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Der Fluchhafen Essen/Mülheim und die gefährdete kommunale Demokratie
Der Fluglandeplatz Essen-Mülheim (2/3 auf Mülheimer, 1/3 auf Essener Gebiet) liegt nur wenige km entfernt vom Düsseldorfer Flughafen. Seit das Land ausgestiegen ist, zahlen beide Städte je 500.000 € jährlich, um den „Airport ohne Düse“ aufrecht zu erhalten. Dennoch träumen seit Jahrzehnten vor allem Mülheimer Lokalpolitiker davon, wenigstens einen Regionalflughafen daraus zu machen, wenn schon ein Weltflughafen nicht so schnell geht. 1994 bereits hatten beide Städte den Ausstieg beschlossen. Das konnte nicht umgesetzt werden, weil die davor allein herrschende Mülheimer SPD mit dem von der Stadt hoch subventionierten Hobbyverein des Aeroclubs einen Vertrag bis 2034 abgeschlossen hatte, mit dem die Segelflieger den Fluglandeplatz nutzen dürfen. 2001 änderte der Mülheimer Rat mit den Stimmen von SPD+FDP+1 nachweislich gekauften Überläuferstimme (mehr siehe* ganz unten) den Ausstiegs- in einen Ausbaubeschluss. Der war aber logischerweise nicht umsetzbar, weil die beiden anderen Gesellschafter (damals Stadt Essen und Land NRW) nicht mitspielten. Das jahrelange Dauergeplänkel mal weggelassen, wurde dann 2010 mit klarer Mehrheit auch in Mülheim der einstige Ausstiegsbeschluss erneuert.
2016 beschlossen dann Essen und Mülheim – das Land war gerade als Gesellschafter ausgestiegen – ein aufwendiges gemeinsames Masterplanverfahren für das Gelände nach 2024. Der wird aber wegen etlicher inszenierten Verzögerungen erst Mitte 2021 abgeschlossen sein. Nun beschloss der Mülheimer Rat erneut den Weiterbetrieb des Landeplatzes bis mindestens 2034 mit Ausbau für Düsenflüge inkl. des zugehörigen Instrumentenlandessytems. Die Stadt Essen wurde wieder einmal „unfreundlich behandelt“, s.u..
Wie konnte das passieren, hatten doch auch nach der letzten Kommunalwahl 2014 die Flughafen-Befürworter von SPD, FDP und AfD nur eine deutliche Minderheit (24 oder vielleicht 25 von 54) im Mülheimer Rat. Ein sich bundesweit epidemisch ausbreitender Virus hatte nämlich auch die kommunale Mülheimer Demokratie massiv befallen: Der Corona-ähnliche Überläuferbazillus, im Volksmund auch „Bäumchen, wechsel-dich-Spiel“ genannt. 2 für andere Parteien oder Gruppierungen Gewählte waren zur SPD gewechselt und 6 zu den beiden aus den AfD-Trümmern hervorgegangenen Ratsfraktionen, die genau wie SPD+FDP für striktem Flughafenausbau sind. Bevor nun die Kommunalwahlen im Sept. 2020 „falsch“ ausgehen könnten, wurde also schnell noch der erneute Flughafenausbaubeschluss mit der nicht vom Wähler bestimmten Mehrheit von 31 Ratsstimmen gefasst.
Aus dem Flughafenausbau wird auch dieses Mal alleine schon wegen der sehr hohen dafür nötigen Investitionen nix werden können, selbst wenn man vernachlässigt, dass Mülheim hyperpleite ist und unangefochten mit ca. 11.500 € die Spitze der Pro-Kopfverschuldung aller NRW-Städte einnimmt und noch schlimmer, bundesweit mit großem Abstand die absolut höchste auch bilanzielle Überschuldung von über 600 Millionen € bei 172.000 Einwohnern aufweist.
Als Aufhänger genau wie 2001 und erneut bei einem gescheiterten Versuch 2008/9 diente das Zeppelin-Unternehmen WDL auf dem Mülheimer Flughafenteil, das für seine untergenutzte Luftschiffhalle einen Erbbaupachtvertrag für `n Appel und `n Ei auf dem Flughafengelände betreibt. Die WDL will nun die Zeppelinhalle als Eventhalle umbauen und evtl. dazu ein Museum errichten. Mehr s.u.
Mehrere Dinge sind anzumerken bei dem, was der Mülheimer Rat am Donnerstag, dem 13.2.20, mit nun deutlicher Mehrheit beschloss:
- Eine typische Kirchturmsentscheidung, womit geordnete Zukunftsentwicklung in der Krisenregion Ruhrgebiet verunmöglicht wird, denn:
- Das mühsam begonnene gemeinsame Masterplanverfahren beider Städte war nun im wesentlichen nur für die Tonne. Als Placebo kann ja jetzt weiter gemacht werden, halt nicht mehr für ab 2024, sondern nur noch für nach 2034, d.h. wahrscheinlich 3 Kommunalwahlen nach der bevorstehenden dieses Jahr.
