 22. Juni 2012 hatten die Vereinten Nationen zum Weltgipfel »Rio plus 20« geladen. In der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro sollte wie schon 1992 über den Schutz der natürlichen Ressourcen bei gleichzeitigem wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt diskutiert werden mit  Schlüsselbegriffen wie „nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung“, ebenso  »Green Economy«.
Die Regierungschefs dieser Welt kamen zu einem Umweltgipfel
in Brasilien zusammen – zwanzig Jahre nach dem „Erdgipfel“ von Rio de Janeiro 1992. Die Bilanz seit dieser Konferenz war bereits ernüchternd: Von einem Zeitalter nachhaltiger Entwicklung, das damals eingeläutet werden sollte, kann keine Rede sein, im Gegenteil!!!

Mit Obama und Merkel sagten 2 der wichtigsten Staatenlenker die Teilnahme in Rio ab. Ob mit oder ohne: Der Gipfel wurde zum großen, fatalen Flop! Die Abschlusserklärung öffnet der Förderung der Atomkraft und fossilen Energieträgern, beides verpackt hinter dem Begriff „grüne Umwelttechnologien“, Tür und Tor. Damit kann die Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen nicht gestoppt werden. „Die Welt hat mit der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ein inakzeptables Schuldenniveau erreicht. Anstatt jetzt gegenzusteuern, droht ein ´Weiter so´. Dieser Weg führt in ungeahnte Katastrophen.

Die Eurokrise, die US-Wirtschaftskrise und rücksichtslose Schwellenländer wie China, Russland, Indien oder Brasilien in ihrem Versuch der hemmungslosen Kopie der westlichen Wegwerfgesellschaften (zumindest für die oberen Schichten) haben anscheinend die Überlebensfragen des Globus, so wie der Mensch ihn sich „untertan“ gemacht hat, völlig in den Hintergrund gedrängt. Nach den auf Rio 92 folgenden 2 Jahrzehnten des immer ungezügelteren Kasdino- und Turbokapitalismus steuert das inzwischen permanente Krisenmanagement ganze Teile der Welt in eine fundamentale Zivilisationskrise! Die Zahl der Opfer wird groß sein. Der Erde als solcher ist es sch… egal, wieviele Menschen auf ihr leben oder welches Klima herrscht und wie hoch der Meeresspiegel ist!

Die Diskussion in den 70iger und 80iger Jahren über die Grenzen des Wachstums (Club of Rome, Bruntland-Report usw.) ist seit Mitte der 90er Jahre fast völlig verstummt. Auch die Rio-Konferenz 1992 mit der Agenda 21 und deren Kernforderung nach Nachhaltigkeit, d.h. Klima-, Umweltschutz und mehr Partizipation der Bevölkerung als überfällige Ziele wich schnell einem renditetrunkenen Kasinokapitalismus, der im folgenden global in über 1 Jahrzehnt sehr viel mehr verzehrte und zerstörte als in den gesamten 4 Jahrzehnten davor seit Kriegsende. Die fatalen 2 Regierungszeiten von Bush, aber auch die EU in ihrem Wahn aus Liberalisierung für die Wirtschaft, gepaart mit Überregulierung für die Bürger haben auch die gewachsenen Sozialstaaten in Europa aus den Fugen geraten lassen. Die sog. Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank brachten fast alle Länder in den globalen Sog der Spekulanten, teilweise mit verheerenden Folgen wie in den Kriegen etlicher afrik. Länder, den US-Ölkriegen oder den menschenverachtenden Erfolgsstories von Indien und China als aufstrebende Mächte. Auch die Umgestaltung Rußlands und anderer ex-Ostblockstaaten verlief eher nach den Regeln der Mafia mit brutaler Gewalt, hochgradig kriminell und für weite Bevölkerungsteile traumatisch. Vieles verlief eher apokalyptisch, von Ruanda, Liberia, Kongo usw. bis zur Beendigung des Tamilenkriegs in Sri Lanka oder der Dauertragödie in Haiti.

