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Irrweg PPP-Schulsanierung

“Offenlegung aller PPP-Verträge jetzt!” ist die Forderung der bundesweiten Aktionstage “PPP-Irrweg” ab 11. Juni 2010. Diese Geheimverträge sind sittenwidrig! Höhepunkt wird am 28. Juni der Start des Berliner Volksbegehrens für die Offenlegung der Geheimverträge bei den Berliner Wasserbetrieben sein! Mehr zur Kampagne hier

Der Irrweg mit dem PPP-Schulpaketprojekt: Folgenschwere Fehlentscheidung im Rat der Stadt Mülheim am 27.5.2010!
(PPP= public private partnership oder eingedeutscht ÖPP=Öffentlich privte Partnerschaft)
Absehbar erste Opfer: Hausmeister und Putzfrauen,
dann lokale und regionale Handwerkerbetriebe, auf Dauer der Stadtsäckel, also alle Steuerzahler, Demokratie und Schulentwicklungsplanung sowieso!
MBI-Fragenkatalog
zu TOP 7.1 (öffentlich) und TOP 20.1 (nichtöffentlich) der Ratsitzung am 27.5.10: ” Sanierung / Modernisierung mit teilweisen Neubauten von drei Mülheimer Schulen sowie Gebäudebetrieb von ausgewählten Schulen im ÖPP-Modell – Vorlagen: V 10/0277-01 und V 10/0278-01″, nachzulesen als pdf-Datei (35 KB). Mehr auch in „MBI-Fragen zu PPP-Fallstricken“ hier

Bericht von der Ratsitzung am 27. Mai 2010  mit 2 wesentlichen, krassen Fehlentscheidungen: Kein Haushalt mehr in 2010, aber PPP mit Geheimniskrämerei! Zwischen Absurdistan und Bananenrepublik hier

Zu dem Mülheimer PPP-Schulprojekt:
2006 wurde beschlossen, 6 Mülheimer Schulen im PPP-Paket zu sanieren und 25 Jahre von einer privaten Firma betreiben zu lassen. 2008 wurde das reduziert auf „nur“ 3 große Schulen, nachdem die angebliche Investitionssumme urplötzlich enorm in die Höhe geschnellt war.

2009 konnte an diesen 3 Schulen wegen der PPP-Pläne im Rahmen des Konjunkturprogramms nichts gemacht werden.

An der Ausschreibung beteiligten sich 3 Bieter. Nun soll der Rat der Stadt am 27. Mai 2010 entscheiden über den Zuschlag für „Sanierung/Modernisierung mit teilweise Neubauten von drei Mülheimer Schulen sowie Gebäudebetrieb von ausgewählten Schulen“. Im einzelnen sind dies das Karl-Ziegler-Gymnasium, das Luisengymnasium, die Willy-Brandt-Gesamtschule und für die 25jährige Betreibung zusätzlich noch die Grundschule Augustastraße. Die private Firma saniert nicht nur die 3  Schulen, sie soll die 4 Schulen auch 25 Jahre betreiben. Dazu gehören Reinigungs- und Hausmeisterdienste/Grünpflege und Winterdienste/Abfallmanagement/Instandsetzung, Instandhaltung und Wartung sowie das Energiemanagement (Energiecontrolling und –optimierung). Der Kapitaldienst für die Schulsanierung kostet die Stadt insgesamt ca. 88 Mio.,  und das Betriebsentgeld ca. 71 Mio.

Beim 1. Beschluss 2006 sollte die Sanierung der 6 Schulen noch 34 Mio. kosten, was sich 2008 urplötzlich auf 73 Mio. steigerte (+112%!). Dann wurde  das Paket auf 3 Schulen abgespeckt. Die Investitionssumme liegt nun angeblich bei ca. 44 Mio., was die Stadt also insgesamt ca. 160 Mio. kosten wird, d.h. jährlich 25 Jahre durchschnittlich 6,4 Mio. Euro, Preisanpassungsklauseln außer acht gelassen! Das soll laut Gutachter 7,5% billiger sein als die Eigenrealisierung. Wer`s glaubt …. Unabhängig davon hat sich gezeigt, dass bei PPP-Geschäften überall und immer die Investitionssummen explodieren. Das ist quasi systemimmanent, weil nur alles an 1 Stück möglich ist, was dann Gutachter berechnen, die selbst daran bestens verdienen! Im vorliegenden Fall wurden auch noch 3 Schulen in völlig verschiedenen Stadtteilen zusammengeworfen, um die Investitionssumme möglichst hoch zu treiben! Wie das später in der Praxis, z.B. bei Hausmeistern oder Handwerkern, aussehen wird, wird sich zeigen.

