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Selbstzerstörung der Demokratie durch Büro- und Demokraten?

„Die Weimarer Republik ist nicht wegen zu vieler Nazis untergegangen, sondern wegen zu weniger Demokraten.“
(Richard von Weizäcker, ex-Bundespräsident)

Am 19. Juli 12 war in der WAZ auf der Titelseite zu lesen „Ansehen der Politiker extrem niedrig“, weil bereits über drei Viertel der Befragten u.a. davon überzeugt sind, „dass Lobbyisten zu viel Einfluss haben und wünschen sich eine Abstimmung nicht entlang von Parteilinien, sondern nach dem Gewissen…“ Im WAZ-Kommentar auf S. 2 „Bürger kanzeln Politiker ab“ erkennt auch die WAZ, dass der „Parteienstaat“ deutlich kriselt, dass „… Kungelrunden, Parteikarrieristen und Parteisoldaten .. nur abgedroschene Worthülsen im Talk-Show-Potpourri“ produzieren. Mehr unter „Verschärfte Demokratiekrise auf allen Ebenen?“ hier

Um die lokale Demokratie in der Heimatstadt der NRW-Ministerpräsidentin ist es dabei noch schlechter gestellt als auf Landes- und Bundesebene, was sich u.a. in wiederholtem “Beratungsbedarf” zur dauernden Verschiebung von Entscheidungen (Etat-Beratungen, ÖPNV-Zukunft, Parkkonzept, swap-Schadensersatzforderungen uswusw.), weiteren informellen Mauschelrunden, dilettantischer Stadtplanung, Baustellenchaos oder in blindem, teuren Aktionismus (charrette-Verfahren, Gutachten, dauerndes „Bespielen“ der toten Innenstadt uswusf.) äußert. Dazu Filz und Korruption, den auch die Lokalmedien kaum noch leugnen können. Die Zerfallserscheinungen haben verschiedene Bereiche der Stadt längst erreicht mit zunehmenden alltäglichen Konflikten wie die bedrohliche Aggressivität gegen Landschaftswächter, Radler gegen Fußgänger, Schule gegen Schule uswusf…. Das Bedenklichste aber ist, dass in weiten Teilen der Bevölkerung das Vertrauen futsch ist, dass Verwaltung und Politik im Sinne des Allgemeinwohls agieren.

Eine neue Qualität der Selbstzerstörung der Mölmschen Demokratie sind die gehäuften Strafanzeigen gegen Bürger oder MBI`ler, mit denen Kritiker eingeschüchtert und mundtot gemacht werden sollen. Dabei spielen auch die lokalen Medien z.T. eine wenig rühmliche Rolle. Mehr auch dazu in NRhZ Nr. 385: „WAZ und NRZ auf Seiten der Mülheimer Obrigkeit, nicht der Leser? Bürger/innen nur für Abos zuständig„, auch als pdf-Datei (80 KB) und im folgenden:

Der Strafbefehl gegen den Klöttschen-Anwohner, der die Mülheimer Verkehrsplaner als „totale Versager“ bezeichnet haben soll, ist keine alltägliche Geschichte, sollte sie hoffentlich auch nie werden können!

  • Klöttschen: Wenn der Obrigkeitsstaat zuschlägt hier
  • NRhZ Nr. 384: “Aus der Heimatstadt von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Der Klöttschen – Synonym für Stadtzerstörung und Repressalien gegen betroffene Bürger – Wo leben wir hier in Mülheim eigentlich?“, auch als pdf-Datei (56 KB)
  • MBI-Flugblatt Dez. 12:  “Der Klöttschen und der Strafbefehl wg. “Totale Versager” der Mölmschen Verkehrsplanung” als pdf-Datei (74 KB)

Die für die Demokratie gefährliche Grundstimmung „Die da oben machen doch eh, was sie wollen“ wird durch derartige obrigkeitsstaatliche Strafaktionen gegen vermeintlich aufmüpfige Bürger leider deutlich verstärkt und verursacht! Unabhängig vom Problem Klöttschen geht es der Stadtspitze bei solch einer völlig überflüssigen Strafaktion auch darum, Kritik möglichst verstummen zu lassen, um ungestörter von vermeintlich lästigen Bürgern die Stadt „entwickeln“ zu können. Im Fall Mülheim bedeutet das die Umsetzung der Ruhrbania-Pläne bis zur bitteren Neige, ob finanziell oder städtebaulich.

Genau das ist einer lebendigen Demokratie abträglich!