Und die alles beherrschende Ideologie hieß entgegen der Agenda 21 wieder Wachstum, Wachstum, Wachstum, egal wie und egal auf wessen Kosten. Selbst die größten Konzerne, von Enron bis Siemens, glänzten durch gefälschte Bilanzen und riesige Korruptionskassen, endlos faule Finanzprodukte ohne reale Gegenwerte erhitzten die gigantische Spekulationsblase fast ins Unbegreifliche, bis diese in 2008 platzte. Um den Totalcrash zu vermeiden,

Auch in den angeblich entwickelten und zivilisierten Ländern barbarisierte sich der Alltag für das Gros der Menschen, während die Herrschenden immer schamloser sich bzw. wenige andere und die Spekulanten bedienten. Eine kleine Kaste von Beratern, Gutachtern und Anwälten schwatzte den Entscheidungsträgern die unglaublichsten Modelle oder Projekte im Interesse von Spekulanten, equity fonds oder Konzernen auf. Die gewählten Volksvertreter nickten fast alles ab, selbst wenn sie es nicht durchblicken oder verstehen konnten, wie bei crossborder leasing, swaps oder PPP-Modellen mit “Forfaitierung und Einredeverzicht”. Mit Umwegfinanzierung und unseriöser Haushaltsführung konnten Ministerien und Landes- oder Stadtfürsten endlich wieder große Projekte präsentieren, ganz wie in den 60er und 70er Jahren. Und nahezu alle unterlagen der Versuchung: U-Bahnbau en gros, Kulturtempel deluxe, neue Rathäuser, Einkaufstempel oder Ruhrbanias von der Stange, also neue Luxus-Wohnviertel am Wasser (über 30 waren alleine im Ruhrgebiet geplant!). Filz, Korruption und Misswirtschaft wie in wüstesten Bananenrepubliken waren die Begleiterscheinungen, nicht nur bei der Köln-Messe, der Hamburger Elbphilarharmonie, dem World Trade Center Bonn, Ruhrbania in Mülheim, in Dresden, Duisburg, Dortmund, Stuttgart, Kaiserslautern, Braunschweig oder, und, oder ….
Auch die vorher bereits gestorbenen Wünsche der Nachkriegsgeneration der Macher von davor wurden wieder aufgelegt, von Transrapid bis zu gigantischen Autobahnbrücken wie im Elbtal, der Mittelmosel oder nahe der Loreley. Ebenso das versuchte Atomkraft-Revival gegen alle Erkenntnisse. Meeresüberfischung, rasantes Artensterben, dramatischer Gletscherrückgang, Naturkatastrophen im staccato fortissimo, Völkerwanderung in biblischem Ausmaße, einsetzende Kriege um das fundamentale Wasser, rasant fortschreitende Wüstenbildung, ebenso rasantes Waldsterben, atemberaubendes Artensterben u.v.v.m konnte die radikalen Modernisierer auf allen Ebenen nicht beirren.

Kurzum: Gegen alle Erkenntnisse bis zur Rio-Konferenz 1992 und entgegen der von über 180 Staaten ratifizierten Agenda 21 geschah danach das exakte Gegenteil. Und fast alle spielten mit, außer den Milliarden abgekoppelter Menschen weltweit, versteht sich. So kam es, dass die Diskussion sich pervertierte, von Agenda 21 zu Agenda 2010 oder gar zu Stuttgart21 u.ä.

  • Gigantomanie statt Nachhaltigkeit
  • Entscheidungen über den Köpfen der Menschen statt Partizipation
  • Kleptokratie und Gutachteritis statt Demokratie
  • Lobbyistentum und Immobilienspekulanten statt Gemeinnutz
  • zerstörerisch statt ökologisch
  • und finanziell ruinös

All das spüren oder wissen die Menschen spätestens, seit der ganze neoliberale Spuk mit seinen Heilsversprechen auch die stabilsten Mittelschichtsgesellschaften mit immer neuen Krisen überzieht. Ob sie das Steuer noch herumreißen wollen oder können, bleibt abzuwarten.

