Blühende Kirchtürme im Ruhrgebiet, aber
mit ÖPNV-Bruch- und Versatzstücken
Aus der WAZ Duisburg konnte man als angrenzender Mülheimer am 6.6.17 erfahren: Der RVR kritisiert am neuen Nahverkehrsplan der Stadt Duisburg, dass die Nachtexpress-Linie NE 9 von Duisburg Hauptbahnhof über Mülheim Hauptbahnhof zum Rhein-Ruhr-Zentrum eingestellt werden soll. Der NE 9 verbinde zwei Städte miteinander und sollte auch aufgrund „ihrer Anbindung an regional bedeutsame Freizeitstandorte weiterbetrieben werden“, heißt es in der Stellungnahme des RVR an die Stadt Duisburg.
Dass dieses Problem bisher in keinem Mülheimer Ausschuss o.ä. behandelt wurde, ist kein Zufall, denn auch hier beschäftigt man sich bzgl. Nahverkehr am liebsten nur mit sich selbst und nur bis zur Stadtgrenze. Zu Duisburg hin ist das am Zoo, wo die einzige ÖPNV-Verbindung nach Mülheim, die Linie 901, zur einen Seite einen ganz anderen Takt fährt als zur anderen. Ähnlich ist das auch an der Stadtgrenze Mülheim/Oberhausen mit der Linie 112.
Mal wieder typisch selbst die Frage mit dem Nachtexpress NE 9:
Jede Teilstadt, besser Stadtteil, in der Metropole Ruhr wurschelt beim ÖPNV eigenbrötlerisch vor sich hin. Ergebnis ist ein übermäßig teurer, aber sehr ineffektiver und kundenunfreundlicher Nahverkehr.
Man kann nur hoffen, dass die neue Landesregierung endlich anders mit der Riesenproblematik umgeht und die Kirchtürme zur Fusion ihrer insgesamt 28 Einzel-Verkehrsgesellschaften zwingt und damit auch zu einem gemeinsamen Nahverkehrsplan aus nur noch einem Guss!!
Vom 5. Mai bis zum mindestens 15. Mai 2017, also pünktlich zur Landtagswahl in NRW am 14. Mai, hatten die MBI folgendes Plakat auf 2 großen Plakatwänden in Mülheim aufhängen lassen, und zwar in Speldorf auf der Duisburger Straße gegenüber der Lutherkirche und in Styrum auf der Hauskampstraße gegenüber dem Bahnhof Styrum.
Im Bild links das MBI-Plakat auf der Hauskampstraße in Styrum.
Der ÖPNV ist das wichtigste Problemfeld mit akutem Handlungsbedarf für Mülheim und das Ruhrgebiet mit seinen über 5 Millionen Einwohnern und sage und schreibe 28 Verkehrsgesellschaften!
Insbesondere der übermäßig teure und wenig effiziente ÖPNV ist ein Standortnachteil für das Ruhrgebiet!
Mehr zum Thema findet man auch in einem 45-minutiger Fernsehbericht des WDR vom 15.9.14: „DieStory – Endstation – Kollaps im Nahverkehr“ hier und auf youtube hier
Zur Erinnerung auch die MBI-Glosse zum 1. April 16:
„Man glaubt es kaum! Pünktlich zum 1. April 2016 die Sensation: Stadt Mülheim verschenkt Verkehrsbetrieb für Fusion mit Nachbarstädten und trennt sich schlagartig von allen RWE-Aktien!“ hier und
- April 17: MBI-Wahlprüfsteine für die Landtagswahl 2017 zur Ruhrgebietskrise, d.h. zu Kirchturmspolitik, ÖPNV-Krise und Mittelbehörden hier
Und von Oktober 2016
Kirchtürmelei im bankrotten Ruhrgebiet geht weiter. Den Schuss nicht gehört?
Duisburg und Oberhausen wollen nicht in einer gemeinsamen ÖPNV-Gesellschaft – selbst der nur 4 DEMO-Städte – mitmachen. Für das Ruhrgebiet ein ruinöses Armutszeugnis. Das Land muss endlich tätig werden, um aus der Falle der Kirchtürmelei im westlichen Ruhrgebiet heraus zu kommen!
Oberhausen hat die höchste Pro-Kopf-Verschuldung in NRW, direkt gefolgt von Mülheim. Der ÖPNV im Ruhrgebiet ist einer der teuersten und ineffektivsten aller Ballungsräume in Europa.