Der PPP-„Partner“ tritt seine Ansprüche an eine Bank ab und die Stadt erklärt gegenüber der Bank die „Forfaitierung mit Einrede- und Einwendungsverzicht“ und verpflichtet sich damit, 25 Jahre zu zahlen, egal was passiert.  Dafür braucht die Stadt vom RP noch die „Zulassung einer Ausnahme von dem Verbot der Sicherheitsgestellung zugunsten Dritter (Forfaitierung mit Einredeverzicht)“. Mehr zur Problematik im WDR 2-Feature von W. Rügemer als mp3-Datei (4,17 MB)

Unabhängig davon bedeutet diese PPP-Geschäft folgendes:

  1. Eine weitere Rieseninvestition taucht als solche nicht im Haushalt auf (mehr zu Umwegfinanzierungen hier). Ohne Einredemöglichkeit ist die Stadt 25 Jahre lang zur Zahlung verpflichtet. Kurzum: Die Verschuldung wird auf Jahrzehnte betoniert und verschleiert, Korrekturen schwer möglich und wenn, dann sehr teuer.
  2. Wesentliche Vorentscheidungen für den Schulentwicklungsplan werden mit dem PPP-Beschluss gefällt, ohne dass die Beratung dieser lange überfälligen Entscheidungen bereits begonnen worden wäre! Oder anders ausgedrückt: Am 27.5. wird auch gleichzeitig der Tod des Otto-Pankok-Gymnasiums beschlossen, ohne es zu sagen!
  3. Die Stadt gibt wesentliche Einflussmöglichkeiten für 3 ihrer Gebäude auf 25 Jahre ab, die demokratische Kontrolle ist sogar ganz abgeschafft.
  4. Mit der Vergabe des Auftrags an einen ausländischen Weltkonzern ist es unwahrscheinlich, dass das heimische Handwerk in größerem Maße beteiligt wird, egal welche anders lautenden Beteuerungen wer von sich geben wird. Das war z.B. bei der Feuerwehr auch nicht anders!
  5. Die heutigen 4 Hausmeister/Handwerker und 12 Reinigungskräfte werden von der Stadt woanders eingesetzt. Die Fa. macht das dann genau wie die Grün- und Parkplatzbewirtschaftung gänzlich unabhängig von der Stadt. Wie, kann man sich denken. Dazu gibt es dann extra ein riesiges Vertragswerk, in dem die Leistungen definiert sind. Auch hierbei sind Konflikte vorprogrammiert!
  6. Hochgradig bedenklich erscheint auch, dass die Stadt das Energiemanagement in ihren eigenen Gebäuden – für die sie absurderweise als Eigentümerin Miete zahlen muss, ohne aber Mietkürzungen bei Mängeln vornehmen zu dürfen! – gänzlich in fremde Hände gelegt hat, und das auf 25 Jahre! Gerade im Energiesektor, der völlig in Bewegung ist!
  7. Das Karl-Ziegler-Gymn. soll nicht behindertengerecht umgebaut werden, die anderen beiden Schulen sehr wohl, wie es heutzutage eigentlich vorgeschrieben ist. Das ist angeblich beim KZ zu teuer. Bei der riesigen Investitionssumme nicht nachzuvollziehen!
  8. Viele, viele hunderttausende Euro sind bereits ausgegeben für Gutachter, Anwälte, Berater, bevor auch nur 1 Stein bewegt werden kann! Auch die extra eingerichtete PPP-Stabsstelle der Stadt, die mit der „Giftliste“ wieder eingespart werden soll,  kostete laut HSK seit 2008 knapp 300.000 Euro pro Jahr

Zusammengefasst: Die Stadt Mülheim begibt sich auf den nächsten folgenschweren Irrweg, der hauptsächlich gegangen wird, weil die Investition über „normalen“ Haushalt in der Größenordnung nicht mehr erlaubt wäre, genau wie vorher Medienhaus, Feuerwehr und Rathaus auch.

