Großmann, Müller, Mühlenfeld & Co: Die Mülheim-Connection?
20.3.16: Die größte Energieagentur Deutschlands, die EnergieAgentur.NRW, gerät wegen fragwürdiger Interessensverflechtungen mit der Mülheimer Fa. Agiplan (TAZ-Bericht) und der damit verbundenen Gefahr von Vorteilsnahme in die Kritik. Im Zentrum dieser Kritik stehen die intransparenten Eigentümerstrukturen und eine zeitweilige Doppelrolle im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Gelder, über die das ARD-Magazin MONITOR berichtete, als Video hier.
Die Stadt Mülheim/Ruhr hat zwar von allen Ruhrgebietsstädten bisher die besten Ausgangsbedingungen gehabt mit stets niedriger Arbeitslosigkeit, einer robusten, vielfältigen Wirtschaft und etlichen Konzernzentralen, u.a. Tengelmann, Aldi-Süd u.a… Dennoch ist diese kleine Großstadt zwischen Duisburg und Essen die einzige Großstadt weit und breit, die auch bilanziell überschuldet ist mit z.Zt. 350 Mio. € negativem Eigenkapital. Die Kassenkredite für die 165.000 Einwohner zählende Stadt werden nur für 2016 deutlich über der Milliardengrenze liegen, fast doppelt so hoch wie alle Gesamteinnahmen inkl. aller Zuschüsse. Mehr u.a. in „Mülheimer Hyper-Haushaltskatastrophe?“ hier
Diese quasi-griechische Haushaltskatastrophe hängt nicht zuletzt mit der viel zu großen Abhängigkeit vom trudelnden RWE zusammen. Doch unabhängig von der absoluten finanziellen Schieflage der Stadt laufen viele Drähte in der kleinen Ruhr-Großstadt zusammen, die weit über die Stadt hinaus Bedeutung haben.
Meldung in der Print-WAZ, Lokalseite Mülheim, vom 12.3.16, im Netz nicht zu finden
„Ex-RWE-Chef Großmann baut an der Elbchaussee
Der ehemalige RWE-Chef Jürgen Großmann, gebürtiger Mülheimer, will an der Hamburger Elbchaussee ein modernes Gebäude mit viel Glas bauen. Das millionenschwere Projekt soll inklusive Grundstückspreis nicht weniger als zehn Millionen Euro kosten. Der Stahl- und Energieunternehmer Großmann zählt zu den wohlhabendsten Deutschen.“
RWE-Totengräber Großmann war RWE-Chef von 2007 bis 2012 und in der Zeit u.a. verantwortlich für einen Atom-Expansionskurs des Konzerns, federführend bei der fatalen Laufzeitverlängerung für Alt-AKWs in Deutschland und mit Millarden-Engagement in die schwindsüchtige europäische Atomindustrie (Bulgarien, Rumänien, Polen, England, Holland), welche sich alle zu Milliardengräbern entwickelten. Großmann hat das RWE abgehalten von erneuerbaren Energien und so das Geschäftsmodell nachhaltig ruiniert.
Kurzum: Die Großmann-Ära des RWE hat mit gigantischen Fehlinvestitionen das exakte Gegenteil dessen bewirkt, was das in dieser Zeit neu eingeführte Logo „VORWEG GEHEN“ besagen will bzw. soll. Das Logo davor („Multi Utility“) sollte den Mischkonzern mit Energie, Wasser, Müll u.v.m. der großen Privatisierungswelle in der Schröder-Zeit kennzeichnen, was aber insgesamt gescheitert war und mit Großmann beendet bzw. reduziert wurde.
Doch Großmann ist u.a. auch Mülheimer Neu-Stahlmilliardär (Georgs-Marien-Hütte, Friedrich-Wilhelm-Hütte u.v.m.), ist als Anteilseigner im Aufsichtsrat der Bahn AG, ist Kuratoriumsvorsitzender der milliardenschweren Ruhrkohle AG-Stiftung, seit neuestem auch Aufsichtsrat der skandalumwitterten Nürburgring-Gesellschaft, nachdem sein Jagdfreund, der russische Pharma-Oligarch Kharitonin, die Holding kurzerhand aufkaufte, u.v.m.
Er wohnte bis vor nicht allzulanger Zeit in der ehemaligen Thyssen-Villa im Mülheimer Uhlenhorst, die einst der frühe Nazi-Förderer Fritz Thyssen dort errichten ließ, gegenüber der Stinnes-Villa (heutiger Grillo-Wohnsitz) und unweit des sog. Streithofs, der Villa des Industriemanagers und langjährigen NSDAP- sowie Hitler-Förderers Emil Kirdorf, wo bekanntlich ein gewisser A. Hitler bereits 1931 mit den wichtigsten Kohle- und Stahlindustriellen zusammen gebracht wurde.