Weil beide Städte MH und OB nahtlos ineinander übergehen, wie beide mit anderen Teilstädten des Reviers ebenfalls, gibt es verschiedene Straba- oder Buslinien, die beide bedienen, ebenso mit Essen und Duisburg. Doch selbst die Koordination klappt schlecht, weil jede Teilstadt ihr eigenes Süppchen kocht. Die StraBa-Linie 112 z.B. wurde für sehr viel Geld u.a. für das CentrO gebaut und sie fährt von OB-Sterkrade bis MH-Hauptfriedhof (wenn in Kürze die Baustelle fertig ist). Vor wenigen Jahren änderte z.B. OB eigenmächtig den Takt und so verkehrt die 112 bis Stadtgrenze auf Mülheimer Gebiet im 10-Min.-Takt und weiter in OB im 20-Min.-Takt. Viele MH-Styrumer Schüler gehen im näheren OB z.B. zum Gymnasium. Wenn sie nun die falsche Bahn nehmen, müssen sie an der Landwehr erst einmal aussteigen. Die vielen OB-Kinder, die in MH-Styrum zur Gesamtschule gehen, haben es etwas besser mit dem Umsteigen, aber für eine Metropole mit 5 Mio. Bewohnern einen miserablen Takt genauso wie die vielen Arbeitnehmer, die zwischen diesen beiden Teilstädten (besser Stadtteilen) hin und herpendeln. Ähnlich sieht das z.B. auch zwischen Mülheim und Duisburg aus, nur dass dort die Mülheimer vor Jahren eigenmächtig (oder besser eigenbrötlerisch) einen anderen Takt der 901 bis zur Stadtgrenze machten, als die Duisburger ab dort (Zoo).
Seit vielen Jahren ist allen Fachleuten klar, dass ohne eine einheitliche Verkehrsgesellschaft der ÖPNV im Ruhrgebiet weder billiger noch besser werden kann, von ein paar Pöstchen hauptsächlich im overhead (hieß früher „Wasserköpfe“) mal abgesehen. Nachdem Duisburg selbst die halbherzige VIA aus MH, DU und E durch Austritt hat beerdigen lassen, haben MH und E beschlossen, als ersten kleinen, aber richtigen Schritt die MVG mit der EVAG zu fusionieren. Mehr hier.
Duisburg will anscheinend ganz weg vom Ruhrgebiet (vgl. hier), was bereits anachronistisch ist, und Oberhausen als Königin aller Schuldenstädte winkt ab, wenn es um ÖPNV-Fusion geht, ganz so, als wären wir noch in den 60er und 70er Jahren und nicht Deutschlands Problemregion Nr. 1. (Mehr s.u. im WAZ-Artikel)
Seit vielen Jahren fordern die MBI die Fusion der Verkehrsgesellschaften als dringende und überfällige Maßnahme, beginnend mit dem westlichen Ruhrgebiet der DEMO-Städte mit ca. 1,5 Mio. Menschen. Danach muss die Bogestra dazukommen usw.. Das Weiterwurschteln jedes Kirchturms im eigenen Saft ist zukunftslos bzw. zukunftszerstörend! Auch deshalb fordern die MBI immer und immer wieder, dass das Land NRW, das für die Kommunen haftet, den Fusionsprozess aktiv fördern und moderieren muss. Alleine aus den Teilstädten heraus wird das nicht gehen können. Wer z.B. gibt freiwillig Kompetenzen, Spitzenjobs usw. ab, auch wenn es noch so sinnvoll und unumgänglich ist.
Die Ministerpräsidentin kommt aus Mülheim, der Verkehrsminister aus Oberhausen, der Innenminister aus Duisburg und der Justizminister aus Essen. Man kann nicht glauben, dass dieses Quartett den überfälligen und lebensnotwendigen ÖPNV-Fusionsprozess im westl. Ruhrgebiet nicht endlich in die Gänge bringen könnten, so sie denn wirklich wollen!
Mehr auch in
- Dez. 16: Unausgegorener NVP: Teurer und für ÖPNV-Benutzer schlechter! hier
- Okt. 16: Kirchtürmelei im bankrotten Ruhrgebiet geht weiter. Den Schuss nicht gehört? hier
- Aug. 16: ÖPNV-Fusion Essen/Mülheim: Endlich, aber nur ein Anfang! hier
- Mai 16: „ÖPNV-Zukunft in Mülheim als perspektivlose Gutachteritis?“ hier
- Feb. 16: Die Linie 110, die Hauskampstr. und die Mölmsche Bürgerferne hier
- Nov. 15: ÖPNV-Chaos als Beschäftigungstherapie von verselbständigten Kirchturms-Verwaltungen? hier
- Sept. 15: ÖPNV-Chaos und eigenmächtig handelnde Verwaltung, Bspl. Haltestellen neue Buslinie 130 hier
- April 15: Demokratieferne, Unrechtmäßigkeit, alles egal?? Beispiel Fahrradweg Zeppelinstraße auf stillgelegten Straba-Ast hier
Die neue „Ruhrbahn“ fährt vorerst ohne Oberhausen
WAZ/NRZ Mülheim vom 16.10.16 hier
Nach Duisburg hat Oberhausen einen Einstieg beim Nahverkehrsbetrieb MVG/Evag abgelehnt. Die Stoag sei besser aufgestellt. Bei Fusion kein Spareffekt.