Dabei ist das Flughafengelände das größte und auch noch interkommunale, wo zukunftsgerichtete Planung in ökologische und ökonomische Projekte noch möglich wäre. - Eine regelrechte Katastrophe für die ohnehin kränkelnde Demokratie, weil der Wahlausgang nichts mehr wert ist, wenn die Gewählten sich danach verselbständigen, ihre Mandate mitnehmen und sich danach an nichts mehr gebunden fühlen, wofür sie gewählt wurden.
Flughafen: Essen sieht sich von Mülheim übers Ohr gehauen
WAZ Essen, 11.2.20, nachzulesen hier
Die Stadt Mülheim will den Vertrag mit dem Luftschiffunternehmen WDL vorzeitig verlängern. Damit wäre ein Schritt getan, um den Flughafen Essen-Mülheim weiterzubetreiben und eventuell später für größere Flugzeuge zu öffnen.Mülheim will den Vertrag mit der Firma WDL verlängern. Essens Planungsdezernent nennt das einen „unfreundlichen Akt“ und missbilligt das Konzept……………….
- Siehe auch: Dauerzankapfel Flughafen Essen/Mülheim
Anm. zum Luftschiffunternehmen WDL
Die Zeiten für Zeppeline sind vorbei. Vor Jahren wollte die WDL z.B. in größerem Maße in Afrika Luftschiffe einführen, ging aber trotz etlicher „Entwicklungshilfe“ voll in die Hose. Bei den olympischen Spielen in Peking hoffte man lange darauf, die Chinesen würden Zeppeline in großem Maße einsetzen. Wurde nix daraus, weil es den Chinesen zu gefährlich war.
Und dann die Riesenpleite mit dem Projekt „Cargolifter“ für Berlin-Brandenburg, jenem scheinbar visionären System, in dem Zeppeline schwere Lasten transportieren sollten. Es landete in der Pleite. In die dafür errichtete riesige Freilufthalle ist mittlerweile der Freizeitpark Tropical Islands eingezogen. Nach 18 Jahre wurde das Cargolifter-Insolvenzverfahren gerade abgeschlossen. 40 Millionen Euro hatten Land und Bund in das Großprojekt gesteckt, teilte das brandenburgische Wirtschaftsministerium gerade mit.
Die WDL in Mülheim versprach als Lockmittel für die Ratsentscheidung am Do., in den nächsten drei Jahren bis zu 12 Millionen Euro in den Umbau der Luftschiff-Garage am Fluglandeplatz Essen/Mülheim zu einer transparenten „Eventhalle“ für Veranstaltungen für bis 700 Personen mit angeschlossenem Museum zu investieren. Geschäftsführer Frank Peylo (56) zu BILD: „Theo ist ein Wahrzeichen und eines von sechs verbliebenen Luftschiffen weltweit. Das wollen wir würdigen.“ Na denn …………… Nach Weiterentwicklung zu einem Regionalflughafen hört sich das nicht an.
- Zur Erinnerung auch: Der Fall Yassine: „Yassine-SPD-Sumpf ohne Ende?“
1999 war das Hauptwahlkampfthema in Mülheim der Flughafen Essen-Mülheim. Die SPD hatte zwar ihren Beschlusslage aus 1994 zur Schließung nicht geändert, kämpfte aber vehement für einen Flughafenausbau und das zusammen mit der FDP. Doch beiden zusammen fehlte im Rat 1 Stimme zur Mehrheit und weil die CDU mit OB Baganz gegen einen Ausbau war, wurde auch der SPD/FDP-Ratsantrag abgelehnt, den Schließungsbeschluss des Rates aufzuheben und den Ausbau zu forcieren. (Baganz gewann übrigens die Stichwahl gegen den SPD-Kandidaten Schroer knapp und mit dem Flughafenthema! Neben CDU stimmten die Grünen und die auf Anhieb in den Stadtrat gewählte MBI gegen den Flughafenausbau)
Im Juli 2001 wechselte der mit Geld und Job als Leiter der MEG-Vergärungsanlage gekaufte Yassine von den MBI zur SPD. Im Sept. 2001 stellte die dann berufene „strategische Allianz“ von SPD+FDP direkt im Sept. den Antrag 1.) die WDL-Verträge bis 2024 zu verlängern und 2.) den Flughafenausbau voranzutreiben. Das wurde per Überläuferstimme dann beschlossen. (Dass es bis 2008 dauerte, bis der berufsunerfahrene Yassine mit auch noch gefälschtem Diplom die ins finanzielle Desaster getriebene Vergärungsanlage verlassen musste, war darin begründet, dass er gedeckt wurde, bis er einen SPD-internen Machtkampf mit dem Fraktionsvorsitzenden Wiechering vom Zaun brach. Vorher wollte niemand auf die mehrfach geäußerten MBI-Erkenntnisse auch nur eingehen. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Vergärungsanlage dann wenig später ganz geschlossen wurde, ein Verlustgeschäft von ca. 20 Millionen €)