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Geschichtslose Banausen a.d. Ruhrbania?

Mülheimer Denkmaltod in Serie?


Dieses Haus an der Ecke Löh-/Kohlenstraße wurde 2007 nach jahrelangem Überlebenskampf von der Stadt abgerissen.

„Wer die Vergangenheit nicht ehrt, verliert die Zukunft.
Wer seine Wurzeln vernichtet, kann nicht wachsen“
(Zitat Hundertwasser)

Unten stehender Brief an Frau OB Mühlenfeld war am 19.5.12 in der WAZ als „Bürgerkommentar“ abgedruckt mit der Überschrift “Nicht weitere Geschichte wegnehmen – Ein Plädoyer für ein Denkmal“ Anrede und Schlussbemerkung (kursiv) fehlen in der WAZ. Zufall? Doch egal:
Dem Brief ist wenig hinzuzufügen, denn er beschreibt sehr treffend Niedergang, Verwüstung, Entidentifizierung und Ausverkauf der Stadt Mülheim, eigentlich reiche und geschichtsträchtige Heimatstadt der NRW-Ministerpräsidentin H. Kraft, in immer erschreckenderem Maße. Mehr unterhalb des Briefes.

Neuestes Beispiel, die Villa auf dem ehemaligen Ruhrtaler-Gelände (siehe Bild links), was Herr Dr. Beyerle in seinem Brief völlig zu recht als u.a. „Entgeschichtlichung“ und „Verwechselbarmachung“ anprangert. Vorab 2 Links zu WAZ- bzw. NRZ-Artikeln dazu und der MBI-Antrag zum Erhalt dieses Denkmals und zumindest Teile der Troostschen Weberei.

  • WAZ, 13.4.12: „Denkmalschutz: MWB will an der Scheffelstraße abreißen und in Broich 6 Mio investieren“ hier
  • NRZ 13.03.12: „Baudenkmal: Verfall einer Villa“ hier

MBI-Antrag für den Planungsausschuss der Stadt Mülheim am 26.06.12
zu TOP 1
7 „Stadtbild- und Denkmalpflege“     TO: öffentlich

Unbedingter Erhalt des Denkmals Unternehmervilla Scheffelstr. und zumindest Tudor- sowie Kutscherhaus der ehemaligen Troostschen Weberei im Luisental

Der Planungsausschuss möge beschließen:
Der für Denkmalschutz zuständige Planungsausschuss spricht sich uneingeschränkt für den Erhalt der denkmalgeschützten Unternehmervilla auf dem ehemaligen Ruhrtaler-Gelände an der Scheffelstraße aus und beauftragt die untere Denkmalbehörde, alle erforderlichen Schritte und Verfahren einzuleiten, um den MWB zu Sanierung und Erhalt zu bewegen. Gleiches gilt zuallermindest für das Tudorhaus im Luisental, das die Thyssen-Stiftung sanieren muss!

Begründung
Über die Gefährdung dieses schützenswerten Denkmals wurde in der Sitzung Ende März ausführlich berichtet. Da der MWB bisher keine erkennbar eindeutige Haltung für den Erhalt abgegeben hat, sollte der Ausschuss mit diesem Beschluss der Firma den politischen Willen einen möglichst eindeutigen Votum verdeutlichen. Da der MWB finanziell ohne Probleme den Erhalt dieses Denkmals wird schultern können, muss auch die Untere Denkmalbehörde alle Möglichkeiten ausschöpfen. Gleiches gilt uneingeschränkt für das Tudorhaus! Ein politischer Beschluss kann und sollte der Unteren Denkmalbehörde dazu den Rücken stärken, damit nicht auch noch diese Denkmäler verloren gehen.

Im Planungsausschuss am 26.6. 12 wurde der obige MBI-Antrag zum unbedingten Erhalt der Denkmäler Unternehmervilla Scheffelstr. und Troostsche Weberei mehrheitlich angenommen! Am 13. Sept. 12 verhandelt das Verwaltungsgericht Düsseldorf darüber, ob die verweigerte Abrissgenehmigung und Androhung von Zwangsgeld für die Stiftung rechtens sind. MBI-Antrag für den Ausschuss am 18.9., die Verwaltung möge dem Ausschuss von der Verhandlung beim VG berichten und aufzeigen, welche Schlussfolgerungen und verschiedenen Perspektiven sich nach dem Gerichtstermin für den Erhalt von Tudor- und Kutscherhaus ergeben haben bzw. ergeben könnten. Ebenso möge sie darlegen, welche Bedeutung das für den vom Ausschuss ebenfalls befürworteten Erhalt des Denkmals der Villa Scheffelstraße haben könnte.
Die Verhandlung beim Verwaltungsgerichts Düsseldorf zur Klage der Thyssen-Stiftung gegen die Stadt wurde auf Wunsch der Stiftung aber kurzfristig abgesagt bzw. vertagt. Aus der MBI-Anfrage wurde ein „normaler“ TOP vorne in der Tagesordnung gemacht, damit die Projektentwickler für die Stiftung Pläne vorstellen konnten, wofür es einen Investor gäbe (eine Firma CMMS aus Münster), der das denkmalgeschützte Ensemble mit ehemaliger Weberei, Tudor- und Kutscherhaus kaufen wolle.
Die Investoren wollen alle Gebäude abreißen und neu „historisierend“ Wohngebäude errichten, d.h. die Fassaden nach vorne sollen dem Denkmal nachgebaut werden. Doch dafür muss der Beschluss des MBI-Antrags vom 26.6.12 aufgehoben werden, wofür es gegen SPD, MBI und WirLinke (noch?!) keine Mehrheit gibt! Mehr in „Rettet das Denkmal Troostsche Weberei im Luisental!“ hier