Während Mülheim und Essen bald ihre Nahverkehrsbetriebe verschmelzen und „Ruhrbahn“ nennen wollen, treten in Oberhausen Stadtspitze, Lokalpolitiker und Betriebsleitung auf die Bremse. Dabei hatte Landesverkehrsminister Michael Groschek (SPD, Oberhausener) die Fusion von MVG (Mülheimer Verkehrsgesellschaft) und Evag (Essener Verkehrs-Aktiengesellschaft) besonders gelobt und empfohlen, die Stoag (Stadtwerke Oberhausen) und weitere Betriebe sollten sich anschließen. Aber die Nachbarn sehen darin „keinen Gewinn für Fahrgäste und keine Kostenersparnis“.
Alleingänge und Machterhalt
MVG und Evag fahren bald auf einem gemeinsamen Gleis, weil Duisburg aus dem Via-Verbund ausgestiegen ist. Damit blieb der sieben Jahre dauernde Versuch zum Aufbau eines Nahverkehrsbetriebs für das westliche Ruhrgebiet vorerst auf der Strecke. Gründe sehen Gutachter in stadtpolitischen Alleingängen und im Machterhalt der verantwortlich handelnden Personen. Hinter verschlossenen Straßenbahntüren haben Abteilungsleiter, Betriebsräte und einige Ortspolitiker Jahre lang mehr gegen- als miteinander gearbeitet. Nur wenige haben Via als „den richtigen Weg“ gesehen. Das Blockieren hat die Stoag beobachtet und wollte darum schon in der Vergangenheit nicht bei Via mitfahren.Klaus-Peter Wandelenus, bis letzten Samstag (15. Oktober) MVG-Geschäftsführer und Evag-Vorstand, sitzt bald im DVG-Chefsessel und kehrt zur Duisburger Verkehrsgesellschaft zurück. Sein Vertrag in Mülheim wurde nicht verlängert. Daher ist mit dem Wiedereinstieg der DVG in einen großen Verkehrsbetrieb im Westen des Ruhrgebiets – wie ihn Groschek bereits länger fordert – vorerst kaum zu rechnen. Die Duisburger argumentieren ähnlich wie die Oberhausener: „Ich bin ein erklärter Befürworter verstärkter Kooperationen zwischen den Ruhrgebietsstädten. Doch bei der von Essen und Mülheim angestrebten Vollfusion der beiden Unternehmen liegt für uns die Frage, ob wir da nicht mitmachen wollen, noch nicht auf dem Tisch“, sagt Oberhausens Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU). Essen und Mülheim wollten einen Restrukturierungsprozess. Den habe die Stoag schon „intensiv betrieben. Wenn wir auf dem gleichen Level sind, dann ist der richtige Zeitpunkt über eine Teilnahme an der Fusion noch einmal zu reden.“
„Würden von einer Fusion nicht profitieren“
Stoag-Vorstand Werner Overkamp, der mit Klaus-Peter Wandelenus selten Übereinstimmung fand, verweist auf die andere Struktur des Oberhausener Betriebes. „Bei uns werden Personalabrechnung und Buchhaltung günstig vom Oberhausener Energieunternehmen EVO gemacht.“ Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr kümmere sich maßgeblich um Werbung und Kunden. „Wir würden von einer Fusion nicht profitieren.“ Brächte ein gemeinsamer Einkauf, mehr Busse in einem Auftrag, keine Einsparungen? „Wir bekommen die gleichen Preise wie andere – ob da zehn oder fünfzig Busse gekauft werden, das erzielt keinen Preiseffekt“, meint Overkamp. Selbst eine Verbesserung des heute mageren Buslinien-Angebots zwischen den Städten sieht er durch eine Fusion nicht. „Da müssen sich die Kommunen auf einen gemeinsamen Nahverkehrsplan einigen. Mehr Angebot kostet mehr Geld.“
Weder in Mülheim noch in Essen wollte jemand das Oberhausener „Nein“ kommentieren. Nur so viel: Sei die fusionierte Ruhrbahn gut mit ihren Kunden sowie in Mülheim und Essen unterwegs, würden auch andere Städte zusteigen.
Frank-Rainer Hesselmann und Peter Szymaniak