Und schon wieder ein verlorenes Jahr durch Hinhaltetaktik von Kämmerer und Kommunalaufsicht?!
Per Tischvorlage soll der Rat heute, dem 6.12.18, wieder einen Haushalt beschließen, der auf dem Papier genehmigungsfähig sein soll. Um den RP wohlgesonnen zu stimmen, wurde die ominöse HSP-Maßnahme 144 konkretisiert, und zwar durch eine drastische Grundsteuererhöhung auf 890 Punkte statt der Erhöhung auf 700 von 640 heute (= 39%-Erhöhung mit erhofften 16,2 Mio. Mehreinnahmen), durch ÖPNV-Einsparung von 2,4,7 Mio. die nächsten Jahre, durch nebulöse Personaleinsparung von 2,5 Mio. in 2021 und 6 Mio. in 2022 und durch eine allgemeine Absichtserklärung zur überfälligen Durchforstung der üppigen Ausgaben im Ernst-Dezernat.
Frage ist wie jedes Jahr, ob mit diesem Beschluss wirklich ein ausgeglichener Haushalt bewirkt werden kann. Unabhängig von dem indiskutablen Absichten, das Straßen- und U-Bahnnetz in Zeiten überfälliger Verkehrswende noch weiter zu verstümmeln, können wir erneut nicht erkennen, dass bei diesem Etat ernsthaft in die Sanierung des vor die Wand gefahrenen Mülheimer Haushalt eingestiegen werden wird, egal was die bisher sehr häufig wegschauende Finanzaufsicht dazu sagt.
Die Haushaltskatastrophe der Stadt Mülheim
Insgesamt standen Deutschlands Kommunen Ende 2017 laut Statistischem Bundesamt mit 269,2 Milliarden Euro in der Kreide. Dies entspricht einer Pro-Kopf-Verschuldung von 3519 Euro. Die fünf kreisfreien Städte mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung waren Darmstadt mit 14.581 Euro pro Kopf, gefolgt von Kaiserslautern (11.477 Euro), Mainz (11.321 Euro), Mülheim an der Ruhr (11.320 Euro) und Pirmasens (11.303 Euro).
In NRW folgen auf Mülheim mit Abstand Oberhausen mit 9871 €/Kopf, dann Hagen mit 8429 €/Kopf, also Städte, die bis vor 3 Jahren noch weit vor Mülheim lagen. Beim viel sozialschwächeren Gelsenkirchen war die Pro-Kopf-Verschuldung mit 6513 €/Kopf nur etwas mehr als halb so hoch wie in Mülheim. Ende 2018 wird Mülheim garantiert noch weiter „gestiegen“ sein und wohl nur noch von Darmstadt „über“(besser unter)troffen werden, während der Abstand zu den anderen notleidenden Ruhrgebietsstädten sich noch einmal deutlich vergrößert haben wird!
Wirtschaftsboom, Niedrigstzinsen und sprudelnde Steuereinnahmen haben in den letzten 3 Jahren auch den meisten deutschen Städten Überschüsse beschert. Alle Ruhrgebietsstädte außer Mülheim konnten endlich nach langer Zeit zumindest ausgeglichene Haushalte vorweisen und selbst Duisburg mit viel größeren Soziallasten als Mülheim konnte sogar 120 Mio. Kassenkredite abbauen. Laut Ernst&Young (WAZ vom 20.11.) sank die Verschuldung aller Kommunen um 3,5% außer bei 10 deutschen Städten, wo im Schnitt die Verschuldung um 0,7% anstieg, in Mülheim sogar um 5,5%. Kurzum: Die zu Ende gehende Boomphase hat das Mülheimer Finanzdesaster leider nicht gebremst, einen Totalcrash nur hinausgeschoben.
Dass kaum jemand in Verwaltung und Mehrheit der Mülheimer Politik etwas anderes als „Weiter wie gehabt“ im Sinn hatte, zeigte erneut nicht nur der Ende Aug. eingebrachte Etatentwurf, sondern auch die gesamte Entwicklung dieses Jahres mit einer Hiobsbotschaft nach der anderen bis hin zum verheerenden neuesten Finanzabenteuer, der VHS-Schließung. Zu allem Überfluss hatte man nichts Besseres zu tun als monatelanges kleinkariertes Gezänk zur Lapalie „Causa Scholten“.
Wie konnte es nur zu dem extremen Etatdesaster
im eigentlich privilegierten Mülheim kommen?