Und im folgenden der Brief von Dr. Beyerle

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

es geht um den Abriss des denkmalsgeschützten Fabrikantenhauses an der Scheffelstrasse, der im Rahmen der „Grundstücksverwertung“ durch den MWB offenbar geplant ist. Dem Abriss muss energisch widersprochen werden.

Ich melde mich zwar nicht als Wutbürger, aber als leidgeprüfter Einwohner der in der  Stadt seit über 30 Jahren wohnt und über ihre Herabwirtschaftung natürlich nicht gerade erbaut ist.

Der geplante Abriss des denkmalsgeschützen Hauses findet  nicht im Irgendwo, sondern an einer recht paradigmatischen Stelle statt, die für die Entwicklung des Ruhrgebietes typisch ist:
Hier stand früher mitten im Häusermeer eine Maschinenfabrik für den Bergbau. Nunmehr ist die fatale Desindustrialisierung des Ruhrgebietes auch auf diesem Rest angekommen und statt der Fabrik steht dort, bezeichnenderweise – ein Altersheim.
Ihnen dürfte die Ironie, die dieses Grundstück als historische Parabel bietet, wohl noch nicht aufgefallen sein. Das Ganze wird  politisch  unter der wohlwollend-irreführenden Bezeichnung „Strukturwandel im Ruhrgebiet“ laufen  .
Für Jedermann auffallend  dürfte sein, dass der MWB – nach seinem furchtbaren Inkassostück „Feuerwache“ – nunmehr erneut beim Kassieren zuschlagen will und dabei das Gemeinwohl  aus dem Auge verliert. Der Voreigentümer des Grundstücks, die US-amerikanischen Hedgefonds gehörende Gagfah, hatte selbstverständlich nur die Gewinnmaximierung im Auge und liess das denkmalsgeschützte  Fabrikantenhaus nach „bewährtem Muster“ aktiv verkommen. Die MWB als Mülheimer Genossenschaft sollte heute nicht die gemeinwohl-avertierte  Hedgefonds-Tradition fortsetzen, sondern die Sanierung des Denkmalsbaues – im Rahmen ihres Millioneninkassos  auf dem Gesamtgrundstück – übernehmen.

Der MWB bewegt hier -zig Millionen Euro. Da werden zur Erfüllung denkmalsschützender Pflichten sicherlich ein paar Hunderttausender aufgewandt werden können, ohne die hohe Rentabilität der Investition in das Projekt zu beeinträchtigen.

Wenn Sie durch die Mülheimer Innenstadt laufen, wird Ihnen auffallen, dass sie fast vollständig verwechselbar geworden ist. Beton und anonyme Häuserbauten, soweit das Auge reicht. Hier an der Scheffelstrasse steht noch ein Stück beredter Historie und das Fabrikantenhaus ist ein schlüssiger optischer Mittler zwischen der Strassenfront gegenüber und dem millionenschweren Verwertungspark des MWB. Wie ich schon schrieb, erzählt das Haus auf den ersten Blick Stadtgeschichte und weist den Nachfrager darauf hin, dass Mülheim im vorigen Jahrhundert  viele Produktionsgebäude besass und wohlhabend war. Vielleicht will davon heute niemand mehr etwas hören – verständlich bei dem Dauerkonkurs der Stadtfinanzen.

Dennoch: Wer die Denkmale der Stadt weiter beseitigt, trägt zur Entgeschichtlichung, Entidenti-fizierung  und zur Verwechselbar-machung der Stadt bei.

Beides sollten Sie, Frau Oberbürgermeisterin, zu verhindern suchen.
Ich weiss, dass Ihre Zeit als Aufsichtsratsvorsitzende des MWB vor kurzem zuende ging. Ich bin aber sicher, dass der MWB Ihren guten Rat aus der Stadtspitze nicht ungehört in den Wind schlagen wird.
Bei einem persönlichen Gespräch mit Herrn Esser, Vorstand des MWB, konnte ich den Eindruck gewinnen, dass mein Eintreten für den Denkmalschutz für Herrn Esser etwas Exotisches an sich hat.

