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Stuttgart 21, Tsunami für die Demokratie, Ruhrbania folgend??

27.11.11: Bei der Volksabstimmung in Baden-Würtemberg zu Stuttgart 21 stimmte eine Mehrheit mit Nein, was Ja zu S 21 bedeutet. Trotz recht guter Wahlbeteiligung wäre das erforderliche Drittel-Quorum auch bei Mehrheit der S21-Gegner nicht erreicht worden. Hoffentlich werden die Menschen nicht frustriert wie in Mülheim, denn Ruhrbania könnte schnell zum Vorbild für S 21 werden! Mehr zu den Hintergründen von S 21 in “Konzerne wie ECE und ihre Politiker” Zur S21-Volksabstimmung NRhZ Nr. 329 vom 28.11.11: “Die Wutbürger und die Demokratiefrage: Schuttgart21 einfach hinnehmen?” auch als pdf-Datei (103 KB)

WAZ vom 11.6.2011: „Stuttgart 21 wird gebaut – Bahn will das umstrittene Projekt fortsetzen. Die Bahn kündigte nach einer außerordentlichen Sitzung der Projektträger in Stuttgart an, in der kommenden Woche die Bauarbeiten wieder „hochzufahren“ …“

Bereits tags zuvor, am Do., dem 9. Juni, hatte der Stuttgarter Stadtrat ein erneutes Bürgerbegehren zu S 21 für unzulässig gestimmt! Mit dem Begehren wollten die „Stuttgart 21“-Gegner einen Bürgerentscheid herbeiführen, um die Stadt zu einem Ausstieg aus dem Projekt zu zwingen. Dazu hatten sie Ende März Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) rund 35.000 Unterschriften übergeben. Der Gemeinderat stimmte über die rechtliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ab. Bereits vor Jahren hatte der Stuttgarter Stadtrat ein Bürgerbegehren mit über 60.000 Unterschriften ebenfalls als unzulässig weggestimmt.

Genau solche für die Bürger frustrierenden Erfahrungen haben wir ja auch in Mülheim zu Ruhrbania machen müssen. Auch hier wurden 2 Bürgerbegehren bürokratisch für unzulässig erklärt und damit der Bürgerwille ausgehebelt. Oder wie sagte es unsere OB Mühlenfeld so bezeichnend: „Wir sind gewählt, deshalb können wir machen, was wir wollen, egal wieviele Bürger dagegen sind.“ In Mülheim hätte jeder Bürgerentscheid zu Frau Mühlenfelds Prestigeprojekt dieses mit viel höherer Wahlbeteiligung als jede Kommunalwahl deutlich abgelehnt. Genau deshalb wurde auch kein Bürgerentscheid zugelassen. Ein derartiges Demokratieverständnis aber bedeutet Bevormundung der Bürger und bewirkt immensen und nie mehr wieder gut zu machenden Vertrauensverlust in die Demokratie!

Wenn dann auch noch wie in Mülheim das Projekt Ruhrbania verheerend schlecht läuft und erkennbar immer mehr zum Ruin der Innenstadt und der Finanzen wird, ist es zu spät. Dann wird zwar von Täterseite gejammert, man hätte die Bürger mehr „mitnehmen“ sollen oder ähnlicher Unfug. Genau das war aber nicht gewollt und wurde sogar „demokratisch“ vom Stadtrat für unzulässig abgestimmt.

Überhaupt sind solche Abstimmungen über Zulässigkeit irgendwie absurd. Wenn ein Bürgerbegehren gegen Gesetze verstößt, ist es unzulässig, egal wie ein Stadtrat abstimmt! Nur ein Gericht kann dies dann verifizieren oder verwerfen. Es wäre wenigstens ehrlicher, wenn der Stadtrat darüber abstimmen würde, ob ein Bürgerbegehren von ihm mehrheitlich gewollt ist oder nicht. Dann müsste er aber auch begründen, warum z.B. 35.000 Unterschriften ihn ggfs. überhaupt nicht interessieren!

Die meisten deutschen Politiker tun sich einfach schwer, den Bürgerwillen zu akzeptieren und umzusetzen. Nur sehr mühsam werden die Bestimmungen für direkte Demokratie erleichtert oder überhaupt erst ermöglicht. Letztes Beispiel: Die Abwahlmöglichkeit für OBs in NRW. Ausgehend von dem Duisburger Drama mit dem blamablen und beschämenden Sauerland, der nicht abwählbar ist, solange seine CDU zusammen mit 2,3 Grünen im Stadtrat mehr als ein Drittel der Stimmen hat, führte die Landesregierung die Abwahlmöglichkeit auch durch die Bürger ein. Doch sie hängte die Quoren so hoch, dass es fast unmöglich ist, die Möglichkeit in größeren Städten auch zu nutzen. Ähnlich verhält es sich mit der Bürgerbefragung am 10. Juli in Köln, die mit irrealen Quoren ebenfalls zu einer teuren Farce zu verkommen droht.