Über viele Jahre haben die MBI auf die Ursachen hingewiesen und eindringlich vor dem absehbaren Absturz gewarnt. Aussagekräftiger als jährliche Schönrechnereien für fiktive Haushaltsausgleiche irgendwann sind ohnehin die Gesamtergebnisse der Etatplanung, z.B. was die Entwicklung der Kassenkredite und des Eigenkapitals betrifft. Die MBI trafen aber nur auf taube Ohren in Mülheim und zugedrückte Augen in Düsseldorf. Zur Erinnerung die Überschriften der MBI-Etatreden nur der letzten 3 Jahre:
- Zum Etat 2018: “Haushalts”beratungen” der besonderen Art: Chaos pur, in Mülheim an der Ruhr?” als pdf-Datei (128 KB)
- Zum Etat 2017: „Mülheim im Absturzmodus und keine/r will/soll es wissen, um über die Landtagswahl zu kommen?“ als pdf-Datei (229 KB)
- Zum Etat 2016: “Mülheim 2016: Meilenweit von Detroit entfernt und doch sehr nah?! Der Etat 2016 ist noch hoffnungs- und perspektivloser als all die Jahre der Verschwendung zuvor! Auch deshalb: Sparkommissar welcome!” als pdf-Datei (319 KB)
Der Kämmerer nannte bisher neben dem Jammern über zu wenig Einnahmen durch Gewerbesteuer (welche bisher im wirtschaftsstarken Mülheim relativ zur Einwohnerzahl stets üppiger ausfiel als in den meisten anderen Ruhrgebietsstädten!) 2 wichtige hausgemachte Gründe für das Finanzdesaster: 1.) der teure ÖPNV und 2.) die enormen Kosten für die vielen PPP-Projekte (eingedeutscht ÖPP=Öffentlich Private “Partner”schaften)
“Natürlich” gibt es noch weitere wichtige hausgemachte Verursacher des Mülheimer Finanzdesasters wie die gigantisch hohen städtischen Vorleistungen für das angebliche „Strategieprojekt“ Ruhrbania (real eher Stadtzerstörungsorgie), ein überverhältnismäßig aufgeblähter Personalbestand inkl. der aus dem Kernhaushalt ausgegliederten GmbHs, Filz-Vettern- und Cousinenwirtschaft in Rot-Schwarz-Grün und ein wenig Gelb schillernd und mit heftigen Korruptionsskandalen, unverantwortliche Spekulationsgeschäfte wie swaps und Währungskredite, wo man den Beratern auf den Leim ging und mit 20 bis 30 Mio. Minus abschloss usw. usf…
Unsere eigentlich reiche Stadt hat neben der bilanziellen Überschuldung in Zukunft noch viele Fehlentwicklungen der Vergangenheit abzuzahlen, auch für bedenkliche Korruptions- und Selbstbedienungsgeschichten unter Baganz und Mühlenfeld bis hin zu Yassine, Bultmann, Bremekamp, Rinas usw. und zuletzt Bonans fürstliches Gehalt als neuer ÖPNV-Chef ohne Vorerfahrung. Zusätzlich hat Mülheim viel zu viele ausgegliederte und teilprivatisierte Gesellschaften der Daseinsvorsorge, die außerhalb des Kernhaushalts agieren, hat, ist, hat, ist, hat, ist, hat …………..
Wer nun angenommen hatte, bei der Aufstellung des Etats der Stadt Mülheim für 2019 würde das frühere Haushaltssicherungskonzept (HSK) im jetzt in Haushaltssanierungsplan umbenannten HSP so überarbeitet, dass die Vorgaben für Stärkungspaktkommunen erfüllt werden, der sah sich wieder einmal getäuscht.
Mülheim weiter im Absturzmodus: Auch das HSP 2019 ist ideen- und lieblos, somit trotz zusätzlicher Landesgelder perspektivlos!
Letzten Dez. genehmigte der RP nachträglich noch einmal den Etat 2017, um 31 Mio. Stärkungspakt auszahlen zu dürfen. Das half aber nichts und der Etat 2018 bleibt ungenehmigt, 32 Mio. Landesgelder dürfen nicht ausgezahlt werden.
Und nun: Hängen im Schacht? Könnte der Normalbürger denken, doch erneut weit gefehlt!
Die „kreative“ Mülheimer Haushaltsführung schafft auf dem Papier erneut einen wundersamen Haushaltsausgleich u.a. mit einem Pauschalsparpaket von 34 Mio. und ein paar Absichtserklärungen zu ÖPNV und zu Reduzierung von Personal (bei einem aufgeblähten Personalbestand – auch dabei als Spitzenreiter weit und breit).