Freundliche Grüsse !
Dr. Ludger Beyerle

Ergänzungen MBI:
Das „Strategie“projekt Ruhrbania z.B. hat nicht nur die Finanzen ruiniert, sondern auch das grüne Gesicht der Stadt mit dem Gartendenkmal vernichtet und das stadtbildprägende Denkmal des Stadtbads durch Balkone und vor allem einen unpassenden Anbau entstellt und verschandelt. Zusätzlich wurde den Bürgern nach dem Stadtbad (einst Geschenk der Thyssen-Stiftung für die Volksgesundheit!) das Rio-Kino und der wunderschöne Laubengang genommen und zu Billigstpreisen an Vivacon verhökert für Luxuswohnungen.
Wer sich ansieht, was dahinter als Ruhrbania bereits enstand (Richtfest am 1. Juni) bekommt das ästhetische Grausen, auch ohne den erschreckenden massiven Leerstand (Kaufhof, ex-Schlecker, Dresdener Bank, Tengelmann-Vorbau Stadtbad u.v.m.) daneben!

Doch leider ist in der Heimatstadt der strahlenden NRW-Wahlsiegerin H. Kraft nicht nur dieses Prestigeprojekt der OB eher dem Bereich des städtebaulichen Banausentums zuzuordnen. Nach und nach steht nämlich eine nach der anderen attraktiven Stelle der Stadt zum Versilbern für die Immobilien-Haifischbecken zur Disposition. Ein Denkmal nach dem anderen stört angeblich, ist marode, weil nicht instand gehalten, wird verunstaltet, der Öffentlichkeit entzogen oder verschwindet ganz.

Die Unternehmervillen im „Tal der Könige“ im Uhlenhorst, die einzigartige ex-Krupp-Siedlung Heimaterde, die Jugendherberge, das Museum Alte Post, die Troostsche Weberei, der Aufgang von der Mausfalle zum Kirchenhügel, der völlig unpassende Luxushotelklotz an der Dohne, etliche Einzeldenkmäler wie an der Delle, der Löh- oder Auerstr., selbst die Blumenuhr am Wasserbahnhof uswusf..  Nichts scheint sicher zu sein vor Zerstörung oder Verkauf. Zwar konnte massiver Widerstand der Bürger die Heimaterde vor dem Schlimmsten bewahren oder das Museum vorerst retten, doch wie lange?


Jugendherberge Blumenuhr Wasserbahnhof  Museum Alte Post

Mülheim ohne ….      und demnächst mit Ruhrbania

Was das ganze mit der Villa Scheffelstr. besonders bedenklich macht, ist eben, dass hier nicht irgendein US-hedgefonds völlig seelenlos Zerstörung der Urbanität um jeden Preis (im wahrsten Sinne des Wortes) betreibt, sondern die lokale Genossenschaft MWB (Mülheimer Wohnungsbau), die ursprünglich vornehmlich sozialen Zielen dienen sollte, aber im letzten Jahrzehnt zum Immobilienspekulanten mutiert ist, in trauter „Verbundenheit“ mit der SPD und damit der Stadt (Haus der Wirtschaft, Feuerwehr Broich, Gelände Fachhochschule, Ruhrbania Baufeld 2 uswusf.)

Filz pur, in Mülheim a.d. Ruhr?

Mehr u.a. in „Aus dem Innenleben des Mölmschen Filzes“ hier

Anm.: Frau OB Mühlenfeld (SPD) legte Aufsichtsratsvorsitz und -mandat beim MWB (städt. Beteiligung nur 2,4%) zum 31.8.2010 überraschend nieder wegen angeblicher Überlastung. Im Sept. 10 wurde die überdimensionierte neue Feuerwehr in Broich (Eigentümer MWB 50%, Hoffmeister und Sparkasse je 25%) eröffnet und bereits im Okt./Nov. 10 mit fast 10 Mio. Gewinn an die Fondsgesellschaft Hannover-Leasing weiterverkauft. MWB-+SPD-Chef Esser gab dann im Frühjahr 2011 seinen SPD-Vorsitz ab.

Hier noch das Beispiel Auerstraße

Das denkmal-geschützte Fachwerkhaus Auerstr. 46 trotzte ebenfalls Jahrzehnte den Plänen des Sanierungsgebietes „Nordliche Innenstadt“ von Conle+SWB (van Emmerich), bis der Eigentümer verstarb. Die Stadt kaufte umgehend, ließ das Denkmal vergammeln und riss es ab. Auch das Haus daneben und die Fa. Zühlke wurde schließlich aufgekauft und 2004 abgerissen. Heute „ziert“ das gesamte Dreieck Auerstr./Tourainer Ring/Bahndamm die Anlage für „dirtybiking“ am sog. „Alleenring“ (als Allee aber noch fast baumlos, da für Ruhrbania-Baulos 2 über 100 Bäume erst kürzlich abgeholzt wurden!). Mehr in „Verwüstungen der Innenstadt für Ruhrbania“ hier

Mehr zu MWB und Mölmschem Filz in

  • „Bazillus spezialdemokratus filzikus Mülheimiensis“ hier
  • Zum Immobilien-Haifischbecken MH zwischen Ruhrbania/-ium, Heifeskamp und Easytower bis Heifeskamp hier
  • NRhZ Nr. 290: “Über das Innenleben der Heimatstadt von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Wie Mülheim an die Wand gefahren wurde“, auch als pdf-Datei (124 KB)
  • Nagelneue Feuerwache nun Finanzprodukt mit hoher garantierter Gewinnerwartung hier

Zu Denkmälern, Verwüstung und Ausverkauf der Stadt