Zu der unfassbaren Geschichte mit dem Strafbefehl gegen den Klöttschen-Anwohner hatten die MBI u.a. an die WAZ in Mülheim geschickt. Die WAZ machte daraus einen Artikel, in dem allerdings keines der Wörter Mülheimer Verkehrsführung oder Klöttschen oder Bürgerversammlung o.ä. vorkam, damit der Leser auch den Anlass für die Strafaktion kennt. Dafür bestand der weitaus größte Teil des Artikels aus den Kommentaren des Personalratschefs der Stadtverwaltung. Dieser beschwert sich über zunehmende Aggressivität der Bürger gegenüber den städt. Bediensteten und er sieht juristische Schritte als „betriebliche Gesundheitsförderung“ an. Die MBI werden kurz zitiert, dass sie lebendige Demokratie als gefährdet sähen durch diese Strafmaßnahme. Der WAZ-Artikel wurden in WAZ und NRZ abgedruckt, nur mit unterschiedlicher Überschrift: WAZ „750 Euro für „totale Versager“, NRZ „Manche Bürger vergreifen sich zunehmend im Ton“

Der Artikel verharmlost leider sehr deutlich den Vorfall, denn:

  1. Der Bestrafte hatte niemanden  als Person beleidigt, sondern die Verkehrspolitik von Verwaltung und Politik insgesamt. Damit sprach er im Übrigen vielen Mülheimern und noch mehr Auswärtigen aus der Seele, denn „totale Versager“ bzgl. Mülheimer Verkehrsführung ist noch eine harmlose Darstellung dessen, was über die Mölmsche Verkehrsführung des öfteren gesprochen wird.
  2. Nicht der Personalrat, sondern die Stadtspitze hätte begründen müssen, warum genau sie Strafanzeige gestellt hat. Bei der Bürgerversammlung zu noch mehr Verkehr im Klöttschen war allseits vorher bekannt, dass diese Pläne deutlichen Unmut erzeugen mussten. In der Bürgerversammlung selbst war aber kein Dezernent, nicht einmal der oder irgendein Amtsleiter zugegen. Man hatte untergeordnete Beschäftigte geschickt, die die verständliche und absehbare Verärgerung der Menschen über sich ergehen lassen mussten.
  3. Bei der Beschimpfung der Mülheimer Verkehrsplaner insgesamt als „totale Versager“ handelt es sich u.E. um erlaubte freie Meinungsäußerung, die laut Artikel 5 des Grundgesetzes erlaubt sein müsste, weshalb die Staatsanwaltschaft eigentlich nicht derart schnell und eindeutig hätte bestrafen dürfen. Dass die Äußerung zudem in einer offiziellen Bürgerversammlung als Redebeitrag geäußert wurde, unterstreicht dies.
  4. Der Klöttschen-Anwohner wurde u.E. stellvertretend für viele andere Mülheimer Bürger bestraft, damit sie vorsichtiger mit Kritik gegenüber politischen Fehlentwicklungen umgehen sollen, wenn sie keine deutliche Strafe riskieren wollen. Alleine auf der besagten Bürgerversammlung zum Klöttschen-Ausbau waren viele der noch nicht vertriebenen Anwohner sehr aufgebracht, was man bei der jahrzehntelangen Leidensgeschichte sehr gut nachvollziehen können muss. Der Strafbefehl ist eine völlig überzogene, unangemessene Reaktion auf harsche Kritik.
  5. Es ist ohnehin vor allem der nicht selten ignorante Umgang der Stadt mit den alteingesessenen Mülheimer/innen, häufig auch Umwelt- und Baumschützern, der nachdenklich stimmen sollte.
    Die einschneidenden Veränderungen der Stadt für Ruhrbania und durch ungehemmten Wohnungsbau trotz schrumpfender Einwohnerzahl haben ihre Stadt nicht verbessert und die Identifikation mit ihrer Heimatstadt erschwert. Rabiate Gebührenerhöhungen, Millionenverluste durch Zinswetten, Verkauf der Feuerwehr als Finanzprodukt, Schulden in Milliardenhöhe, Filz- und Korruptionsfälle in Serie, schlechter Zustand des ÖPNV, Geheimniskrämerei um Gutachten, Millionenverluste u.v.m. taten ein Übriges, um das Vertrauen in die Seriösität der Stadtentwicklung und –politik weiter zu erschüttern.
    Die Vorgehensweise „der Stadt“ zur Durchsetzung ihrer Pläne wird dagegen immer unsensibler und rücksichtsloser. Selbst Enteignung wie beim U 17 Fünterweg/Honigsberger Str. ist kein Tabu mehr, viele schöne Stellen der Stadt wurden bereits privatisiert, zugebaut oder sollen noch verschwinden, ob Stadtbad mit Rio-Kino und Laubengang, Gartendenkmal Ostruhranlagen, der Kahlschlag von ca. 200 Innenstadtbäumen nur für Ruhrbania, die geplante Verschandelung des Aufgangs von der Mausefalle, durch das Petrikirchenhaus, die Bebauung der Grünfläche der ehemaligen Gärtnerei Hansastr., der Verkauf der Jugendherberge, das Landschaftsbild von Oppspring/Tilsiter Str., Schlippenweg oder fast am Ortseingang Mendener Straße u.v.m.. Außer bei letzterem wurden und werden die Bürgereingaben fast immer recht gnadenlos übergangen, wie etwa bei Fänger- oder Postreitweg und etlichen anderen Bauprojekten, bei der Umwandlung der Speldorfer Sportplätze oder der noch geplanten beim Sportplatz von-der-Tann-Str. auf Kosten der Styrumer Schüler uswusf…………………… Der letzte Planungsausschuss war erneut ein sehr abschreckendes Beispiel, vgl. „Ein erschreckend bauwütiger, rücksichtsloser Bauausschuss“ hier
    Bei anderen Problempunkten wie der Vielfachproblematik Fallwerk Jost ließ die Stadt ihre betroffenen Bürger jahre- und jahrzehntelang völlig im Stich und verwies auf den RP. Auch bei dem unrühmlichen Dauerstreit mit den Rest-Marktleuten in der schwer angeschlagenen Innenstadt konnten viele Alt-Mülheimer nur noch den Kopf schütteln und, oder, und ….
    Doch das wohl heikelste Thema war und ist die Innenstadtverkehrsführung, die durch Abermillionen und jahrelangen Großbaustellen für Ruhrbania nicht besser geworden ist, im Gegenteil.
  6. Die Flut von Strafanzeigen auch gegen MBI„ler zeigt, dass die Verwaltung und Teile der Politik ihre Pläne möglichst geräuschlos auch in den demokratischen Gremien durchziehen wollen, selbst wenn bereits kaum noch reparable Riesenschäden (finanziell und städtebaulich) angerichtet wurden wie bei Ruhrbania, der Innenstadt, der Verkehrsführung oder Speldorf. Den Baubeschluss zu Ruhrbania-Baulos 3 überhaupt noch zu fassen bei der gegebenen Haushaltskatastrophe und der verkorksten Verkehrsführung, ist z.B. völlig unverständlich, nicht mehr vermittelbar und verantwortungslos. Womit wir wieder u.a. beim Klöttschen wären, denn diese unausgegorene Straßenplanung ist ein Teil dieses Bauloses 3!