Auf demokratische Kontrolle über eigene Liegenschaften wird langfristig per demokratischem Beschluss(!) verzichtet. Dass alles billiger sein soll, wenn eine private Firma zusätzlich mit verdient, glaubt ohnehin niemand wirklich. Und dass auf Dauer Konflikte unvermeidlich sein werden, ist sicher. Alleine die Definition von Vandalismus und wer dafür aufkommen muss, ist vertraglich nie zu klären.

Die BI „Mülheim bleibt unser“ erwirkte 2007 einen Bürgerentscheid gegen weitere Privatisierung einschließlich derartiger PPP-Geschäfte. Obwohl SPD, CDU, FDP sich per gemeinsamer Propagandaschlacht für ein Nein stark machten, die Grünen und selbst ver.di sowie die GEW sich demonstrativ gegen den Bürgerentscheid aussprachen, stimmten über 24.000 Mülheimer für ein Ende des Privatisierungswahns, nur 8650 folgten den Parteien. Dennoch war der Bürgerentscheid knapp gescheitert, weil zum hohen NRW-Quorum von 20% aller Wahlberechtigten ca. 2% Ja-Stimmen fehlten. So konnte dann die Mülheimer Vanuatu-Koalition (SPCUFDGrüne) 2008 den Beschluss fassen, der zu dem o.g. fatalen Irrweg führte.

Hätten nur 2000 Mülheimer beim Bürgerentscheid zusätzlich mit Ja gestimmt, hätten andere Lösungen gefunden werden müssen. Dann wäre wahrscheinlich ein Teil der lange überfälligen Schulsanierung etwa am KZ längst abgeschlossen!

Zur Erinnerung:
4.6.08: Die Elternvertretung der Karl-Ziegler-Schule in einem Protestbrief: „Schulsanierung (oder auch nicht) – „Karl-Ziegler-Eltern“ reicht’s! Wann rollen die Bagger?“ MBI-Brief an die Elternvertreter: „Wir begrüßen es, dass Sie eine öffentliche Großveranstaltung durchführen wollen. Nur mit mehr Transparenz und öffentlicher Diskussion unter Einbeziehung der Betroffenen wird unsere Stadt wieder aus dem selbst erzeugten Dilemma Stück für Stück heraus kommen können. … Wir halten es für den sinnvollsten Weg, das sog. ÖPP-Projekt 1 wieder in seine Bestandteile von 6 Schulen aufzuteilen und vorrangig sowie schnellst möglich für jede Schule einzeln das Sanierungskonzept als Bauleistung auszuschreiben, das Betreiben der Gebäude aber weiter als Stadt in der Hand zu halten. Eine solche Vergabe an Baufirmen könnte viel zügiger und problemloser vor sich gehen, man müsste es nur wollen.“

Mehr zur PPP-Problematik

  • Schulen in PPP (Public Private Partnership) und Forfaitierung mit Einredeverzicht im Landkreis Offenbach aus: Werner Rügemer: „Privatisierung in Deutschland, Kapitel V: Querschnitt-Bilanzen, S. 118 bis 121: von Asset Backed Securities und verdeckter Kreditaufnahme“ als pdf-Datei (57 KB) – Herbst 2006
  • Werner Rügemer: »Heuschrecken« im öffentlichen Raum – Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments, erscheint in diesen Tagen im transcript Verlag, Bielefeld, 172 S., 16,80 Euro. Vorabdruck als pdf-Datei (77 KB) – Mai 2008
  • Was ist Forfaitierung mit Einredeverzicht? oder Flugblatt der „BI Mülheim bleibt unser“: ÖPP-Irrweg und Schuldenfalle mit sittenwidriger Forfaitierung incl. Einredeverzicht! als pdf-Datei (164 KB)
  • Kampagne „PPP-Irrweg“ hier
  • Literatur und Linkliste zur Privatisierungsproblematik hier
  • MBI-Faltblatt 5/10: “Mülheim/Ruhr 2010: Zwischen Ruhrbanistan und Absurdistan, am Übergang zum Peloponnes? Misswirtschaft und Haushaltstrickserei griechischen Ausmaßes bei der Stadt Mülheim? Weiter wie gehabt trotz Trümmerbania und bereits gescheiterten Etats?” als pdf-Datei (219 KB)