Selbst wenn die ca. 160 Mio. Zuschüsse aus dem „Solidarpakt Stadtfinanzen“ über 5 Jahre doch noch fließen würden, ist so der finanziell weitere Absturz nicht zu verhindern, wird bestenfalls etwas verlangsamt! Die explosionsartig im letzten Jahrzehnt hochgeschnellten Kassenkredite werden ebenso wie das negative(!) Eigenkapital laut vorliegender Haushaltsplanung weiter wachsen, was z.Zt. wegen der Niedrigzinsen nicht so dramatisch erscheint, allerdings ein enormes Absturzrisiko für die Zukunft bedeutet, wenn die Zinsen steigen sollten.
Der Kämmerer und sein Vorgänger behaupteten bisher noch jedes Jahr gebetsmühlenartig, die Defizite würden Jahr für Jahr weniger und 2020 habe Mülheim einen ausgeglichenen Haushalt (den ersten seit 1998!), danach sogar jährlich Überschüsse. War immer absehbar reinste Fantasiererei und auch für den Etat 2019 werden die Annahmen wie jedes Jahr wieder nicht zutreffen, weil erneut irreal und vollständig unseriös!
Wie nämlich das ganze zu bewerkstelligen sein könnte, ohne bei den bisherigen Schuldentreibern wie Personalkosten, konzeptlose ÖPNV-Defizite, gigantischer Zuschussbedarf für die dilettantische Immobilienwirtschaft, vor allem für die vielen PPP-Projekte mit ihren langjährigen hohen Verpflichtungen, enormen Lasten für eine Politik als Musterstadt für Flüchtlinge, uswusf. anzusetzen, ist bereits rein rechnerisch ohne gehörige bilanzielle Trickserei unmöglich. Die diversen Schattenhaushalte im Rahmen der ausgegliederten Beteiligungsholding sind nach Reduzierung der RWE-Dividende ebenfalls zum riesigen Zuschussbetrieb für den Kernhaushalt geworden.
Da die Ausgaben absehbar weiter in die Höhe schnellen werden, könnte ein Haushaltsausgleich theoretisch nur durch massiv gesteigerte Einnahmen möglich sein.
Auf den Seiten 21 und 34 des Vorberichts zum Etatentwurf 2019 findet man u.a.:
Die Gesamteinnahmen durch Steuern und Abgaben betrugen in 2017 real knapp 260 Mio., dennoch plante man für 2018 mit 295 Mio.,€ verfehlte den Plan erneut um fast 30 Mio. € wie bereits 2017 ähnlich. Dennoch setzte die Kämmerei für 2019 wieder 290,5 Mio. an und danach wieder jährlich auf das Papier fantasierte Steigerungen: 2020 306,8 Mio./ 2021 knapp 317 Mio./ 2022 337, 8 Mio. €. Man erkennt unschwer, dass die erhofften ca. 16 Mio. € Mehreinnahmen durch die rabiate Grundsteuer-erhöhung in 2019 das absehbare Loch von mind. 30 Mio. nicht füllen werden.
Die Hoffnung, dabei in 2020 ca. 17 Mio. mehr Gewerbesteuer einzunehmen als 2017 (als die Realität mit Realeinnahmen von 93 Mio. bereits über 22 Mio. weniger waren als geplant) und in 2022 sogar über 45 Mio. mehr als 2017 ist gelinde gesagt weltfremd angesichts des Aderlasses verschiedener Mülheimer Großfirmen, ganz unabhängig von der abflauenden Weltkonjunktur. Man könnte es auch anders ausdrücken, wenn jedes Jahr aufs Neue utopisch hohe Annahmen in die Haushaltsplanung eingesetzt werden, nur um den Anschein von zukünftig ausgeglichenem Haushalt zu erwecken. Völlig unverständlich ist, dass die Finanzaufsicht das Jahr für Jahr durchgehen ließ. Bereits in 2008 2009 und 2010 hatten die MBI diese unseriöse Trickserei mit fiktiv überhöhten Gewerbesteuereinnahmen heftig kritisiert, hat aber niemanden interessiert!