Zurück zur Gegenwart:
Im Aufsichtsrat des trudelnden RWE-Konzerns sitzt seit über 1 Jahrzehnt auch die ex-OB der Stadt Mülheim, welche mit 10 Mio. Aktien relativ zur Einwohnerzahl mehr als doppelt so viele Aktien hält wie Essen und dreimal so viele wie Dortmund. Frau Mühlenfeld, die ihr hochdotiertes AR-Mandat als nicht-mehr-OB nicht aufgeben will, soll nun laut Handelsblatt als Privatperson weiter im Kontrollgremium des Konzerns bleiben, um die Frauenquote zu erfüllen. Na denn! Mehr u.a. in „Das RWE-Desaster und die ex-OB immer noch im Aufsichtsrat?“ hier
Frau Mühlenfeld hat in ihren 12 Jahren als OB keine Diskussion darüber auch nur zugelassen, die Stadt Mülheim unabhängiger vom RWE zu machen, etwa durch Verkauf der Aktien. Im Gegenteil, sie hat „ihre“ Stadt, die im Verhältnis zur Größe die mit weitem Abstand meisten RWE-Aktien hält, auch noch immer wieder dem RWE als Experimentier-, Projekt- oder Modellstadt zur Verfügung gestellt, ob für smart meter, für Elektro-Mobilität, für Straßenbeleuchtung, für Sponsoring und am gravierendsten für den zu 80% dem RWE verkauften regionalen Wasserversorger RWW mit Sitz in Mülheim, der den Wasserpreis in der Ära Großmann/Mühlenfeld deutlich in Richtung flatrate veränderte mit 50% Grundpreis pro Haushalt! Mehr u.a. in
- Feb. 16: Mülheim Spitze? Leider nur als smart-meter-Modellstadt des RWE, bisher ein großer Flop! hier
- Mai 11: RWW-Wasserpreis ab Jan. 2012 als Fast-flatrate, ein Irrweg! hier
Ganz nebenbei: Auch der neue RWE-Chef Terium, der den abstürzenden Konzern retten soll, wohnt in Mülheim.
Zur Erinnerung an RWE-Turbulenzen ferner von Herbst 2015 als Ausschnitt aus einem damaligen Handelsblatt-Artikel:
„…Mitten im Überlebenskampf auch noch Personalstreit, denn der RWE-Aufsichtsrat soll über die Nachfolge ihres Vorsitzenden Manfred Schneider beraten. Die Kommunen haben Ex-Minister Werner Müller gegen den Ex-SAP-Finanzvorstand Werner Brandt ins Rennen geschickt. Doch für RWE geht es um viel mehr als um diese Personalie. Von Werner Müller erhoffen sich die Kommunen eine erfolgreiche Sanierung und eine Lösung für die Atomlasten ähnlich wie bei der deutsche Steinkohle. Die hatte Müller über eine Stiftung erfolgreich und geräuschlos abgewickelt. Schneider kämpft dagegen für den Ex-SAP-Finanzvorstand Werner Brandt als seinen Nachfolger……..“ Durchgesetzt hat sich dann der ex-SAP-Chef gegen die RWE-Kommunen. Mehr zur RAG und Müller in
- Juli 13: „Teure Bergbaufolgen und die Mülheim-Connection“ hier
- Nov. 12: Die “Mülheim-Connection” hier
Doch für den Mülheimer RAG-Stiftungschef Müller, u.a. auch ex-Minister bei Schröder und ex-Aufsichtsratsvorsitzender der Bahn AG, fand sich nun noch eine weitere zentrale Schaltstelle als Aufsichtsratschef der Zeche Zollverein, s.u.. Dass die Privatisierung und Aufspaltung der RAG (Ruhrkohle AG) in Evonik und die RAG-Stiftung in 2006/2007 federführend vom damaligen Staatssekretär Baganz im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium betrieben wurde, dem vor Mühlenfeld abgängigen OB der Stadt Mülheim, versteht sich schon fast von selbst. Mehr u.a. in „Die unglaublichen (Karriere-)Sprünge des Dr. J.B.“, als pdf-Datei hier
Ach ja, Großmann ist ganz nebenher Vorsitzender des RAG-Kuratoriums (sowas wie Aufsichtsrat), das über die Milliarden der RAG-Stiftung, die bekanntlich die Ewigkeitskosten des Bergbaus stemmen soll, „wacht“. Im Kuratorium sitzt mit Frau Kraft eine weitere Mülheimerin.
WAZ 9.3.16, nachzulesen hier
Werner Müller ist neuer Chefkontrolleur auf Zollverein
……. Die Wahl ist der Schlusspunkt eines Machtkampfes. Werner Müller ist am Mittwoch zum neuen Vorsitzenden des Stiftungsrates der Stiftung Zollverein gewählt worden. Das fünfköpfige Gremium kontrolliert den Vorstand der millionenschweren Stiftung. Müller, Chef der RAG-Stiftung, tritt die Nachfolge des langjährigen Vorsitzenden Dietrich Goldmann an, der nach den Personalquerelen in der Stiftung im vorigen Jahr zunächst den Vorsitz niedergelegt hatte …….. Müllers Wahl setzt den Schlusspunkt hinter einen Machtkampf, der Anfang 2015 ausgebrochen war. Damals stand die Vertragsverlängerung der Vorstände Hermann Marth und Jolanta Nölle an. Das einflussreiche NRW-Bauministerium war gegen eine Verlängerung. Auch war bekannt, dass das Verhältnis zwischen Goldmann und Marth nicht als das beste galt. Schließlich setzten sich aber die Unterstützer von Marth durch, zu denen der einstige Bundeswirtschaftsminister Müller zählt. …..
Mülheim, NRW und das RWE
2011: Kraft, Großmann, Mühlenfeld bei der 200-Jahr-Feier der Mülheimer Friedrich-Wilhelm-Hütte, die bis 1998 zu Thyssen gehörte, heute zu Großmanns Georgmarienhütte GmbH. Mehr hier
Es gibt noch etliche Mülheimer/innen an zentralen Stellen der Republik, ob Hombach, Schartau, Beisheim uswusf., von den Stahlbaronen, und transnationalen Konzernen ganz zu schweigen. Mehr u.a. in
- Juni 14: „RWE-Stadt Mülheim, Nest der Mächtigen, Klugen und Kreativen?“ hier
- März 2006: “Mülheim oder das große Schweigen” – WDR-Feature zu den unglaublichen Privatisierungsgeschichten unter Baganz, mehr hier, und Mühlenfeld als pdf-Datei hier