Zusammengefasst: Die Strafanzeige gegen den Klöttschen-Anwohner war völlig überflüssig und demokratieschädigend, weil mundtot gehaltene Bürger gegenüber der Stadt oder dem Staat in die innere Emigration gehen. Im Falle der DDR gingen sie auch in die äußere Emigration, angelockt auch durch  Begrüßungsgeld. So gut haben wir Mülheimer es leider nicht!

Die NRZ Mülheim ist nur noch eine Rumpfredaktion und wird wohl den WAZ-Sparplänen zum Opfer fallen. Nichtdestotrotz hat Redaktionsleiter Schönen zum Thema Strafbefehl den Vogel abgeschossen. In seinem Kommentar „Auf ein Wort: Lebendige Demokratie“ zu dem WAZ-Artikel in seiner NRZ schreibt er:

„Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die MBI halten es für ein fragwürdiges Demokratieverständnis, wenn sich Beamte Beleidigungen verbitten. Die MBI meint: Der Bürger ist im Recht, weil er ein Bürger ist. Anstand, Respekt, Umgangsformen, Rechtsvorschriften? Das ist doch von gestern … In diesem Stil verfährt die MBI selbst. Der Demokratie leistet sie damit ebenso einen Bärendienst, wie der „Bürger“, der für sich den Absolutismus wiederentdeckt hat. Wer im Tonfall irrt, kann in der Sache schwerlich Recht haben…… Detlef Schönen“
Was um Himmels Willen will Herr Schönen damit eigentlich wem sagen?

Es ist haarsträubend, was der NRZ-Kommentar meint sagen zu wollen, was die MBI meint, aber weder gesagt noch gedacht hat und auch nicht haben könnte. Sicher werden die MBI gegen diesen Kommentar keine Strafanzeige erstatten, warum auch. Ist zwar abwertend gemeint, aber halt Herrn Schönens Meinung, zwar schräg und unfair, aber dennoch anscheinend seine Meinung. Man muss ja die NRZ nicht lesen

Nach den o.g. Artikeln in WAZ und NRZ war das gesamte Thema in den Zeitungen ganz weg, anscheinend tabu. Erschreckend!

Mehr zum Thema Demokratiekrise und Mülheim

  • Dez. 12: „Klöttschen: Wie der Obrigkeitsstaat seine Bürger mundtot bekommen will …..“ hier
  • Juli 12: „Verschärfte Demokratiekrise auf allen Ebenen? Bspl. Mülheim“ hier
  • Juli 12: Demokratiedebakel in Duisburg statt Neuanfang – warum? hier
  • Mai 12: Aus der Finanz- in die Demokratiekrise? hier
  • Mai 12: Viel Ratlosigkeit im Mülheimer Rat!! hier
  • April 12: Chaos pur, in Mülheim/Ruhr hier
  • Feb. 12: Direkte Demkratie als Heilmittel gegen Politikverdrossenheit? hier
  • Feb. 12: SPD-Demokratur in der Heimatstadt von Frau Kraft? hier
  • Feb. 12: Mölmsche Sport- als Mauschelpolitik? hier
  • Nov. 11: Demokratiekrise in Ruhrbania hier
  • Okt. 11: Hyper-Demokratiekrise in der Vorreiter- und RWE-Stadt Mülheim hier
  • Juli 11: Ist Mülheim noch zu retten? hier
  • Juli 10: “Bad Reichenhall, Köln, Duisburg … Et hätt nit immer joot jejange” Gedanken zur loveparade-Tragodie hier oder als pdf-Datei (54 KB)