Auch bei anderen Punkten wäre es nicht besonders schwierig, das Zahlenwerk der Kämmerei als unseriös zu entlarven. Doch egal:
Selbst wenn die utopischen Einnahmewünsche der Kämmerei zu erzielen wären, würde das zusammen mit den jährlich über 30 Mio. € Stärkungspakt-Hilfen des Landes die zu erwartenden Mehrausgaben nicht ausgleichen können, solange nicht deutlich und strukturell an die Ausgaben heran gegangen wird. Über 1 Jahrzehnt lang hat die Stadt Mülheim mit solcher Misswirtschaft einen gigantischen Schuldenberg aufgetürmt, auch weil die Finanzaufsicht alles genehmigte, sogar noch, als vor Jahren die Bertelsmann-Stiftung das eigentlich reiche Mülheim als die deutsche Großstadt mit dem mit Abstand schnellsten Verschuldungstempo identifiziert hatte.
Kurzum: Es kann wiederum vieles hinten und vorn nicht stimmen, was als Haushalt inkl. „Haushaltssanierungsplan“ erneut vorgelegt wurde.
Auch eine wohlgesonnene Finanzaufsicht in Düsseldorf kann die Grundregeln von Adam Riese auf Dauer aber nicht weiter außer Kraft setzen, sondern höchstens erneut etwas Zeit schinden. (Athen oder Rom lassen grüßen!). Natürlich sind auch die MBI dafür, dass Mülheim geholfen werden muss, u.a. mit dem Stärkungspakt und mit einer Art Schuldenerlass. Dies aber wird wirkungslos verpuffen und alle Hilfen in einem inzwischen riesigen Fass ohne Boden verschwinden, wenn „Weitermachen wie gehabt“ vor Ort weiter praktiziert wird, was das haftende Land auf Dauer nicht zulassen werden kann.
Auch der jährlich angedrohte Sparkommissar kann nicht schocken. Was würde denn passieren, wenn der Rat dem Etat nicht zustimmt? Dann müsste der RP als „Sparkommissar“ nicht nur wie bisher jede Maßnahme genehmigen, sondern selbst aktiv tätig werden. Eine Diskussion über Sparmaßnahmen und Umstellung von Weichen würde eventuell überhaupt erst beginnen. Das Land haftet auch für Mülheim, deshalb kann es der hoffnungslos überschuldeten Stadt keine Hilfe verweigern, auch nicht den Stärkungspakt!
Die bisherige Devise von „Nach mir die Sintflut“ türmte nur die bereits übergroß aufgetürmten Problemberge der Stadt Mülheim weiter auf! Ob nun mit oder ohne Sparkommissar: Der lange überfällige Einstieg auch in Mülheim in ernsthaftere Befassung mit Möglichkeiten für mittel- und längerfristige Strategien von Haushaltskonsolidierung muss beginnen. Kurzfristig ist schon lange alles verbaut. Reine Kahlschlag-Sparorgien sind indiskutabel, weil kontraproduktiv wie Erhöhung von KiTa-Gebühren oder die angedachte konzeptlose Schrumpfkur für den ÖPNV in Zeiten auch noch von drohenden Diesel-Fahrverboten. Dennoch oder gerade deshalb:
Schluss mit Prestigeprojekten, Umwegfinanzierung, „kreativer Buchführung“ und verschwenderischer Kirchturmspolitik!
- Gutachteritis, Luftschlösser, Prestigeprojekte u.ä. schnellstens zu beenden bzw. zu begrenzen, ob weitere Ruhrbania-Baufelder, Abriss Hochstr. Tourainer Ring, VHS-Verlagerung uswusf..
- Loslösung vom RWE durch Verkauf oder Tausch der Aktien z.B. gegen medl- oder RWW-Anteile
- unverzüglich die Stadtpolitik konsequent in Richtung Ruhrstadt oder Teilmetropole Ruhr-West umzuorientieren, d.h. auch Verschmelzung ganzer Teilbereiche mit Nachbarstädten und Abgabe von Entscheidungskompetenzen, u.a. gemeinsamer ÖPNV mit fusionierter Verkehrsgesellschaft auch mit DU, OB u.a., dazu eine einheitliche Gewerbesteuer, koordinierte Baulandausweisung mit zuvor festgelegten Tabuzonen, Zusammenlegung und Arbeitsteilung von Behörden sowie Gesellschaften mit den Nachbarstädten
- Sukzessive Auflösung aller Ausgliederungen wie jsg, MST, M&B usw., ob städtisch oder teilstädtisch, und Rücküberführung in den Kernhaushalt bzw. in gemeinsame Bereiche mit Nachbarstädten
- Den Immobilienservice (IS) auf gänzlich andere Füße stellen, das Rathaus schnellstmöglich zurückkaufen
- eine offenere, tabulose Bürgerbeteiligung vor den Entscheidungen, nicht wie auch dieses Jahr wieder in geheimen Mauschelrunden.