Ganz offensichtlich ist ein grundlegender Wandel „unseres“ Entwicklungsmodells vonnöten. Der wachstumsorientierte, ressourcen- und kohlenstoffintensive Entwicklungsweg der Industrieländer ist kein zukunftsfähiges Modell mehr, auch wenn ihn nahezu alle anderen Länder unhinterfragt nachahmen – allen voran China und andere Schwellenländer. Nicht „Einholen und Überholen“ darf die Maßgabe sein. Vielmehr muss sich die Weltgesellschaft grundlegend wandeln, indem sie dem Wachstumswahn abschwört, die Grenzen des Ressourcenverbrauchs und die Lebensrechte der belebten Mitwelt auf einem endlichen Planeten anerkennt, unseren ökologischen Fußabdruck auf ein entsprechendes Maß reduziert und weltweit angleicht sowie Wohlstand ohne Wachstum schafft.

Rio plus 20 bietet Anlass und Chance für ein globales Umsteuern und einen Ausweg aus einer Zivilisationskrise, derer sich immer mehr Menschen bewusst werden. Dazu bedarf es einer handlungsleitenden Ethik des rechten Maßes, sozialer Gerechtigkeit, politischer Vision und technologischer Innovation. Die globale Transformation braucht Vorreiter, unter den Ländern wie in den Gesellschaften. Dieser Aufgabe müssen und werden sich alle stellen müssen: Die gesamte Politik auf allen Ebenen und die gesamte Gesellschaft – nicht zuletzt auch durch nachhaltiges Handeln im alltäglichen Leben.

Und in Mülheim?

Es gibt das Agenda-Büro auf der Friedrichstraße neben dem Handelshof. Mehr hier

Zur Vorgeschichte:
Als sich trotz grüner Dezernentin und schwarz-grüner Stadtregierung lange Zeit in Mülheim nichts regte in Richtung lokaler Agenda, veranstalteten Vertreter aus verschiedenen Bürgerinitiativen des damaligen Runden Tisches ein Wochenend-Seminar dazu in der VHS. Erst dadurch kam Bewegung in die Sache und die Dezernentin sah sich unter Druck. Eine große Infoveranstaltung der Stadt folgte, doch die dort gebildeten Arbeitsgruppen schliefen relativ schnell wieder ein. Manko war der fehlende Bezug und die geringe Einflussmöglichkeit auf Entscheidungen in der Stadt. Und dort lief fast alles im diametralen Widerspruch zu den Zielen von Nachhaltigkeit oder mehr Partizipation, ob Ausbau Rhein-Ruhr-Zentrum, zerstörerische B-Pläne oder der ab 2000 einsetzende Ausverkaufsrausch mit der Privatisierung der gesamten Ver- und Entsorgung usw..

Frau Mühlenfeld als OB-Nachfolgerin des abgängigen Baganz förderte für die Öffentlichkeit zwar stärker die lokale agenda, die aber weiter vor sich hin dümpelte, weil auch sie real entgegengesetzte Politik praktizierte. Erst als das agenda-Büro aus dem Rathaus ausgesiedelt wurde und mit H. Kremer einen engagierten Hauptamtlichen erhielt, professionalisierte sich das Projekt. Nun tagten auch Friedensgruppen, Eine-Welt-Forum, MIT (Initiative für Toleranz) und später Greenpeace unter dem agenda-Dach.

Auch wenn das agenda-Büro seither eine wichtige Funktion in Mülheim erfüllt, ist es weiterhin bei den lokalen, wichtigen Entscheidungen (von Ruhrbania, PPP, Haushaltsdesaster, zur RWE-Stadt Mülheim usw. bis zu den Bauorgien der Stadt Mülheim) außen vor bzw. still, um seine Finanzierung nicht zu gefährden.

Ob Rio plus20 hier viel ändern wird, wäre zu hoffen, ist aber wohl unwahrscheinlich. Im Gegenteil bedroht die katastrophale Haushaltslage die Existenz des Büros jedes Jahr aufs Neue.

Mehr u.a. in

  • Juni 11: Stuttgart 21, Tsunami für die Demokratie, Ruhrbania folgend?? hier
  • Feb. 11: Klimastadt mit heißer Luft? u.a. Aktion „Dicker Pulli im Rathaus“ hier
  • Nov. 10: Agenda21 oder Stuttgart21? hier
  • Nov. 10: “Operation future” im Absturz: Zum Rohrkrepierer „Innovation City“? hier
  • Okt. 10: Desertification-Helga mit Ruhrbania Desolata hier
  • Sept. 10: Flughafen für Klima-Expo 2020? hier
  • Juni 10: Wohnlotsen statt Betonpolitik hier