Kurzum: Wenn das Mißtrauen vieler Politiker vor ihren eigenen Wählern so bleibt, wird es umgekehrt ebenfalls immer weniger Vertrauen in die Gewählten, ihre Parteien und letztendlich in die gesamte Demokratie geben können. Bereits der Weimarer Demokratieversuch ist nicht an zu vielen Nazis zerbrochen, sondern an zu wenigen Demokraten!

Stuttgart 21 hat sich letztes Jahr zu einer Art Lackmustest für unsere deutsche  Demokratie entwickelt, auch weil es in seinen Dimensionen sowohl von S 21 wie des Protests alle bisherigen Bürgerproteste bei weitem übertraf. Wenn S 21 nun aber gehandhabt wird wie Ruhrbania in Mülheim oder der massenhafte Anti-AKW-Protest noch im letzten Herbst, wird sich das fatal auswirken. Es wird den momentanen Höhenflug der Grünen zwar beenden, doch das hilft der angeschlagenen Demokratie wenig bzw. schadet ihr merklich. Es führt hauptsächlich zur weiteren Entsolidarisierung der gesamten Gesellschaft. Bei Menschen, die voll überzeugt sind, dass ihre Meinung sowieso nicht gefragt ist („die da oben machen doch sowieso, was sie wollen“), wird die gerade in Deutschland über viele Jahre mühsam aufgebaute Toleranz gegenüber Andersdenkenden, -liebenden bzw. -betenden oder gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund wieder deutlich reduziert.

Doch das scheint die Demokraten, ihre Manager, Gutachter und Lobbyisten nicht zu interessieren, Hauptsache, sie setzen ihre Projekte durch bzw. sie werden wiedergewählt und sei es nur von 5 oder 10%. Dabei stören Bürgerwille u.ä., denn nicht der Wähler ist der Souverän – wie es im Grundgesetz steht – sondern der Gewählte, selbst wenn er mit auf der Gehaltsliste eines Konzerns steht. Wenn dann in Stuttgart gnadenlos weitergebaut wird, bis kein Bürger mehr demonstriert, glauben die Herrschenden, sie hätten das Problem der als „Wutbürger“ diffamierten Mitbürger gelöst und bald sei alles vergessen. Welch ein fataler Trugschluss!

Wir können in Mülheim ein Lied davon singen, was geschieht, wenn der Bürgerwille nicht interessiert und die hohe Kompetenz in der Bürgerschaft in den Wind geschlagen wird. Ergebnis ist eine hochgradig desolate Stadt, bei der auch die Herrschenden immer planloser werden, weil sie spüren, dass ihnen kaum eine/r mehr traut.

Noch ist die „Schlacht“ um S 21 nicht endgültig verloren, doch es sieht nicht gut aus! Die Frage lautet nämlich:

Kommt Schuttgart 21 jetzt doch? Hoffentlich nicht! Es geht um mehr als Bahnhof unter- oder überirdisch!

Mehr auch in

  • Überwältigender Erfolg der Volksabstimmung in Italien zu Atomkraft und Wasserprivatisierung! hier
  • „Ruhrbania als Vorbild für Schuttgart? Hoffentlich nicht!“ hier
  • Oder in “Agenda21 oder Stuttgart21?“ hier
  • Ruhrbania und der missachtete Bürgerwille hier
  • Am 21.10.10 war in Plusminus ein sehr guter Hintergrundbericht zu Schuttgart 21, zu sehen hier

Anm. des MBI-Fraktionssprechers L. Reinhard:
„Ich war Anfang Mai auf dem Städtetag in Stuttgart und ich war begeistert von der schwäbischen Hauptstadt. Sie hat nicht nur eine herrliche Lage, sie funktioniert auch hervorragend. Der Unterschied zum Ruhrgebiet ist sehr auffällig. Die Innenstadt Stuttgarts ist u.a. mit ihren vielen historischen Gebäuden nicht nur eine tolle Attraktion, sie hat auch ein sehr reichhaltiges Angebot und ist belebt wie kaum eine andere deutsche Stadt. Wieso man das mit der Riesenbaustelle für S 21 aufs Spiel setzen will, ist schwer begreiflich. Ich kann jeden Stuttgarter „Wutbürger“ verstehen, denn die Aufenthaltsqualität in seiner Innenstadt ist außerordentlich hoch, auch mit Kopfbahnhof und dem schönen Park dahinter.“